Deutschlands Digitalstrategie ein Rohrkrepierer?

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Ist das Wort »Aufholjagd«, das Prof. Lauterbach, Gesundheitsminister Deutschland, in sei­ner minis­te­ri­el­len Verlautbarung ver­wen­det1 hat, vertrauenerweckend? 

Mit den Digitalgesetzen läu­ten wir für das deut­sche Gesundheitswesen2 end­lich das digi­ta­le Zeitalter ein. Die Aufholjagd star­ten wir mit dem elek­tro­ni­schen Rezept, das ab 1. Januar Standard wird. 2025 bie­ten wir die elek­tro­ni­sche Patientenakte für alle an. Und wir ver­bes­sern die Forschung an Gesundheitsdaten. Die Digitalgesetze mar­kie­ren einen ent­schei­den­den Schritt in Richtung eines neu­en, ler­nen­den Gesundheitssystems, das sowohl die Spitzenmedizin ver­bes­sern als auch die Routineversorgung siche­rer machen wird. Damit wird es uns gelin­gen, bei Krebsforschung, Demenzstudien und ande­ren wich­ti­gen Forschungsfragen in der Medizin wie­der an die Weltspitze zu kom­men.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach

Dabei geht es um eines von zahl­rei­chen Digitalisierungsprojekten im Land, für das spä­tes­tens am Abend nach Lauterbachs Auftritt im Bundestag, als näm­lich Patientenschützer ihre wohl unaus­weich­li­chen Bedenken zu Protokoll gaben, die Tür wie­der sperr­an­gel­weit auf­stand. Kann das so was wer­den, kann man so arbeiten?

Viele Hunde sind des Hasen Tod

Aber es kommt (natür­lich – wir sind schließ­lich in Deutschland!) noch dicker. Es gibt eine umfang­rei­che Abhandlung von Experten, zu denen auch der CCC zählt, die der Bundesregierung, in die­sem Falle, Prof. Lauterbach, drin­gen­de Empfehlungen in Form eines offe­nen Briefes an die Hand gaben. Die Experten stel­len zunächst fest: „Vertrauen lässt sich nicht ver­ord­nen.“ In einem offe­nen Brief zur Digitalisierung des Gesundheitswesens geben sie Lauterbach das Rüstzeug an die Hand, das er, sei­ne stra­te­gi­schen Berater und Mitarbeiter unter­stell­ter Maßen nicht besit­zen und an dem man aus mei­ner Sicht nur schei­tern kann. 

Nicht miss­ver­ste­hen: Die Einwände sind hoch respek­ta­bel. Jedenfalls leuch­ten mir die Punkte, die ich ver­stan­den habe, ein. Aber wie soll auf einer so kom­ple­xen Grundlage ein Projekt, das seit zig Jahren vor sich hin köchelt, so zu einem Ende gebracht wer­den? Mich wun­dert es nicht, dass bei so vie­len Stimmen, die sich alle­samt das Recht her­aus­neh­men, mit­zu­re­den, nichts vorangeht. 

Die Chinesen haben es im Vergleich doch ein­fach. Nein, ich möch­te kei­ne chi­ne­si­schen Verhältnisse. Mir schei­nen jedoch im Hinblick auf die Digitalisierung des Gesundheitswesens Vergleiche mit ande­ren EU-​Ländern wün­schens­wert. Vielleicht kann man deren Konzepte ein­fach kopie­ren? Aber nein, wir sind in ja Deutsche. Wir müs­sen nichts kopieren. 

  1. Digital-​Gesetz (DigiG) – BMG ↩︎
  2. Bundestag ver­ab­schie­det Digitalgesetze für bes­se­re Versorgung und Forschung im Gesundheitswesen ↩︎

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12 Gedanken zu „Deutschlands Digitalstrategie ein Rohrkrepierer?“

  1. Ich bit­te Dich! Deutschland kopiert doch kei­ne Verwaltungsstandards. Es erfin­det sie„ wenn die Amiblaupause mal wie­der auf­grund unter­schied­li­cher Systeme nicht grei­fen will.
    Zur Not erfin­det es sie immer wie­der neu.

    Wir erin­nern uns noch an den Meilenstein Kfz-Digitalisierung:
    https://www.golem.de/news/mangelnde-sicherheit-digitale-kfz-zulassung-wird-groesstenteils-gestoppt-2312–180396.html

    Hast Du zur EPA schon den Tagesschau-​Artikel mit drin?
    Da steht sogar drin, an wen alles die Daten so ver­scha­chert wer­den sol­len. Da hat der Gesundheitsökonom wohl wie­der Profit gesehen.

    Das sind dabei nur die ers­ten Instanzen. 

    Im Prinzip wäre eine ana­lo­ge Patientenakte gar nicht mal so schlecht. Wenn dann jemand noch die Zeit fin­det, sich das alles anzu­schau­en, zu ana­ly­sie­ren und die rich­ti­gen Diagnosen und Therapien anzu­bie­ten, wäre man sogar noch einen Schritt weiter.

  2. Das sehe ich halt anders. Wenn es der Gesundheit nicht nutzt, einen gro­ßen Aufwand erfor­dert und letzt­lich nur omi­nö­se Dritte dar­aus Kapital schla­gen, kann das weg.
    Wie wäre es die noch zen­tral zu spei­chern oder in die Amiclouds hochzuladen? 

    Wenn mich Mbata Tobongo anschreibt, dass mich ein tol­les Erbe in Nigeria erwar­tet, ist das eine Sache. 

    Wenn mich Mike anschreibt, dass es doch scha­deb­wä­re, wenn der Blumenkohl am Pillermann (Respektive Scheidenpilz) in die WhatsApp-​Gruppe auf­ge­nom­men wird, hat das eine ganz ande­re Qualität. 

    Was da auch allei­ne schon mit dem Enkeltrick so ver­dient wer­den könnte.

    Hat der Arbeitgeber ein Forum? Wäre doch doof, wenn da links zum letz­ten HIV-​test drin ste­hen würden?

    Die posi­ti­ve Krebsdiagnose macht sich in allen Berufen bestimmt gut, wenn sie ein­schlä­gig plat­ziert wurde. 

    Eine Schwangerschaft ist ja auch immer mit so vie­len Hindernissen verbunden.

  3. Datenschutz bremst die Digitalisierung nicht aus. Das ist eine Legende, die immer wie­der von denen ins Spiel gebracht wird, die per­sön­li­che Daten von Menschen ganz schnell und mög­lichst ohne juris­ti­sche Hinternisse allen Interessierten zur Nutzung zur Verfügung stel­len wol­len. Und neben­bei schnell fer­ti­ge Digitallösungen auf den Markt brin­gen wol­len, egal, wie gut die letz­lich sind.

    Und egal wie oft man die­se Legende auf­ruft, sie wird dadurch nicht wahr.

    Die Entwicklung von digi­ta­len Lösungen dau­ert nicht län­ger, weil Datenschutz berück­sich­tigt wer­den muss. Und selbst wenn, wäre das trotz­dem unbe­dingt erfor­der­lich. Oder willst auf die­se Weise argu­men­tie­ren, dass man z.B. zukünf­ti­ge auto­nom fah­ren­de Autos bes­ser schnel­ler auf den Markt brin­gen und dafür lie­ber auf ein paar Sicherheitsaspekte in Bezug auf ande­re Verkehrsteilnehmer ver­zich­ten sollte?

    Das ist näm­lich genau die­se rein öko­no­mi­sche Argumentation, die gegen star­ken Datenschutz ins Spiel gewor­fen wird.

  4. Datenschutz ist eine Interessensfrage, die schon bei der Konzeption von Software berück­sich­tigt wer­den muss. Es ist eben nicht so, wie impli­zit immer behaup­tet wird: 

    Jetzt haben wir eine rich­tig gut funk­tio­nie­ren­de Software, und teu­er war sie auch noch, und dann kom­men die­se meckern­den Datenschutzheinis und for­dern, dass wir da noch Datenschutz für per­sön­li­che Daten von Nutzern rein­bau­en! So wer­den wir ja nie fer­tig mit der Digitalisierung des XYZ…

    Natürlich nicht, wenn man igno­rant und ohne ech­te Expertise Scheiß-​Software ent­wi­ckeln lässt…

    Software, die mit per­sön­li­chen Nutzerdaten arbei­tet, ist immer erst dann gute Software, wenn sie Datenschutz schon von der Konzeption her inte­griert hat.

    Alles ande­re, was nicht nach einem sol­chen Kriterium ent­wi­ckelt wird, ist schlicht Müll, Crap. Miserabel design­te Software. Folge von Fachkräftemangel sowohl auf der Entwickler- wie auf der Auftraggeberseite. Vor allem auf letzterer!

    Mehr noch, ich bin sicher, dass u.a. auf dem Gesundheitssektor feh­len­der Datenschutz, der zu Möglichkeiten zum Datenmissbrauch füh­ren kann und wird, beab­sich­tig­ter Teil der Softwareentwicklung ist!

    Deswegen gehört die­ser gan­ze Schrott IMO auch jedes Mal weg­ge­klagt, und zwar so lan­ge, bis die Verantwortlichen es end­lich irgend­wann kapieren.

    Stell dir mal vor, so wür­de, was Sicherheit angeht, bei Personenaufzügen, bei (ich schrieb es schon) auto­nom fah­ren­den Kfz, bei Brücken, beim Schienenverkehr usw. gear­bei­tet: Nutzersicherheit?? Uns völ­lig egal! Wir wol­len, dass die Wirtschaft pro­fi­tiert, und zwar so schnell wie möglich.

    Und dann gibt es natür­lich noch die behörd­li­chen Beharrungskräfte… die am Ende nichts wei­ter sind als Folge von Inkompetenz gepaart mit Faulheit. Denn der Behördenjob ist ja ein siche­rer Arbeitsplatz, auf dem Dienst nach Vorschrift aus­reicht und neue Vorschriften beharr­lich bekämpft werden.

  5. Wie kommst du auf die Idee?
    Ich fin­de, für uns alle müss­te es längst eine EPA geben. Seit min­des­tens acht bis zehn Jahren schon. Wäre alles mög­lich gewe­sen. Viel ein­fa­cher, als du denkst. Die dabei zu lösen­den Probleme sind alle­samt weit davon ent­fernt, „Raketenwissenschaft” zu sein.

    Wesentlich dabei wäre gewe­sen, die Struktur unse­res Gesundheitswesens über ent­spre­chen­de Schnittstellen abzu­bil­den und auf die­se Schnittstellen hin die ein­zel­nen Software- und Netzwerkkomponenten zu ent­wi­ckeln. Dazu muss man kei­ne „Gematik” grün­den und wer weiß noch wen damit ein­bin­den (die erst ein­mal nur Geld ver­die­nen bzw. kos­ten). Für alle Teilgebiete sol­cher Komponenten-​Entwicklungen gibt es Spezialisten auf dem Entwicklermarkt.

    Für das Gesamtdesign hät­te man z.B. Hochschul-​Fachgruppen von Informatikern und Softwaredesignern ein­set­zen kön­nen. Kooperierend mit Fachleuten aus den betrof­fe­nen Bundes- und Länderressorts.

    Datenschutzspezialisten fin­det man dort eben­falls, man hät­te sogar ein paar maß­ge­schnei­der­te Startups ein­be­zie­hen können. 

    Für die gesam­te Entwicklungsarbeit hät­te man kei­ne die­ser soge­nann­ten „Experten”, die­ser Tagediebe der ein­schlä­gi­gen Beratungsunternehmen ein­be­zie­hen müs­sen. Aber die bela­gern ja wie die Maden vorm Speck das gesam­te Regierungsviertel und grei­fen jeden lukra­ti­ven Kuchen ab.

    Ich schät­ze, min­des­tens 80 Prozent der Kosten der Corona-​Warnapp gehen auf Kosten sol­cher Beratungsverträge (die tat­säch­li­chen Entwickler, die die Anwendungen dann bau­en, sind bloß Handwerksdienstleister mit klei­nen Sub-Verträgen).

    Trotzdem war die­se App viel bes­ser als ihr Ruf.

    Eines der gro­ßen Probleme für die EPA ist auch, dass sich jah­re­lang nichts tat, nach­dem das Projekt mal gestar­tet war (~2011). Niemand inter­es­sier­te sich wirk­lich dafür, bei gleich­zei­tig viel zu vie­len Beteiligten. Und dann muss plötz­lich Gas gebe­ben wer­den, weil irgend­wer es jetzt end­lich fer­tig haben will. Treiber ist wie­der ein­mal die Angst, von Märkten abge­hängt zu werden. 

    Jetzt wird hopp­la­hopp los­ge­rannt, als gäbe es kei­ne Zukunft, und was pas­siert? Es wird geschlu­dert, alles, was den plötz­lich ganz hoch gehäng­ten Zielen im Wege steht, wird rück­sichts­los bei­sei­te geräumt—Augen zu und durch, ist die Devise. Ohne Rücksicht auf Verluste. 

    Wie gesagt, ich hät­te ger­ne die EPA für alle. Es wäre Zeit, so etwas zu haben.

    Aber so, wie es jetzt grob durch­ge­peitscht wird, wird das Ganze ein ganz gro­ßer Murks wer­den. Das wird hin­ten bis vor­ne nicht rich­tig funk­tio­nie­ren und sinn­los wei­te­re vie­le Millionen Euro kosten.

    Ich sag’s ja: ekla­tan­ter Fachkräftemangel – auf besetz­ten ver­ant­wort­li­chen Posten.

🌈 Gemeinsam ist schöner als allein.

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