Es war vorhersehbar, wie Soziologen und Linke die Gewalttätigkeit junger Migranten und Ausländer in Berlin und anderswo umdeuten. Dabei herrschte zuerst beredtes Schweigen. Wie oft, wenn Geflüchtete etwas Schlimmes angestellt haben. Wie immer, sehen viele alle Verantwortung nicht bei den Tätern, sondern bei der deutschen Gesellschaft, die angeblich ja einen Hang zum Rassismus zeigt. Zudem legen wir Deutsche angeblich eine mangelhafte Integrationsbereitschaft an den Tag.
Wenn es nicht so lächerlich wäre, man könnte ausflippen.
Die Diskussion über fehlgeschlagene Integration wird mir viel zu sehr so geführt, als seien die Migranten das Problem, die sich nicht integrieren ließen. Ich würde das gerne umdrehen: Es ist ein Problem der Stadt, in der die Infrastruktur von Bildungseinrichtungen und die Sozialarbeit oder Jugendarbeit so marode geworden ist, dass die, die den sozialen Aufstieg anstreben oder auch nur Hilfe brauchen, diese Möglichkeit oft nicht bekommen.
Talja Blokland, Berliner Zeitung
Wodurch ist die Infrastruktur marode?
Wodurch entsteht die marode Infrastruktur allerorts? Wir werden uns flott einig, denke ich. Es liegt am fehlenden Geld. Und natürlich auch, dass der Staat Prioritäten setzt, die manches Projekt bevorzugen und andere vernachlässigen. Jetzt wäre spätestens die Frage angebracht, wie viel Geld die Unterbringung von Millionen Geflüchteten und Migranten unser Land jährlich kostet.
Ich tauche jetzt nicht in den Austausch konkreter Werte ein. Allerdings weiß selbst manch politischen Zusammenhängen eher ignorant begegnender Bürger, dass es Abermilliarden waren und sind, die nicht erst seit 2015 für ein Projekt zu budgetieren blieben. Manchen lag es besonders am Herzen, andere stilisierten es zum Untergang des Abendlandes. Teuer war es allemal.
Teure Gutmenschlichkeit
Ein nicht geringer Teil unseres Staatshaushalts konnte nicht zur Erhaltung und Erneuerung der heute heftig beklagten maroden Infrastruktur genutzt werden. Das Geld wurde anderweitig benötigt. Darüber redet nur kaum einer. Das könnte daran liegen, dass die Regierungen der letzten Jahre nicht den Mut hatten, uns die Konsequenzen mitzuteilen.
Wenn es Menschen mies geht, sie arm, im Falle von Geflüchteten traumatisiert sind und sich sozial nicht integrieren, wird die Schuld für etwaige sich daraus ergebende Gewaltausbrüche, wie denen in Berlin und anderen Großstädten, bei der Gesellschaft liegen, aber nicht etwa bei den Tätern, die sich gefährlicher, abstoßender Angriffe auf Polizeibeamte, Rettungskräfte und Feuerwehrleute schuldig gemacht haben.
Soziologen bauen auf die anderen
Damit wäre auch gleich die vorsätzliche Beschädigung öffentlichen Eigentums entschuldigt. Einer dieser Gewalttäter klaut einen Feuerlöscher und demoliert damit ein Bushaltehäuschen – und zwar mit bemerkenswerter Nachhaltigkeit. Er lässt keine Seite aus. Schließlich ist ja alles aus Glas.
Es ist wie immer: Frag einen Soziologen, wenn es um Verbrechen (gern auch einer Minderheit in einer Minderheit geht) bzw. du etwas über die Motivation der Täter wissen willst. Es sind nicht die Verbrecher, die sich Gewaltattacken gegen Menschen und Sachen leisten, sondern es ist meistens die Gesellschaft, die Fehler gemacht hat. Die Verbrechen sind das Resultat des Fehlverhaltens der (in unserem Fall, deutschen) Gesellschaft.
Provozierte Gewalt?
All dieser Rassismus, die durch wachsende Armut provozierte und gestiegene Aggression und die Bequemlichkeit einer vergleichsweise gut situierten Schicht innerhalb der gleichen Gesellschaft. Das sind die Ansatzpunkte, um nach Ansicht von Soziologen solche Probleme zu lösen. Anders gesagt: Nicht die Täter sind die Schuldigen, die Opfer sind es.
In den Stadtteilen, in denen viel Armut herrscht, sind Verbrechen häufiger als in den Stadtteilen, in denen „reichere Menschen“ leben und die Infrastruktur nach deutschen Maßstäben noch halbwegs gut funktioniert. Dieses Bild wird von Soziologen immer wieder aufgefrischt. Ich kann ihm nichts mehr abgewinnen. Schließlich heißt das nicht mehr und nicht weniger, als dass in solchen Fällen nicht der Täter, sondern die Gesellschaft zur Verantwortung zu ziehen ist.
Zu viel
Das hieße übrigens auch, wenn die Beschreibung der Lage so zuträfe, dass wir einen gewaltigen Fehler gemacht haben, nicht bloß in der Vergangenheit, sondern auch aktuell und zukünftig Geflüchtete in solch hoher Zahl (Millionen!) aufzunehmen. Hatten etwa immer die recht, die vor solchen Fehlentwicklungen gewarnt haben?