Das Ende der Illusionen

Nun habe ich mein Generatepress-Theme so gepiesackt, dass ich mit den Messergebnissen ebenso zufrieden bin wie mit seinem Design. Jetzt schau’ ich mich um und sehe, dass ich überhaupt keine Lust mehr habe. Nicht nur an meinen Bastelarbeiten, sondern auch nicht am Bloggen. Überhaupt glaube ich, dass ich bloß deshalb so relativ lange dabei geblieben bin, damit ich einen halbwegs plausiblen Grund hatte, an der Technik herumzubasteln. Jetzt bin ich an dem Punkt, an dem ich glaube, weiterziehen zu sollen.

Ein neues Theme vielleicht? Ich habe noch einige, an denen ich viel Zeit in die “Weiterentwicklung” investieren könnte. Und davon hätte ich ja genug.

Mir fehlt die Lust, diesen ganzen Blödsinn, der auf der Welt passiert, auch noch zu kommentieren. Es reicht schon, wenn man den lieben langen Tag damit belästigt wird. Vielleicht ist das eher ein Nachteil des Rentnerlebens? Man hat in Phasen wie diesen kaum mehr Ablenkung und wäre froh, wenn ab und zu mal nicht von Trump, Impfen oder Corona die Rede wäre. Zumal das Virus viele Aktivitäten nicht bloß wegen irgendwelcher behördlicher Vorgaben verbietet, sondern weil mir bei diesem tristen Wetter einfach die Lust fehlt.

Zudem lese ich viel zu viel, weil ich am Rechner sitze und mir trotz meines wachsenden Widerwillens jeden Mist reinziehe, der mir sozusagen vor die Augen kommt. Und dann dieses ganze Geschimpfe, die gegenseitigen Schuldzuweisungen. Da kam die Ablenkung aus Washington gestern fast schon gelegen. Nein! Vergesst es. Da sind Menschen gestorben. Furchtbar, was Präsident Trump mit seinem krankhaften Egoismus angerichtet hat. Wer weiß, wohin dieser Hass die Amerikaner noch führen wird? Der neue Präsident wird es in den nächsten vier Jahren nicht schaffen, das alles zu heilen. Die Anhänger Trumps sind zu sehr voll Hass und Widerwillen. Ich frage mich, wie weit wir gekommen sind, wenn kaum noch ein Wort gilt und regelgemäße Wahlen nicht mehr akzeptiert werden. Egal, ob eine Seite in der Lage ist, mithilfe sozialer Medien oder einer elenden Propagandamaschine die Leute aufzuhetzen. Ein Wahlergebnis nicht anzuerkennen, ist so was wie das Ende aller Illusionen.

Fliehkräfte vergleichbarer Art kennen wir auch in Europa. Dazu muss man sich nur einmal ansehen, dass der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, CDU, einerseits seit Kurzem der beliebteste Politiker des Landes ist. Es beginnt damit, dass Umfragen, auf denen solche Aussagen fußen, von bestimmten Leuten grundsätzlich infrage gestellt werden. Es endet mit der Notwendigkeit, dass Spahn, ebenfalls seit Kurzem, in einer gepanzerten Limousine gefahren wird und zudem von sechs Personenschützern begleitet werden muss.

Politik und Medien werden von Hysterie getrieben. Wie kann es sein, dass in anderen Länder schon viel mehr Leute geimpft wurden als in Deutschland? Dabei wurde doch einer der ersten Impfstoffe hier im Land entwickelt. Das Argument, dass es aus guten Gründen sinnvoll und deshalb richtig war, Verhandlung und Beschaffung der Impfstoffe in die Hände der EU zu legen, ist kaum mehr zu hören. Wenn es zaghaft vorgebracht wird, wollen die Vertreter unserer Medien und der Opposition davon nichts hören. In dieser Lage fällt es auch den verantwortlichen PolitikerInnen immer schwerer, ihre richtigen Argumente souverän vorzutragen. Das alles zerstört Vertrauen, das in diesen Zeiten aus ganz anderen Gründen schon stark belastet ist.

Ich habe das Gefühl, viele fühlen sich ziemlich hilflos dabei zusehen zu müssen, wie die durchaus bekannten, aber bis zu einem gewissen Grad unvermeidlichen Schwächen jeder Demokratie in den Fokus gerückt werden. Ich unterstelle nicht, dass solche Leute der Demokratie damit schaden wollen. Es ist trivialer. Sie wollen ein Stück Aufmerksamkeit, vielleicht ein paar Klicks abgreifen oder einfach ihren privaten Frust über die Einschränkungen zum Ausdruck bringen, denen natürlich auch sie selbst ausgesetzt sind. Der Chor der klagenden Beschwerdeführer hat inzwischen ein solches Übermaß angenommen, dass es mich anwidert. Was bilden sich manche Leute eigentlich ein? Kerle wie Trump führen sich auf als seien sie der Mittelpunkt dieser Welt. Wenn der deutsche Staat von allen möglichen Verbänden und Interessenvertretern dazu gedrängt wird, das Portemonnaie zu öffnen und endlich Kohle herüberwachsen zu lassen, zeugt das nur von fehlendem Problembewusstsein. PolitikerInnen haben diese Lage nicht verursacht, sondern ein weltweit tobendes Virus.

Ich mag mir nicht vorstellen, wie schnell diese Zivilisation an ihr Ende käme, wenn – was Gott verhüten möge – Bakterien oder Viren mit und ohne Mutationen -, alle uns Menschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten übersteigen würde. Was passiert, wenn die Kapazitäten unserer Krankenhäuser die Grenzen überschreiten, haben wir – wenn auch nur via Fernsehen – mitbekommen. Zuletzt war es in Belgien so weit, wir haben Bilder aus Neapel gesehen. Dort wurden schwerkranke Menschen auf der Straße vor einer Klinik beatmet, weil im Krankenhaus selbst kein Platz mehr war. Und es gibt bestimmt Orte auf dieser Welt, wo kein Kamerateam schlimme Bilder gemacht hat. Weil es nicht dort war, sondern woanders. Auch dort sind Menschen unter unsäglichen Bedingungen gestorben.

Dass sich Eltern darüber beklagen, dass sie sich in dieser Lage um ihre Kinder kümmern müssen und sich davon genervt bzw. überfordert fühlen, kann ich verstehen. Aber die Forderungen an den Staat kann ich nur mit Mühe nachvollziehen. Schließlich geht es um Wirkungen, die nicht von der Politik oder vom Staat verursacht wurden, sondern von einem Virus, das wir Corona genannt haben.

All das fügt sich in ein Bild ein, das mir endgültig klargemacht hat, wie wacklig unsere Gesellschaften, unsere Demokratien im Grunde sind. Ich kenne es nicht anders. In meinem Leben gabs nur Demokratie. Ich habe als Kind gelernt, dass es freie und geheime Wahlen gibt und das man über das eigene Abstimmverhalten nicht unbedingt sprechen muss.

Dass es heute eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Menschen gibt, die mit Demokratie nichts mehr am Hut haben und all ihre Institutionen nicht nur infrage stellen, sondern sie beschimpfen und angreifen, konnte ich mir lange Zeit nicht vorstellen. Schließlich auch deshalb, weil mir keine Alternative zur Demokratie einfällt.

Andererseits vermisse ich in der Öffentlichkeit die Frage danach, wie diese Verwerfungen eigentlich entstehen konnten. Wieso gibt es die AfD, wieso gibt es Trump, wieso gibt es Johnson und wieso gibt es Erdogan oder Orban? Der zweiundneunzigjährige Klaus von Dohnanyi, SPD-Urgestein, erklärte, dass Trump nur ein Symptom einer Entwicklung sei.

Es ist sicher wahr, dass wir von Deutschland aus die Lage in den Vereinigten Staaten in dieser Beziehung schwer einschätzen können. Die zirka 75 Mio. Trump-Wähler sprechen allerdings dafür, dass die Gründe schwerwiegend sein müssen. Angeblich sind in kaum einer Demokratie die sozialen Unterschiede so groß und die Chancengleichheit so wenig gegeben wie in den USA. Dass sich Generationen von US-Politikern um dieses sich lange entwickelnde Problem nicht ausreichend gekümmert haben, scheint offensichtlich. Dabei ist aber nicht zu übersehen, dass die Tendenzen zu ähnlichen Gegebenheiten in vielen anderen Ländern, nicht zuletzt auch in Deutschland, gegeben sind. Die Fragen, die sich daraus ergeben, müssen angepackt und gelöst werden. Wenn das nicht getan wird, weil unsere Politiker dazu nicht den Mut haben, könnte es auch bei uns zu ähnlichen Konflikten kommen.

Dass es die AfD gibt, ist ein echtes Elend. Nur dass es sie gibt, ist Versäumnissen geschuldet, für die unsere etablierten Parteien die Verantwortung tragen. Dass im Osten unseres Landes viele der Demokratie den Rücken zuwenden und sich bei entsprechenden Statements nicht lumpen lassen, ist gefährlich für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Auch hier muss die Frage nach den Gründen beantwortet werden. Es ist nicht damit getan, dass wir das als Larmoyanz abtun. Ich neige leider auch dazu, obwohl ich vom Leben der Menschen im Osten kaum mehr weiß als von dem irgendwelcher Flüchtlinge auf griechischen Inseln oder in Bosnien-Herzegowina.

Für mich steht fest, dass das Internet die treibende Kraft für einen in Reichweite liegenden Niedergang der Demokratie als Gesellschaftsform ist. Irre Verschwörungstheorien gab es vielleicht lange davor. Nur ist die Verbreitung, Ausschmückung und Nutzbarmachung unter den Usern der sozialen Netzwerke ein multidimensionales Phänomen, das wir ohne einen weitgehenden Verzicht aller Möglichkeiten nicht mehr kontrollieren können. Da mag der eine oder andere vielleicht glauben, dass ein bisschen Anarchie nicht schaden könne. Leider greift das zu kurz. Wir erleben eine via Netz organisierte Meute, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, bestehende Strukturen zu zerschlagen. Wer glaubt denn schon daran, dass sich diese Zerstörungswut “nur” gegen demokratische Institutionen richtet? Das ist der Beginn einer neuen totalitären Herrschaft, der wir mit unserer Bräsig- und Staatsgläubigkeit vor allem in Deutschland nicht wirklich viel entgegenzusetzen haben. Die Grünen und Linken glauben, sie könnten diese Phänomene mit Verbot und Ausgrenzung einhegen. Wie albern.

Normalerweise sollte ich Vorbild sein und meine Bloggerei aufgeben. Aus den “sozialen” Netzwerken habe ich mich vor anderthalb Jahren bereits verabschiedet. Ich könnte viel Zeit und Geld sparen. Die Frage ist nur, was mache ich dann mit meiner ganzen Zeit?

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Kategorie: Bloggen Gesellschaft

Schlagworte: Bloggen Corona Impfstoff Themes Verschwörungstheorien

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