Blaues Erwachen: Die AfD, die Demokratie und unsere Verantwortung

stroke="currentColor" stroke-width="1.5" stroke-linejoin="round" stroke-linecap="round" /> 4 Kommentare

Gestern Abend schien alles so blau. Nicht bloß wet­ter­tech­nisch, denn im Osten erstrahl­te das kräf­ti­ge Blau der AfD. Die Abgrenzung zur »alten« Bundesrepublik hat sich so deut­lich ent­wi­ckelt, dass es vie­len Alt-​Republikanern nicht nur die Zornesröte ins Gesicht trei­ben dürf­te, son­dern die­se noch ver­stärkt wur­de durch ein Gefühl des Fremdschämens. Deutschland könn­te (2029) die­sen Leuten anheim­fal­len. Die Wahrscheinlichkeit steigt rasant, soll­te die frü­her kurz GroKo genann­te Koalition aus Union und SPD es nicht gewuppt bekommen.

Bedburg und das Wahlergebnis 

Dass die AfD in mei­ner Heimatstadt ein­mal so reüs­sie­ren wür­de, hät­te ich nicht für mög­lich gehalten.

Zweistärkste poli­ti­sche Kraft in unse­rer Stadt. Ich bin geneigt fest­zu­stel­len, dass ich mich dafür schä­me. Ist das anma­ßend oder drü­cken »die ande­ren« sol­che Dinge nicht in viel schär­fe­rer Art und Weise aus?

Die Frage, die sich aller­dings stellt, ist, ob die­je­ni­gen, die kei­ne Notwendigkeit sehen, gegen auto­kra­ti­sche Tendenzen zu kämp­fen und statt­des­sen gern von Meinungsfreiheit und Demokratie reden, nicht echt schief­ge­wi­ckelt sind.

Was bedeutet (uns) Demokratie in Zeiten der Herausforderung? 

Dafür, wie Leute ticken, wenn sie demo­kra­tisch her­aus­ge­for­dert wer­den, ist es ein mie­ses Beispiel. Sobald es eng wird und kei­ne der Parteien mehr über­zeu­gen­de Lösungen vor­stel­len, ist die poli­ti­sche Kultur, die wir in so vie­len Jahrzehnten gemein­sam auf­ge­baut haben und die wir gemein­sam genie­ßen konn­ten, von den AfD-​Wählern aufs Spiel gesetzt wor­den. All die Ängste und Sorgen, die zwei­fel­los auch durch die schlech­te Arbeit der Ampel-​Koalition geschürt wur­den, recht­fer­ti­gen es nicht, der Demokratie die Rote Karte zu zeigen.

Lokale Ereignisse und ihre Auswirkungen 

In die­sem Bezirk unse­rer Stadt war die Unterbringung von Geflüchteten in einem ehe­ma­li­gen Fitness-​Studio vor­ge­se­hen. Das Projekt wur­de umge­setzt. Die Reaktionen der Menschen waren ein­deu­tig. Die Sorgen und Ängste der Anwohner kann ich, kann man, nach­voll­zie­hen, die Proteste gegen die Entscheidung der Stadt eben­falls. In ande­ren Teilen der Stadt spiel­te, wie wir das in die­sen Zusammenhängen auch aus ande­ren Kommunen ken­nen, das Vorhaben nur eine unter­ge­ord­ne­te Rolle.

Ich ken­ne die­sen Herrn Jason von der AfD nicht. Vielleicht ist er ein sym­pa­thi­scher Mensch. Seine Wähler ver­ste­he ich jeden­falls nicht.

Der Blick über den Atlantik 

Ist das nicht genau die­se Ausprägung von fal­schem Demokratieverständnis, das ich da an den Tag lege? J.D. Vance hat uns das erst kürz­lich ins Poesiealbum geschrie­ben. Statt inne­zu­hal­ten, haben wir unse­rem Frust über die­se »Einmischung« nach­ge­ge­ben und sei­ne Vorhaltungen mit star­ken Worten abge­tan. Für mich fehlt es nicht an einer weni­ger nega­ti­ven Reflexion der Vance-​Rede. Vielmehr zählt der Blick über den Atlantik und die ganz bestimmt nicht bei­spiel­ge­ben­den Methoden die­ser Administration! Das eins­ti­ge Land of the Free hat sich zum Schreckgespenst ent­wi­ckelt. Nicht nur für uns Deutsche und uns Europäer.

Wer profitiert von dieser Entwicklung? 

Was wür­de ich dar­um geben, ein­mal Mäuschen in inter­nen Regierungsgesprächen zu spie­len. Ob sich Putin oder Xi über die­se Entwicklung nicht gött­lich amü­sie­ren. Manchmal den­ke ich, ich höre ihr Schenkelklopfen bis in mein Wohnzimmer.

Es gibt vie­le Menschen in Deutschland, die von »der Politik« genervt sind und gro­ße Zukunftsängste haben. Das dürf­te mit der Tatsache zu tun haben, dass wir bevöl­ke­rungs­tech­nisch ein altes Land (Demografie) sind. Ich bin froh, dass so vie­le jun­ge Leute die LINKE gewählt haben. Leider hat auch die AfD vom Zuspruch der Jungwähler pro­fi­tiert. Sie gehen Wagnisse ein, zu denen älte­re Bürger mit völ­lig ande­ren Motiven (Beharrungskräfte, Bewahrung des Status quo) auch bereit sind. 

Die Entfremdung zwischen Politik und Bürgern 

Man hört gele­gent­lich den Vorwurf, die Berliner Politik hät­te sich von der Lebenswirklichkeit der Menschen so weit ent­fernt, dass sie das Ausmaß der Frustration, der Nöte und Ängste nicht erfas­sen könn­te und auch nichts davon wis­sen woll­te. Ich kann das ver­ste­hen, auch dass sol­che Sichtweisen bei vie­len Bürgern im Osten unse­res Landes stär­ker ent­wi­ckelt sind. Akzeptieren kann ich das nicht.

Die Frage, wie­so zu vie­le Menschen sehr bewusst die rechts­extre­me AfD wäh­len und wes­halb sie dazu bereit sind, die demo­kra­ti­sche Beschaffenheit Deutschlands gegen ein auto­kra­ti­sches Regime aus­zu­wech­seln, gibt wei­ter Anlass zu gro­ßer Sorge.


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4 Gedanken zu „Blaues Erwachen: Die AfD, die Demokratie und unsere Verantwortung“

  1. „Man hört gele­gent­lich den Vorwurf, die Berliner Politik hät­te sich von der Lebenswirklichkeit der Menschen so weit ent­fernt, dass sie das Ausmaß der Frustration, der Nöte und Ängste nicht erfas­sen könn­te und auch nichts davon wis­sen woll­te. Ich kann das ver­ste­hen, auch dass sol­che Sichtweisen bei vie­len Bürgern im Osten unse­res Landes stär­ker ent­wi­ckelt sind. ”

    Ja, weil sie – auch 35 Jahre spä­ter – noch immer recht ande­re Vorstellungen davon haben, was Politik leis­ten kann! In der DDR wur­de ja qua­si alles „von oben bestimmt” – bis das Land schlicht plei­te war. Aber die­se Denke tei­len auch vie­le AFD-​Wähler und ande­re Frustrierte, die davon aus­ge­hen, dass „die da oben machen was sie wol­len” und sich doch nur berei­chern wollten. 

    Gewisse gro­ße Zusammenhänge wol­len oder kön­nen sie nicht sehen, das gilt auch für Wähler/​innen der LINKEN. Dass z.B. Inflation vie­le Ursachen hat, auf die wir als Land gar kei­nen Einfluss haben und dass ein Gegensteuern durch ver­stärk­te Umverteilung noch mehr in die wirt­schaft­li­che Misere füh­ren wür­de – das hab ich auch erst im vor­ge­rück­ten Alter eingesehen!
    Dennoch fin­de ich den Erfolg der Linken gut, denn ihre Stimme wird durch­aus gebraucht, sie macht auch sehr gute Anfragen im Bundestag.

  2. Von mir aus kön­nen sie die Mauer wie­der hoch­zie­hen – am bes­ten gleich 4 m höher.

☕ Bleibt neugierig, bleibt menschlich.

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