AfD und FDP profitieren wieder einmal vom Frust der Deutschen

Im Moment denkt man, dass kein Stein mehr auf dem ande­ren blei­ben kann. Die Zahl poli­ti­scher Skan­da­le steigt aus­ge­rech­net wäh­rend der Pan­de­mie exponentiell.

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Lind­ner (FDP) hat den Bogen raus. Zu Beginn der Pan­de­mie lag die FDP noch auf einem der hin­te­ren Plät­ze im Umfra­ge­ran­king. Es schien, die 5% Hür­de wür­de auf Bun­des­ebe­ne zum zwei­ten Mal nach 2013 geris­sen, und ich wäre sie los. Die AfD hat in Sach­sen die CDU über­holt und liegt dort nach einer neu­en Umfra­ge bei 29%. Bis zur Macht­er­grei­fung ist es also nicht mehr weit. Zur Erin­ne­rung: 1930 lag die NSDAP bei 18%, zwei Jah­re spä­ter waren es 37,3%.

Lindner ruft nach Konzepten – dabei sind er und seine Partei programmatisch altbacken und immer noch arg monothematisch unterwegs bzw. auf weniger Staat und mehr Eigenverantwortung fixiert

Der Ein-Mann-Par­tei FDP, die the­ma­tisch wäh­rend der Pan­de­mie eben­so mono­the­ma­tisch agiert wie die AfD, hat ihre Chan­ce genutzt. Sie hat in aktu­el­len Umfra­gen ihre Wer­te verdoppelt. 

Ich wür­de sagen, sie hat vor allem vom Bild pro­fi­tiert, das die plötz­lich so ganz anders agie­ren­den Medi­en von unse­rem Land gezeich­net haben. Wie man auch immer zur Poli­tik der Regie­rung (eigent­lich Regie­run­gen, an denen übri­gens hier und da auch die FDP betei­ligt ist!) ste­hen mag, Über­trei­bun­gen im Guten, vor allem jedoch im Schlech­ten lie­gen den Deut­schen ein­fach. Jeden­falls lie­gen sie denen, die die öffent­li­che Mei­nung prägen.

Mir fällt an der Stel­le nicht zufäl­lig das „Bild“ vom Auf­zug ein, mit dem man rauf oder runterfährt. 

Politischem Establishment fehlt es an Führungspersönlichkeiten

Sofern es je wie­der so etwas wie eine Nor­ma­li­tät der Vor-Pan­de­mie­zei­ten geben soll­te, das Land ist poli­tisch auf­ge­rie­ben wie ich es noch nie erlebt habe. Die Feh­ler, die es zu bewer­ten gilt, wur­den vor­wie­gend vom poli­ti­schen Estab­lish­ment gemacht. Dass sich die Gil­de der Jour­na­lis­ten ihrer eige­nen Rol­le in die­sem desas­trö­sen Schau­spiel schein­bar nicht bewusst ist, hal­te ich für kein klei­ne­res Ver­sa­gen, als das dum­me Medi­en­ge­quat­sche vom Staats­ver­sa­gen sug­ge­rie­ren könnte.

Die Medi­en in unse­rem Land sind für mich ein­deu­tig Teil des Pro­blems, Teil einer wie auch immer aus­se­hen­den Lösung waren sie jeden­falls zu kei­nem Zeit­punkt wäh­rend der bis­he­ri­gen Pandemie.

Mangelhafte Kommunikation?

In den Medi­en (übri­gens auch in den aso­zia­len) ist stän­dig davon die Rede, dass die Kom­mu­ni­ka­ti­on der Poli­tik man­gel­haft gewe­sen sei. Die Behaup­tung hal­te ich für ober­fläch­lich und falsch. Ich mache das dar­an fest, wie die Debat­ten um Aus­sa­gen aus Wis­sen­schafts­krei­sen ablie­fen. Von den einen wer­den wider­sprüch­li­che Aus­sa­gen, frei­lich zu völ­lig unter­schied­li­chen Zei­ten getä­tigt, als Des­in­for­ma­ti­on oder gar Ver­un­si­che­rung der Bevöl­ke­rung bezeichnet. 

Die ande­ren erklä­ren den per­ma­nen­ten Zuge­winn an Wis­sen und den damit ein­her­ge­hen­den Eigen-Kor­rek­tu­ren auf allen Ebe­nen zum Kern­ge­schäft der Wis­sen­schaft. Wenn es aber dar­um geht, Poli­ti­ker, die auf sol­chen wack­li­gen Grund­la­gen weit­rei­chen­de kon­kre­te Ent­schei­dun­gen tref­fen müs­sen, war häu­fig der Vor­rat an sol­chen Ein­sich­ten schon ver­braucht. Gewöhn­lich waren es vor allem die Poli­ti­ker, die den Ärger der Öffent­lich­keit so oder so auf sich zogen.

Die Leute wollen Führung

Vie­le ver­lan­gen offen­bar nach Füh­rern, mehr noch als nach Füh­rung. Nach Leu­ten also, die nicht zögern und nicht wackeln (schon gar nicht nach­den­ken!) und die schließ­lich (ohne zögern), also im mög­lichst über­zeu­gends­ten Ton­fall kla­re Ansa­gen machen. 

Ich hät­te es für unmög­lich gehal­ten, dass die Amts­zeit von Anne­gret Kramp-Kar­ren­bau­er als CDU-Vor­sit­zen­de noch unter­bo­ten wer­den könn­te. Wenn es so wei­ter­geht, wird Laschet den schnells­ten und rui­nö­ses­ten Sturz aller Zei­ten hin­le­gen. Eine sehr detail­lier­te Lage­be­schrei­bung fin­det ihr bei „Post von Horn“ mit dem Titel: „Laschet: Dem Schei­tern ganz nah“.

Alternativen

Mir fehlt im Moment die Fan­ta­sie für den Namen eines ande­ren CDU-Vor­sit­zen­den. Fried­rich Merz oder Nor­bert Rött­gen hät­ten in der Pan­de­mie rhe­to­risch viel­leicht sou­ve­rä­ner gewirkt als Armin Laschet. Bei­de spre­chen ziem­lich dia­lekt­frei­es Hoch­deutsch, was ich als Rhein­län­der viel­leicht zu wich­tig neh­me. Wer glaubt, dass ein Mann wie Kon­rad Ade­nau­er zu der Füh­rungs­per­sön­lich­keit gewor­den wäre, hät­te er in die­ser von Medi­en beherrsch­ten Zeit mit sei­nem sprach­li­chen Lokal­ko­lo­rit auf­ge­trumpft? Hät­te „rhei­ni­scher Sing­sang“ die media­le Ober­fläch­lich­keit gesto­chen? Natür­lich nicht. Wer heu­te gehört wer­den will, muss ent­we­der den Schnack eines Björn Höcke oder Gott­fried Cujo drauf­ha­ben oder – auf der gegen­über­lie­gen­den Sei­te – eine Kano­na­de aus deng­li­schen #Neu­zeit – Begrif­fen abfeu­ern kön­nen, wie es gera­de Rezo wie­der mal getan hat.

Ich fra­ge mich, ob es über­haupt noch Poli­ti­ke­rIn­nen geben wird, die dem ste­tig wei­ter zuneh­men­den Druck durch Medi­en bzw. die ver­öf­fent­lich­te Mei­nung stand­hal­ten kön­nen. „Poli­tik ist ein schmut­zi­ges Geschäft.“ Der Satz prägt sich gut ein. Für mich war damit lan­ge „nur“ gemeint, dass die Poli­ti­ker unter­ein­an­der mit har­ten, oft auch unfai­ren Mit­teln, gegen­ein­an­der stän­kern und agie­ren. Wenn sie strit­ten war mei­ne nai­ve Vor­stel­lung vom Glau­ben erfüllt, dass dem Schar­müt­zel im Bun­des­tag ein Glas Bier gefolgt und alles wie­der gut wäre. Ich hät­te gesagt: „Das wäre nichts für mich“. Jetzt aber sehen wir neue Dimen­sio­nen. Dimen­sio­nen, die wir – ich jeden­falls – nase­rümp­fend nur aus ande­ren Län­dern kannten. 

Volk ohne Selbstvertrauen

Aus­ge­rech­net wäh­rend der Pan­de­mie, die das deut­sche Selbst­ver­trau­en und Selbst­be­wusst­sein, jeden­falls wenn es nach der Pres­se und ihren Top-Down Ran­kings geht, schon so mit­ge­nom­men hat, kom­men abscheu­li­che Machen­schaf­ten von gewähl­ten Abge­ord­ne­ten ans Licht der Öffent­lich­keit, die ich mir in ihrem Aus­maß und ihrer Infa­mie nicht hät­te vor­stel­len können. 

Es war naiv anzu­neh­men, dass deut­sche Poli­ti­ke­rIn­nen nicht kor­rupt sind. War­um soll­te es in Deutsch­land denn anders lau­fen, als wir es über vie­le Jahr­zehn­te immer mal wie­der aus ande­ren Län­dern gehört haben? 

Ich emp­fin­de es aller­dings als bedroh­lich für unse­re Demo­kra­tie, dass gera­de in die­ser Pha­se, also wäh­rend vie­le Men­schen rich­tig ver­zwei­felt und am Ende ihrer psy­chi­schen Kräf­te sind, die­se Din­ge bekannt wer­den. Frei­lich auch des­halb, weil die Medi­en urplötz­lich wach wer­den. Schließ­lich sind die Vor­gän­ge um den Euro­pa­rat seit Jah­ren bekannt! Dass sie gera­de jetzt hoch­ge­kocht wer­den, heißt für mich, dass die Medi­en, die sich doch so gern an Feh­lern der Poli­tik abar­bei­ten, bis­her gna­den­los ver­sagt haben. 

Den Vor­wurf, das Land betrei­be in der Par­la­men­ta­ri­schen Ver­samm­lung des Euro­pa­rats „Kavi­ar­di­plo­ma­tie“, gab es schon seit 2012. Doch wel­che Aus­ma­ße das Pro­blem ange­nom­men hat­te, wur­de den meis­ten Abge­ord­ne­ten erst bewusst, als im ver­gan­ge­nen Jahr ein frü­he­rer ita­lie­ni­scher Abge­ord­ne­ter wegen Geld­wä­sche vor Gericht gestellt wur­de: Luca Volon­tè hat­te 2,39 Mil­lio­nen Euro aus Aser­bai­dschan erhal­ten. Die Ermitt­ler in Ita­li­en sahen einen direk­ten Zusam­men­hang zu sei­ner Tätig­keit im Euro­pa­rat, wo er sich unge­wöhn­lich enga­giert für die Inter­es­sen des auto­ri­tär regier­ten Aser­bai­dschan ein­setz­te. Und er war kei­nes­wegs der ein­zi­ge Poli­ti­ker, der von dem Land im süd­li­chen Kau­ka­sus bezahlt wor­den war. Auch die Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Karin Strenz (CDU) bekam Geld aus Baku – über die Fir­ma des ehe­ma­li­gen CSU-Abge­ord­ne­ten Edu­ard Lint­ner, der zuvor selbst Mit­glied der Par­la­men­ta­ri­schen Ver­samm­lung des Euro­pa­ra­tes war. Schon früh war Strenz durch eine unge­wöhn­li­che Nähe zu Aser­bai­dschan aufgefallen.

Der Euro­pa­rat und Aser­bai­dschan : Ein Kor­rup­ti­ons­skan­dal mit Fol­gen – Poli­tik – Tages­spie­gel (Arti­kel vom 16.1.2018)

Korruption unter deutschen Politikern

Es ist ja nicht so, dass die Geld­gier man­cher Volks­ver­tre­ter aus­schließ­lich mit dubio­sen Geschäf­ten wäh­rend der Pan­de­mie zu tun hät­te. Dass sich deut­sche Uni­ons­po­li­ti­ker, die für unser Land im Euro­pa­rat sit­zen, für Abstim­mun­gen und Beur­tei­lun­gen von einem Land wie Aser­bai­dschan bezah­len lie­ßen, war ja längst bekannt. Kei­ne Ahnung, wes­halb die Öffent­lich­keit immer so lan­ge braucht. Die Pres­se hat das bis­her ver­schla­fen, jeden­falls die­se Vor­komm­nis­se nicht so behan­delt, wie sie es im Moment in die­ser gera­de­zu ver­däch­tig inten­si­ven Form zu tun beliebt. 

Natür­lich wis­sen die Damen und Her­ren Chef­re­dak­teu­re, dass, wenn die Din­ge erst so stark kul­mi­nie­ren, das Ent­set­zen dar­über umso grö­ßer ist. Dass sie mit die­sem pro­pa­gan­dis­ti­schen Trick die Stim­mung im Land gegen bestimm­te Per­so­nen lenkt, ist aus mei­ner Sicht nicht ok.

Frank Schwa­be, SPD, hat über die schlim­men Vor­gän­ge, an denen deut­sche Abge­ord­ne­te der Uni­ons­par­tei­en betei­ligt waren, immer wie­der berichtet. 

Link: Korruption im Europarat: Auch Deutsche belastet | BR24

Wer würde es aushalten, wer kämpft für die Demokratie?

Die beson­de­re Ver­ant­wor­tung eines CDU-Vor­sit­zen­den wäre es, die­se Din­ge sofort zu klä­ren und dafür zu sor­gen, dass alle an sol­chen Machen­schaf­ten betei­lig­ten Abge­ord­ne­ten aus der Par­tei aus­ge­schlos­sen wer­den. Man­che haben trotz der jah­re­lan­gen Vor­wür­fe selbst kei­ne Kon­se­quen­zen gezo­gen. Sie sit­zen immer noch im Bun­des­tag. Par­tei- und Frak­ti­ons­füh­rung haben die Din­ge schlei­fen las­sen. Jetzt kriegt die Uni­on dies mit dop­pel­ter Mün­ze bei den anste­hen­den Wah­len zurück­ge­zahlt. Obwohl ich nicht zu denen zäh­le, die die CDU je gewählt haben oder wäh­len wür­den. Ich fin­de für unse­re Demo­kra­tie sind dies ganz schlech­te Nach­rich­ten. Laschet ist gefor­dert, sei­nen Laden end­lich auf Vor­der­mann zu brin­gen und zwar gemein­sam mit sei­nem Pen­dant aus Bay­ern, den die CSU ist stark involviert. 

Die Spezln aus Bayern

Wenn ich den Skan­dal um Peter Gau­wei­ler hin­zu­rech­ne, bei dem es noch um ganz ande­re Zusam­men­hän­ge geht, wird mir echt schwind­lig. Dass der Mann als Rechts­an­walt gegen die EU und den Euro agi­tiert hat ist eine Sache, dass das Geld für die­se „Schlacht“ aller­dings mut­maß­lich von einem mut­maß­lich AfD-freund­li­chen Unter­neh­mer gekom­men ist, ist ein bei­spiel­lo­ser Hin­weis dar­auf, dass inte­gre Poli­ti­ker offen­bar einer Spe­zi­es ange­hö­ren, die vom Aus­ster­ben bedroht ist.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: AfD FDP Korruption Sachsen Umfragen Union Wahlen

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