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Vorwürfe an Katastrophenschutz, Bürgermeister und Landräte

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Die Zeiten ändern sich.

Dieser Beitrag scheint älter als 3 Jahre zu sein – eine lange Zeit im Internet. Der Inhalt ist vielleicht veraltet.

Mich beschäftigt seit längerer Zeit immer wieder die gleiche Frage. Vorwürfe gegen Politiker und Verantwortliche in Behörden und Ämtern, auch gegen Ehrenamtler, verbale Gewalt inklusive, nehmen immer mehr zu, vor allem während der Pandemie und nach der Flutkatastrophe.

Die Kritik an der Handlungsweise von Menschen ist so einfach. Es ist keine Ausnahme mehr, dass in Kommentaren und Tweets unflätige Vorwürfe formuliert oder sogar Rücktrittsforderungen gestellt werden. Auch Letzteres geht ganz fix. Was damit langfristig allerdings angerichtet werden könnte, scheinen viele nicht auf dem Zettel zu haben. Vielleicht steht im Vordergrund, persönlichen Frust abzubauen. Dabei stört der Gedanke an andere nur. An den Zustand unseres Gemeinwesens (der Demokratie insgesamt), so scheint es mir, denken viele nicht.

Ich schreibe das im ausdrücklichen Bewusstsein, dass so viele Menschen in phänomenaler Art und Weise ihre Zeit und Kraft in den Dienst der Betroffenen in den Flutgebieten stellen.

Wer wohnt gern in einem solchen Land

Was macht es mit der Bevölkerung eines Landes, wenn Medien ständig berichten, wie schlecht alles organisiert ist (Masken, Impfungen, Warnungen, Rente, soziale Unterschiede) und wenn gleichzeitig behauptet wird, wie wenig sich Politiker (auf allen Ebenen) um die drängenden Themen kümmern? Gleichzeitig wird gern der Vorwurf erhoben, „die Politik“ würde sich vornehmlich um die Interessen mächtiger Lobbygruppen kümmern.

Kurz gesagt, viele glauben, Politiker und Behördenleiter machen keinen guten Job, sie wären inkompetent, unfähig oder überfordert. Das wird jeden frustrieren, der normalerweise aus seiner verantwortungsvollen und schwierigen Arbeit für die Allgemeinheit eine Motivation ableitet, die es dringend braucht, um einen im Vergleich mittelmäßig bezahlten, nichtsdestotrotz aber existenziellen Job für die Gesellschaft zu leisten. Ich denke auch und vor allem an ehrenamtliche Bürgermeister, Feuerwehrleute, die THW Mitarbeiter aber auch deren Führung.

Warum bereiten unsere Medien das Feld für die Feinde der Demokratie?

Die alle könnten sich von der großen Kritik wegen angeblich ausgebliebener Vorwarnungen angesprochen fühlen. Ich glaube, viele tun das auch. Ist das fair? Ist es angebracht, angesichts einer Katastrophe, die leider auch zu vielen Toten führte? Dass ungewöhnlich große Regenmengen niedergehen werden, war Tage zuvor bekannt, selbst wenn sie „nur“ den Wetterbericht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, eingeschaltet haben. In manchen Orten wurden die Menschen gewarnt, per Durchsage oder per Sirene. Die Frage wird gestellt, ob man die Menschen eines Behindertenheims hätte in Sicherheit bringen müssen? Nach welchen Kriterien wäre dabei vorzugehen gewesen? Konnte damit gerechnet werden, dass die Wassermassen an diesem Ort in Sinzig diese Auswirkungen haben? Und wo hätte die Frage auch an allen anderen Orten lauten müssen.

Bis keiner mehr den Job machen will

Wer von denen, die heute ganz genau zu wissen glauben, welche Maßnahmen in dieser Lage angebracht wären, möchte sich dazu äußern? Könnten sie oder er dafür die Verantwortung übernehmen? Wo und in welchem Umfang hätten Evakuierungen stattfinden müssen. Wären die Menschen den Anordnungen der Behörden gefolgt mit welchen Reaktionen hätten Polizei, Feuerwehren und Ordnungsämter zu tun bekommen? Ich könnte mir gut vorstellen, welche Ansagen in einem solchen Fall von vielen Seiten gekommen wären.

Das vor 27 Jahren in Sinzig als erste Wohnstätte für Menschen mit Beeinträchtigungen im Kreis Ahrweiler fertig gestellte Haus bot 36 Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen ein Zuhause. Die Lebenshilfe hatte nach eigenen Angaben gerade damit begonnen, das Haus um einen Anbau zu erweitern.

Zwölf Tote im Sinziger Lebenshilfehaus – SWR Aktuell

Wir wissen, bewirkt haben die Aktionen leider wenig. In Sinzig sind zwölf Menschen in einem Behindertenheim getötet worden. War das ein Unglück oder ist die Verantwortung für ihren Tod einem einzelnen Verantwortlichen zuzuordnen? Warum hat sich die freiwillige Feuerwehr Sinzig nicht zuerst um diese Menschen gekümmert? War nicht allen BürgerInnen im Ort klar, dass diese Menschen aufgrund ihrer Behinderung besonders verwundbar waren? Wollen wir das tun? Wollen wir Feuerwehrleute oder den Leiter dieser Feuerwehr oder am Ende dem Bürger dieses Ortes angesichts der gesamten Katastrophe solche Fragen wirklich stellen? Möglichst noch mit einem vorwurfsvollen Unterton? Sinzig hat etwas weniger Einwohner als meine Heimatstadt. Wer hat den Überblick und verfügt anhand der Alarmierungspläne über hinreichende Informationen, um die Gefahren für solch eine Einrichtung so einzuschätzen, dass die Menschen rechtzeitig hätten gerettet werden können?

Warum gibt es die Bundespressekonferenz, warum sind „Anheizer“ wie Boris Reitschuster und Thilo Jung dabei?

Thilo Jung befragte anlässlich der Bundespressekonferenz nach der Flutkatastrophe die Sprecherin eines Ministeriums. Sie hatte nicht die Antwort auf die Frage parat, wann die Warnungen der EFAS die Regierungsstellen erreicht hätten und was im zeitlichen Ablauf damit geschehen wäre. Eine Frage, die suggeriert: Ihr seid eurer Verantwortung nicht nachgekommen, euer Versagen hat Menschenleben gekostet. Ein Vorwurf, den keiner entkräften kann, der allerdings ebenso wenig zu beweisen ist.

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Die Sprecherin erklärte, sie werde die Antwort „nachreichen“. Ähnliche Rückmeldungen auf unterschiedlichste Fragen habe ich während einer Bundespressekonferenz häufig gehört. In diesem Fall wirkte Jungs Ansage nach dieser Äußerung fast brutal. Sinngemäß frage er die Sprecherin, welche Fragen sie denn zu diesem Anlass der Bundespressekonferenz erwartet habe. Das saß.

Vergleichbare Verwirrungen melden auch belgische Medien für ihr Land:

Doch das Königliche Meteorologische Institut KMI hat laut Het Laatste Nieuws wissen lassen, dass es die Warnmeldungen des EFAS gar nicht abonniert hat, weil das KMI sich nicht mit Überschwemmungen beschäftigen darf oder soll. Dies sei Zuständigkeit der Regionen. Stattdessen wurden das föderale Krisenzentrum und die regionalen Umweltbehörden informiert.

Die Flutwarnbehörde EFAS und der fragwürdige Informationsfluss

Die EFAS hat nach eigener Aussage „die deutschen Behörden“ über die anstehenden Unwetter detailliert informiert. Die Warnungen wurden vom Deutschen Wetterdienst empfangen und weitergeleitet. Wetterberichte brachten Unwetterwarnungen.

War die Wissenschaft wieder nicht einig?

Kachelmann schrieb, es habe lange Vorwarnzeiten über „flächige Regenfälle der letzten Tage“ gegeben. „Nur müsste irgendjemand irgendwas in dieser Zeit tun“, so Kachelmann weiter. Folgerichtig, aus seiner Sicht, bezeichnet er NRW-Innenminister Reul (CDU) als „Lügner“. Er bezieht sich auf Reuls Aussage: „Das Wesen von Katastrophen ist, dass sie nicht vorhergesagt werden können. Das Wesen von Naturkatastrophen ist, dass sie erst recht nicht vorhergesagt werden können“. Viele Meteorologen wussten es besser. Das soll, wie ich gelernt habe, bei Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen ja nicht selten der Fall sein!

Im Zusammenhang mit der Hochwasserlage in Deutschland wurden im Zeitraum vom 12.-19.07.2021 280 Warnmeldungen, Aktualisierungen und Entwarnungen über das Modulare Warnsystem versendet. Diese wurden über MoWaS vom Deutschen Wetterdienst (DWD) sowie von den Behörden der Länder und der betroffenen Kreise und Kommunen eigenverantwortlich versendet. Protokolle der Warnmeldungen der Landes- und Kommunalbehörden und des Deutschen Wetterdienstes zur Hochwasserlage im Juli 2021 (zip, 47MB, Datei ist nicht barrierefrei)

Fokusthemen – Warnung der Bevölkerung: Extremhochwasser Juli 2021 – Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Unter den bemerkenswert detailreichen Beschreibungen der Abläufe der Unwetter finden sich gnadenlose Schuldzuweisungen von Leuten, die, wie wahrscheinlich die meisten von uns, nie diese Art von Verantwortung getragen haben. Vermutlich würden viele dieser Leute die Übernahme einer vergleichbaren Verantwortung rundweg ablehnen. Wenn ich dann lese, dass Rücktritte von Bürgermeistern und Landräten gefordert werden, weil diese falsch bzw. nicht gehandelt hätten, frage ich mich, was diese Leute sich eigentlich vorstellen und wohin solche Beschuldigungen führen sollen.


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Ich kann die Leute nicht ändern, aber meinen Blick auf sie.

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