Reichelts Nius hat einen Spitzenanwalt. Dieser Anwalt ist auch außerhalb der rechten Blase ziemlich bekannt. Seine Meinungsbeiträge lösen bei mir stets unangenehme Gefühle aus.
Reichelt und seine Redakteure können offenbar schreiben, was sie wollen und bekommen, wenn die Sache vor Gericht geht, häufig Recht. Was wiederum für seinen Anwalt spricht.
So stellen sich manche wohl einen funktionierenden Rechtsstaat vor. Oder spricht das nicht tatsächlich für eine Krise in der deutschen Juristerei? Vielleicht sitzen in unseren Parlamenten zu viele der guten Juristen? Oder ist es umgekehrt?
Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Bamberg gab einen Bericht heraus, der einen jener Fälle betrifft, die auf eine Anzeige Robert Habecks zurückgehen. Die Konsequenzen und Hintergründe griff Nius in der Art und Weise auf, die für dieses IMHO mieseste aller Boulevardblätter typisch ist.
Es geht um die Anzeige von Robert Habeck gegen einen 64-jährigen Rentner, der bei „X“ dieses „Schwarzkopf“-Meme geteilt hat, das auch nach der Wahl von Trump zum US-Präsidenten eingesetzt wurde. Dann freilich mit einem anderen Motiv. Auch die „Welt“ greift in einem Artikel das Thema auf und erwähnt im Teaser eher beiläufig, dass die „Schwachkopf“-Beleidigung nicht der einzige Grund für die polizeiliche Aktivität gewesen ist.
Dass die in diesem Fall als besonders kritisch herausgestellte Hausdurchsuchung nicht allein aufgrund der mutmaßlichen Beleidigung von Robert Habeck, sondern noch aus einem anderen Grund stattfand, findet zunächst in Nius Berichterstattung keine Erwähnung. Erst nachdem auf die Pressemitteilung aufmerksam gemacht wurde, wird der jüngste Artikel von Nius ergänzt.
Und die machen das daraus:
„Die Staatsanwaltsschaft Bamberg veröffentliche zu dem Fall am Freitagmittag eine Pressemitteilung (NIUS berichtete). Darin bestätigen die Staatsanwälte offiziell, dass die Wohnungsdurchsuchung allein aufgrund des Begriffs „Schwachkopf“ erfolgte.“
Das ist gelogen! Die Staatsanwalt schreibt nicht, dass die Durchsuchung „allein“ aufgrund der Beleidigung (Schwachkopf) erfolgt ist.
Irreführend ist allerdings, dass in der Pressemitteilung der Bamberger Staatsanwaltschaft gleich zwei Gründe für die Hausdurchsuchung erwähnt wurden.
1.) Am 12.11.2024 erfolgte bei dem Beschuldigten eine
Wohnungsdurchsuchung2.) Die Wohnungsdurchsuchung erfolgte im Zusammenhang mit einem bundesweiten Aktionstag gegen antisemitische Hasskriminalität im Internet. Die weiteren Ermittlungen gegen den Beschuldigten werden durch die KPI Schweinfurt und die Staatsanwaltschaft Bamberg geführt.
Die Sache mit dem Hass, den Beleidigungen und den Fake News ohne Konsequenzen beschäftigt Teile der Republik seit Langem. Jetzt eben anhand eines eigentlich doch gelungenen (witzigen) Memes. Ich habe es erst gesehen, als der Scherenschnitt des neugewählten US-Präsidenten darauf erschien – und fand es (Entschuldigung) lustig.
Dass dieses Meme, in diesem Fall mit dem Konterfei Habecks, zu dieser Aufregung führt, finde ich schräg und trifft leider überhaupt nicht das Problem, für das man bisher nicht im Ansatz Lösungen anzubieten hat.
Bei allem Sinn für die Hintergründe all der Aufregung, sollten wir bedenken, wie es sich anfühlt, selbst permanent Ziel von brutalen und hässlichen Angriffen zu sein.
Wenn sich Politiker in ihrer Lage wehren, kann ich das gut verstehen. Dass sogar neue Geschäftsideen (Start-ups) entstehen, die den Betroffenen ihre professionelle Hilfe anbieten, ist in solchen Situationen vielleicht naheliegend. Ich hatte erst kürzlich einen Beitrag über das Unternehmen (So Done) gelesen, zu dessen Klienten auch der Bundeswirtschaftsminister, Robert Habeck, zählt. In diesem konkreten Fall soll es jedoch nicht beauftragt worden sein. Ich las, dass Habeck ca. 700 Anzeigen gestellt haben soll.
Das wäre vielleicht sogar für ein solches Start-up nicht zu bewältigen. Nach Medienberichten hat das Unternehmen bisher 1000 Aufträge je Monat zur Bearbeitung erhalten. Offenbar existiert ein Bedarf. Ob Automatismen dieser Art dazu angetan sind, dieses Problem wirksam zu entschärfen? Ich weiß es nicht.
Schaut man sich die Hintergründe all dieser Anzeigen bzw. in welcher Art und Weise da geredet und geschrieben wird, an, dürfte sich auch bei den anscheinend so sensiblen Verfechtern einer diesbezüglich etwas fragwürdigen Entwicklung der „Meinungsfreiheit“, gerade im Netz, ein Problembewusstsein entwickeln. Aber das streift nur die Idee der an sich doch wünschenswerten oder sogar erforderlichen Regulierung des Netzes. Die Plattformbetreiber müssen enger an die Kandare genommen und für die Durchsetzung bestimmter Standards zur Verantwortung gezogen werden. Anders wird es nicht funktionieren. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass auf internationaler Ebene solche Vereinbarungen getroffen und vor allem durchgesetzt werden?
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