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Blaues Erwachen: Die AfD, die Demokratie und unsere Verantwortung

Der AfD-Wahlerfolg wirft weiterhin Fragen über Demokratie, Frust und Verantwortung auf. Wie weit sind wir von einem politischen Kipppunkt entfernt?

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von Horst Schulte

4 Min. Lesezeit

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Ein politischer Abend in Blau  

Gestern Abend schien alles so blau. Nicht bloß wettertechnisch, denn im Osten erstrahlte das kräftige Blau der AfD. Die Abgrenzung zur »alten« Bundesrepublik hat sich so deutlich entwickelt, dass es vielen Alt-Republikanern nicht nur die Zornesröte ins Gesicht treiben dürfte, sondern diese noch verstärkt wurde durch ein Gefühl des Fremdschämens. Deutschland könnte (2029) diesen Leuten anheimfallen. Die Wahrscheinlichkeit steigt rasant, sollte die früher kurz GroKo genannte Koalition aus Union und SPD es nicht gewuppt bekommen.

Bedburg und das Wahlergebnis  

Dass die AfD in meiner Heimatstadt einmal so reüssieren würde, hätte ich nicht für möglich gehalten.

Zweistärkste politische Kraft in unserer Stadt. Ich bin geneigt festzustellen, dass ich mich dafür schäme. Ist das anmaßend oder drücken »die anderen« solche Dinge nicht in viel schärferer Art und Weise aus?

Die Frage, die sich allerdings stellt, ist, ob diejenigen, die keine Notwendigkeit sehen, gegen autokratische Tendenzen zu kämpfen und stattdessen gern von Meinungsfreiheit und Demokratie reden, nicht echt schiefgewickelt sind.

Was bedeutet (uns) Demokratie in Zeiten der Herausforderung?  

Dafür, wie Leute ticken, wenn sie demokratisch herausgefordert werden, ist es ein mieses Beispiel. Sobald es eng wird und keine der Parteien mehr überzeugende Lösungen vorstellen, ist die politische Kultur, die wir in so vielen Jahrzehnten gemeinsam aufgebaut haben und die wir gemeinsam genießen konnten, von den AfD-Wählern aufs Spiel gesetzt worden. All die Ängste und Sorgen, die zweifellos auch durch die schlechte Arbeit der Ampel-Koalition geschürt wurden, rechtfertigen es nicht, der Demokratie die Rote Karte zu zeigen.

Lokale Ereignisse und ihre Auswirkungen  

In diesem Bezirk unserer Stadt war die Unterbringung von Geflüchteten in einem ehemaligen Fitness-Studio vorgesehen. Das Projekt wurde umgesetzt. Die Reaktionen der Menschen waren eindeutig. Die Sorgen und Ängste der Anwohner kann ich, kann man, nachvollziehen, die Proteste gegen die Entscheidung der Stadt ebenfalls. In anderen Teilen der Stadt spielte, wie wir das in diesen Zusammenhängen auch aus anderen Kommunen kennen, das Vorhaben nur eine untergeordnete Rolle.

Ich kenne diesen Herrn Jason von der AfD nicht. Vielleicht ist er ein sympathischer Mensch. Seine Wähler verstehe ich jedenfalls nicht.

Der Blick über den Atlantik  

Ist das nicht genau diese Ausprägung von falschem Demokratieverständnis, das ich da an den Tag lege? J.D. Vance hat uns das erst kürzlich ins Poesiealbum geschrieben. Statt innezuhalten, haben wir unserem Frust über diese »Einmischung« nachgegeben und seine Vorhaltungen mit starken Worten abgetan. Für mich fehlt es nicht an einer weniger negativen Reflexion der Vance-Rede. Vielmehr zählt der Blick über den Atlantik und die ganz bestimmt nicht beispielgebenden Methoden dieser Administration! Das einstige Land of the Free hat sich zum Schreckgespenst entwickelt. Nicht nur für uns Deutsche und uns Europäer.

Wer profitiert von dieser Entwicklung?  

Was würde ich darum geben, einmal Mäuschen in internen Regierungsgesprächen zu spielen. Ob sich Putin oder Xi über diese Entwicklung nicht göttlich amüsieren. Manchmal denke ich, ich höre ihr Schenkelklopfen bis in mein Wohnzimmer.

Es gibt viele Menschen in Deutschland, die von »der Politik« genervt sind und große Zukunftsängste haben. Das dürfte mit der Tatsache zu tun haben, dass wir bevölkerungstechnisch ein altes Land (Demografie) sind. Ich bin froh, dass so viele junge Leute die LINKE gewählt haben. Leider hat auch die AfD vom Zuspruch der Jungwähler profitiert. Sie gehen Wagnisse ein, zu denen ältere Bürger mit völlig anderen Motiven (Beharrungskräfte, Bewahrung des Status quo) auch bereit sind.

Die Entfremdung zwischen Politik und Bürgern  

Man hört gelegentlich den Vorwurf, die Berliner Politik hätte sich von der Lebenswirklichkeit der Menschen so weit entfernt, dass sie das Ausmaß der Frustration, der Nöte und Ängste nicht erfassen könnte und auch nichts davon wissen wollte. Ich kann das verstehen, auch dass solche Sichtweisen bei vielen Bürgern im Osten unseres Landes stärker entwickelt sind. Akzeptieren kann ich das nicht.

Die Frage, wieso zu viele Menschen sehr bewusst die rechtsextreme AfD wählen und weshalb sie dazu bereit sind, die demokratische Beschaffenheit Deutschlands gegen ein autokratisches Regime auszuwechseln, gibt weiter Anlass zu großer Sorge.

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Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

alleiniger Autor dieses Blogs

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Ich kann die Leute nicht ändern, aber meinen Blick auf sie.

Artikelinformationen:

Gesellschaft, Politik

AfD, Debatte, Demokratie

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3 Gedanken zu „Blaues Erwachen: Die AfD, die Demokratie und unsere Verantwortung“

  1. „Man hört gelegentlich den Vorwurf, die Berliner Politik hätte sich von der Lebenswirklichkeit der Menschen so weit entfernt, dass sie das Ausmaß der Frustration, der Nöte und Ängste nicht erfassen könnte und auch nichts davon wissen wollte. Ich kann das verstehen, auch dass solche Sichtweisen bei vielen Bürgern im Osten unseres Landes stärker entwickelt sind. “

    Ja, weil sie – auch 35 Jahre später – noch immer recht andere Vorstellungen davon haben, was Politik leisten kann! In der DDR wurde ja quasi alles „von oben bestimmt“ – bis das Land schlicht pleite war. Aber diese Denke teilen auch viele AFD-Wähler und andere Frustrierte, die davon ausgehen, dass „die da oben machen was sie wollen“ und sich doch nur bereichern wollten.

    Gewisse große Zusammenhänge wollen oder können sie nicht sehen, das gilt auch für Wähler/innen der LINKEN. Dass z.B. Inflation viele Ursachen hat, auf die wir als Land gar keinen Einfluss haben und dass ein Gegensteuern durch verstärkte Umverteilung noch mehr in die wirtschaftliche Misere führen würde – das hab ich auch erst im vorgerückten Alter eingesehen!
    Dennoch finde ich den Erfolg der Linken gut, denn ihre Stimme wird durchaus gebraucht, sie macht auch sehr gute Anfragen im Bundestag.

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    • Demokratie lernen ist das, was wir (die meisten von denen, die noch leben) im Westen weitestgehend mit der Muttermilch eingesogen haben. Diese unterschiedlichen Startbedingungen kann man den Ossis gutschreiben. Das klingt nur auf den ersten Blick hochnäsig (typisch Wessi halt). Aber was die Leute im Osten dazu bringt, die Rechtsextremen von der AfD zu wählen, geht deutlich über irgendwelche theoretischen Befindlichkeiten hinaus.

      Es herrscht im Osten ein Frust über alles. So wirkt es auf mich. Dass sich die politischen Parteien (AfD ausgenommen) dort nicht kümmern, ist leider eine Tatsache. Ich habe nicht den Eindruck, dass sich das tendenziell ändern würde, obwohl die Parteien die Auswirkungen kennen. Stattdessen versuchen sie, den Vorsprung in Sozial Media – Auftritten auszugleichen. Ich halte das für ebenso hilflos wie lächerlich.

      Ja, es ist toll, dass die Linke so gut abgeschnitten hat. Dass das vor allem jungen Wählern zu verdanken ist, kann man anhand der Daten nachvollziehen. Das tut dem Ganzen keinen Abbruch. Leider hat auch die AfD in den jungen Altersklassen punkten können.

      Die blaue Welle ist längst in den Westen übergeschwappt. Mich stinkt das gewaltig an, und ich wäre geneigt, eine Volksabstimmung durchzuführen. Die sollen dort ihren Kram machen und die Bundeshauptstadt Bonn wieder reaktivieren. Wie zutiefst undemokratisch ich doch sein kann. Wenn ich den Grenzverlauf der blauen Zone anschaue und überlege, was daraus noch werden könnte, wird mir angst und bange. Das dürfen wir auf gar keinen Fall so weiterlaufen lassen.

      Vielen Dank für den Ping. 🙂

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