Die friedliebende Rhetorik der Russen

Wer die Men­schen liebt, kann eine sol­che Arbeit wie Kara­ga­now nicht machen. Dach­te ich mir, als ich sei­nen Text las.

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Wel­che „Kory­phä­en“ in den Thinktanks die­ser Welt ihre Ideen ent­wi­ckeln, kann man anhand die­ses Bei­tra­ges der rus­si­schen Web­site Glo­bal Affairs ler­nen. Ser­gej Kara­ga­now hat einen engen Draht zu Putin und Law­row. Drei rus­si­sche Pro­pa­gan­dis­ten ers­ter Güte, möch­te ich sagen, die mit­hil­fe ande­rer Gangs­ter in ihren Ein­fluss­sphä­ren dafür sor­gen, dass sich die „rich­ti­gen Nar­ra­ti­ve“ verbreiten.

Kara­ga­now ist Mit­glied des rus­si­schen Rates für Außen- und Ver­tei­di­gungs­po­li­tik und Ehren­vor­sit­zen­der des Prä­si­di­ums. Ein Mann mit Ein­fluss, den deut­sche Medi­en als Hard­li­ner bezeich­nen. Die­se Spe­zi­es exis­tiert nicht nur im Wes­ten, son­dern Putin hat ihnen auch durch den Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne mehr und mehr Gewicht gegeben.

Nun schreibt die­ser Kara­ga­now, wie Russ­land mit dem Wes­ten ver­fah­ren soll. Er geht davon aus, dass die Ukrai­ne von Russ­land zwar viel­leicht kom­plett erobert wer­den könn­te, dass jedoch die Ver­bit­te­rung der natio­na­lis­ti­schen Bevöl­ke­rung einen bestän­di­gen Frie­den unmög­lich machen wer­de. Auch er behaup­tet, dass nicht die Rus­sen, son­dern die Ukrai­ne für den Krieg ver­ant­wort­lich ist. 

Aber es wird immer noch ein Teil davon blei­ben, mit einer noch ver­bit­ter­te­ren, mit Waf­fen auf­ge­pump­ten ultra­na­tio­na­lis­ti­schen Bevöl­ke­rung – eine blu­ten­de Wun­de, die unver­meid­li­che Kom­pli­ka­tio­nen und einen neu­en Krieg droht.

kara­ga­now, Glo­bal Affairs

Die Rus­sen kön­nen sich wegen der Ver­zö­ge­run­gen, die ihnen von den tap­fe­ren Ukrai­nern auf­ge­bür­det wer­den, nicht um ihre Zie­le im Osten Eura­si­ens küm­mern. Der Mann glaubt, dass die „Feh­de mit dem Wes­ten“ wei­ter­ge­hen wer­de, weil wir einen „Gue­ril­la-Bür­ger­krieg“ unter­stüt­zen wür­den. Der Mann sucht also nach Auswegen. 

Er wür­de nicht als Hard­li­ner geführt, hät­te er nicht ande­re Gedan­ken als den Frie­den auf Lager. Für ihn kommt nichts ande­res infra­ge, auch vor dem Hin­ter­grund die­ses wahn­wit­zi­gen rus­si­schen Angriffs­krie­ges, als Eska­la­ti­on zu predigen. 

Ich habe oft gesagt und geschrie­ben, dass, wenn wir eine Stra­te­gie der Ein­schüch­te­rung und Abschre­ckung und sogar des Ein­sat­zes von Atom­waf­fen rich­tig ent­wi­ckeln, das Risi­ko eines „ver­gel­ten­den“ Nukle­ar­an­griffs oder eines ande­ren Angriffs auf unse­rem Ter­ri­to­ri­um auf ein abso­lu­tes Mini­mum redu­ziert wer­den kann. Nur ein Ver­rück­ter, der vor allem Ame­ri­ka hasst, wird den Mut haben, zur „Ver­tei­di­gung“ der Euro­pä­er zurück­zu­schla­gen und damit sein eige­nes Land in Gefahr zu brin­gen und das beding­te Bos­ton für das beding­te Posen zu opfern. Sowohl die USA als auch Euro­pa wis­sen das sehr gut, aber sie zie­hen es ein­fach vor, nicht dar­über nachzudenken.

Kara­ga­now

Er droht dem Wes­ten. Putin, Med­we­dew sowie eini­ge rus­si­sche Pro­pa­gan­da-Leu­te plärr­ten erfolg­los vom mög­li­chen Atom­bom­ben­ein­satz. Jetzt ist halt Kara­ga­now dran. Er wird kon­kret mit sei­nen Emp­feh­lun­gen an die rus­si­sche Füh­rung und schwa­felt von Bos­ton (USA) und Posen (Polen) als mög­li­chen Angriffs­zie­len. Dabei geht die­ser rus­si­sche Thinkt­an­k­ler nicht davon aus, dass Biden sol­che Atta­cken mit ent­spre­chen­den Ver­gel­tungs­maß­nah­men quit­tie­ren würde. 

Er spricht zunächst davon, dass eine attrak­ti­ve­re Opti­on dar­in bestehe, auf Sicht eine Ent­mi­li­ta­ri­sie­rung der Ukrai­ne bzw. danach einen freund­li­chen Puf­fer­staat (Ukrai­ne) zu schaf­fen. Das wie­der­um bedeu­tet für mich nichts ande­res als der Hin­weis, dass die Rus­sen nicht gelo­gen haben, wenn sie sich dar­über beklag­ten, von der NATO-Ost­erwei­te­rung und der Hoch­rüs­tung der Ukrai­ne bedroht zu sein. 

Dies wäre jedoch nur mög­lich, wenn es uns gelingt, den Wil­len des Wes­tens zu bre­chen, die Kie­wer Jun­ta anzu­sta­cheln und zu unter­stüt­zen und sie zu einem stra­te­gi­schen Rück­zug zu zwingen.

Kara­ga­now

Wie will ein sol­cher Mann den „Wil­len des Wes­tens“ bre­chen? Zunächst ein­mal setzt der Mann auf die Selbst­zer­stö­rungs­po­ten­tia­le der füh­ren­den west­li­chen Mäch­te. Im Gegen­satz zu sei­nem eige­nen Land, des­sen Impe­ria­lis­mus in die­sen Zei­ten sei­nes­glei­chen sucht, weist er kolo­nia­le und impe­ria­le Inter­es­sen nur „dem Wes­ten“ zu. Er ver­weist auf die Finanz­kri­se von 2008 und auf die ver­lo­re­nen Krie­ge der USA (Afgha­ni­stan, Irak). 

Inter­es­sant, wie Kara­ga­now in sei­nem Text die Lage dar­stellt. Dass sein Land einen Krieg mit höchs­tem Eska­la­ti­ons­po­ten­ti­al vom Zaun gebro­chen hat, spielt kei­ne Rol­le. Die Tat­sa­che, dass die Rus­sen bis­her in der Ukrai­ne mili­tä­risch ver­sagt haben, quit­tiert er mit der For­de­rung, dass des­halb kon­kre­te Über­le­gun­gen für den Ein­satz ato­ma­rer Waf­fen ange­stellt wer­den. Die Rus­sen sind also zu schwach, kon­ven­tio­nell gegen die Ukrai­ne zu gewin­nen und erwä­gen nun die nächs­te Stu­fe der Eska­la­ti­on. So ist die­ser Text eine wei­te­re Dro­hung in Rich­tung Wes­ten, die so schwarz auf weiß ein doch sehr kon­kre­ter Appell an Putin ist oder jeden­falls so gele­sen wer­den soll.

Kara­ga­now sorgt sich um uns:

Unter­wegs lös­ten die geschwäch­ten Ver­ei­nig­ten Staa­ten einen Kon­flikt aus, um Euro­pa und ande­re abhän­gi­ge Län­der zu ver­nich­ten, mit der Absicht, sie nach der Ukrai­ne in die Flam­men der Kon­fron­ta­ti­on zu stür­zen. In den meis­ten die­ser Län­der haben die loka­len Eli­ten die Ori­en­tie­rung ver­lo­ren und füh­ren ihre Län­der gehor­sam ins Gemet­zel, in Panik gera­ten ange­sichts ihrer ver­sa­gen­den inter­nen und exter­nen Posi­tio­nen. Dar­über hin­aus machen das Gefühl eines grö­ße­ren Ver­sa­gens, der Ohn­macht, der jahr­hun­der­te­al­ten Rus­so­pho­bie, des intel­lek­tu­el­len Ver­falls und des Ver­lusts der stra­te­gi­schen Kul­tur ihren Hass noch tie­fer als den auf die Ver­ei­nig­ten Staaten.

Kara­ga­now

Das geht auch etwas in die Rich­tung, die ins­be­son­de­re von der AfD mit ihren inzwi­schen fast 20 % Zustim­mung in Umfra­gen zu hören ist. Roger Köp­pel, Her­aus­ge­ber der „Welt­wo­che“ gibt stän­dig die Emp­feh­lung her­aus, Euro­pa (vor allem Deutsch­land), sol­le sich unab­hän­gi­ger von den USA machen. Die Leu­te, die dem zustim­men, wer­den sich ver­mut­lich nach Trumps Rück­kehr seh­nen. Der könn­te (muss aber nicht) die Bedin­gun­gen zuguns­ten der Rus­sen und zulas­ten Euro­pas ver­än­dern. Na, dar­über denkt bei uns kaum einer nach, obwohl genau die­se Fra­ge über­le­bens­groß wer­den könnte.

Die­se Angst muss wie­der­be­lebt wer­den. Andern­falls ist die Mensch­heit dem Unter­gang geweiht.

Auf den Schlacht­fel­dern in der Ukrai­ne wird nicht nur dar­über ent­schie­den, wie Russ­land und die zukünf­ti­ge Welt­ord­nung aus­se­hen wer­den, son­dern vor allem dar­über, ob es über­haupt eine Welt geben wird oder der Pla­net in radio­ak­ti­ve Rui­nen ver­wan­delt wird, die die Über­res­te ver­gif­ten der Menschheit.

Kara­ga­now

Für ihn bestehe kein Zwei­fel dar­an, dass ein har­ter Kampf bevor­ste­he. Nach­dem er alle mög­li­chen Vor­hal­tun­gen gen Wes­ten geschickt hat, kommt er zum Kern sei­nes Textes: 

Aber für die kom­men­de Zukunft ist es not­wen­dig, den bösen Wider­stand der Mäch­te der Ver­gan­gen­heit – des Wes­tens – zu über­win­den, der, wenn er nicht zer­schla­gen wird, die Welt mit ziem­li­cher Sicher­heit und unauf­halt­sam zu einem völ­li­gen und wahr­schein­lich letz­ten Ende füh­ren wird.

Kara­ga­now

Ich weiß nicht, wie ernst sol­che Typen, auch im eige­nen Land, genom­men wer­den. Aller­dings bin ich davon zutiefst über­zeugt, dass die Rus­sen wirk­lich mise­ra­bel bera­ten wären, wenn sie sich ernst­haft zu einem ato­ma­ren Erst­schlag ent­schlie­ßen wür­den. Die Welt wäre am Ende, Russ­land nicht weni­ger als Euro­pa. Ich kann mir nicht vor­stel­len, dass die Ver­ant­wort­li­chen dort und bei uns das anders sehen.


Aus­zug aus der Wikipedia

Forderung nach Eskalation mittels Atomwaffen

Im Juni 2023 for­der­te Kara­ga­now in einem Fach­auf­satz die glaub­wür­di­ge Dro­hung mit und gege­be­nen­falls den Ein­satz von Atom­waf­fen gegen Län­der wie Polen und die USA. Atom­waf­fen sei­en „Got­tes Waf­fe“, ihr Auf­tre­ten hät­te durch den damit ver­bun­de­nen Schre­cken dafür gesorgt, dass Mäch­te neben­ein­an­der fried­lich exis­tie­ren konn­ten. Der Wes­ten habe die­se Lek­ti­on aber ver­ges­sen, sie müs­se erneut ver­deut­licht wer­den. Ein Angriff auf west­li­che Län­der wür­de es den west­li­chen Mäch­ten erlau­ben ihre Unter­stüt­zung für die Ukrai­ne zu been­den. Der Ein­satz von Atom­waf­fen sei eine schwe­re mora­li­sche Ent­schei­dung, die aber die Mensch­heit ret­ten kön­ne, den danach wür­den die USA eine mul­ti­po­la­re und mul­ti­kul­tu­rel­le Welt akzep­tie­ren und ihren – so Kara­ga­now – tota­li­tä­ren Anspruch auf­ge­ben. Ein kon­ven­tio­nel­ler Sieg in der gesam­ten Ukrai­ne allei­ne wür­de Russ­land nicht rei­chen, denn danach begin­ne eine schwie­ri­ge Besat­zungs­zeit über eine feind­li­che und vom Wes­ten wei­ter­hin unter­stütz­te ukrai­ni­sche Bevöl­ke­rung, deren Umer­zie­hung (Kara­ga­now spricht von „Erlö­sung“) min­des­tens ein Jahr­zehnt dau­ern wür­de und wert­vol­le Res­sour­cen, die bes­ser im Osten Russ­lands und in Sibi­ri­en ein­ge­setzt wer­den soll­ten, ver­brau­chen wür­den. Nur der nukle­ar erzwun­ge­ne Fort­fall west­li­cher Unter­stüt­zung ermög­li­che den erstreb­ten Sieg, den Kara­ga­now in einem umfas­sen­den stra­te­gi­schen Rück­zug des Wes­tens und in der rus­si­schen Siche­rung süd­li­cher und öst­li­cher Gebie­te der Ukrai­ne und einem unbe­waff­ne­ten west­ukra­ni­schen Rumpf­staat als Puf­fer sieht. Russ­land sei dazu aus­er­wählt den Wes­ten ins­ge­samt in die Schran­ken zu wei­sen und Putin fürch­te sich nicht, das zu tun. Die USA aber wür­den sich fürch­ten auf nuklea­re Schlä­ge nukle­ar zu ant­wor­ten und das bedeu­te den rus­si­schen Sieg.

Wiki­pe­dia

Die­ser Mann ist übri­gens auch Mit­glied der Rus­si­schen Aka­de­mie der Wissenschaften. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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13 Gedanken zu „Die friedliebende Rhetorik der Russen“

  1. Juri Nello 470 17. Juni 2023 um 21:04

    Beklopp­te gibt’s über­all. Aber bevor der was macht, bekommt Zel­en­s­kij sei­ne Nukle­ar­waf­fen. Versprochen.

  2. Juri Nello 470 18. Juni 2023 um 09:07

    Das ist grund­sätz­lich im Krieg so. Als Deut­scher könn­te man das wissen.

    Aller­dings geb ich da nicht viel auf die Medi­en. Die Pro­pa­gan­da ist teil­wei­se der­ma­ßen erbärm­lich, dass wür­de sich nicht mal ein gefes­tig­ter Dik­ta­tor zutrauen.

    Neu­es­ter Clou von MDR und DLF: Die Rus­sen haben den Stau­damm gesprengt Um die knuf­fi­ge Oma zu ertränken.

    Wis­sen wir eigent­lich schon wer unse­re Pipe­line gesprengt hat? Nicht, dass wir das noch sel­ber waren, weil Röh­ren­ro­bert wie­der ein Bier zu viel hatte?

  3. Peter Lohren 13 18. Juni 2023 um 09:56
  4. Juri Nello 470 18. Juni 2023 um 11:19

    Was die Vor­her­ge­hen­den nicht bes­ser macht, nur bes­ser schei­nen lässt. Man Stel­le sich vor, dass Inter­net wäre zu Kohls Zei­ten schon Mas­sen­me­di­um gewe­sen. Wir hät­ten heu­te noch eine Zwei­staa­ten­lö­sung und ver­mut­lich wür­de kei­ner die Schwarz­wald­kli­nik gesucht haben.

  5. Peter Lohren 13 18. Juni 2023 um 11:59

    @Horst: Mei­ne Schluss­fol­ge­rung bezog sich auch eher auf den ers­ten Teil des Artikels.

  6. Juri Nello 470 18. Juni 2023 um 21:50

    Zum The­ma: Zuletzt wur­den alle Vor­schlä­ge zur Been­di­gung des Krie­ges, die die afri­ka­ni­sche Dele­ga­ti­on vor­brach­te, von Zel­en­s­kij abgelehnt. 

    Doch auch zuvor schon wur­de selbst der Papst zurückgewiesen. 

    Das kommt bei unse­rer Pres­se erst unter­halb der Rake­ten­an­grif­fe. Im Nebensatz.

    Aller­dings kann ich mir vor­stel­len, dass Russ­land dem auch nicht kom­plett auf­ge­schlos­sen gegen­über ist.

  7. Juri Nello 470 19. Juni 2023 um 17:53

    Typi­scher­wei­se erst, wenn die eige­ne Sip­pe bedroht ist. Es ja meist nicht deren Leu­te, die das Kano­nen­fut­ter sind. Von daher muss ich immer über die ver­gan­ge­nen Bot­schaf­ter der Ukrai­ne lachen. Bauch­pin­seln bei den Amis und hier die Bär­bock top­pen, wäh­rend die Söh­ne hier ein Luxus­le­ben füh­ren – weit­ab von der Ukraine. 

    Es ist doch schon erstaun­lich, dass Diplo­ma­tie nur noch in und von Län­dern zum Tra­gen kommt, wo man gera­de das nicht erwar­ten würde.

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