Zwischen Reformwille und Realitätsverweigerung: Die Debatte um die Beamtenpensionen

Die Debatte um ein gemeinsames Rentensystem wird erstickt: Kritik an Bas und Wagenknecht, wachsende Kosten und kaum tragfähige Rücklagen.

Horst Schulte

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Auch im heutigen Presseclub wurde Bas’ Vorschlag rasch als Versuchsballon abgekanzelt. Die CDU lehnt ihn rundweg ab – ohne jeden Ansatz, darüber überhaupt eine ergebnisoffene Debatte zu führen.

Dabei wäre genau das jetzt notwendig. Denn hinter dem Vorstoß steckt – unabhängig von seiner politischen Platzierung – ein Gedanke, der einen Nerv trifft: Müsste nicht endlich damit begonnen werden, die künftige Grundlage für ein solidarisches Rentensystem zu schaffen? Eine, die alle einbezieht – auch jene, die bislang durch Ausnahmen und Privilegien geschützt werden?

Christoph Ahlhaus, Vorsitzender des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft und CDU-Politiker, hält den Vorschlag von Bas dem Blatt zufolge für »populistischen Unfug«, der kein einziges Problem der Rente langfristig löse. »Selbstständige brauchen Entlastung, keine Zwangsmitgliedschaft in einer sturmreifen Staatsrente. Wirtschaftswende geht anders. Der Kanzler sollte das von Anfang an klarstellen«, fordert Ahlhaus.

Quelle

Natürlich, die heutigen Verpflichtungen, insbesondere die Pensionsansprüche von Beamtinnen und Beamten, sind gewaltig. Zum 1. Januar 2024 bezogen rund 1,4 Millionen ehemalige Staatsdiener ein Ruhegehalt – durchschnittlich 3.240 Euro brutto im Monat. Weitere 380.100 Hinterbliebene erhielten Versorgungsleistungen. Die Gesamtausgaben für Pensionen beliefen sich im Jahr 2023 auf 54,8 Milliarden Euro, hinzu kamen 8,6 Milliarden Euro für Hinterbliebenenversorgung – zusammen rund 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts. Quelle: destatis.de

Und es geht so weiter: Bis 2025 sollen die Pensionsausgaben auf 81 Milliarden Euro steigen – fast 24 % mehr als heute. Langfristig könnte die Marke von 100 Milliarden Euro überschritten werden. Ein großer Teil davon liegt auf den Schultern der Länder, die rund 70 % aller Beamten beschäftigen.

Wir wissen längst, dass die Rückstellungen dafür nicht annähernd ausreichen. Die gebildeten Reserven würden die jährlichen Versorgungsausgaben bestenfalls für ein Jahr decken. Nur fünf Bundesländer sind derzeit überhaupt in der Lage, die Kosten für ihre Pensionäre zu tragen. Alle anderen leben von der Hoffnung auf das Morgen – und auf Steuerzahler, die die Zeche weiter begleichen.

In dieser gigantischen Rechnung sind freilich die Freiberufler, die künftig ebenfalls in eine gemeinsame Rentenkasse einzahlen sollen, noch gar nicht enthalten. Mit ihrer Einbeziehung würde also nicht nur mehr Geld in das System fließen – es müssten auch immense Summen abgedeckt werden, die aus früheren Versäumnissen resultieren.

Sahra Wagenknecht wird von Medien wie Springer für ihre Haltung zur Rentenfrage derweil des Populismus geziehen. Sie fordert ein solidarisches Rentensystem, in das alle einzahlen – auch Beamte, Politiker, Selbstständige. Diese Forderung überrascht nicht, doch die Vorwürfe wiegen schwer: populär, aber wissenschaftlich eher dünn. Dabei hat sie promoviert – magna cum laude in Volkswirtschaftslehre. Man kann also getrost davon ausgehen, dass sie die wirtschaftlichen Implikationen kennt. Quelle u. a.: derwesten.de

Andererseits wird Bas’ Vorschlag von Verena Bentele, Präsidentin des VdK, ausdrücklich begrüßt. Sie lobte deren »mutigen Start ins Ministeramt« und betonte, es sei »aus der Zeit gefallen«, dass sich Beamtinnen, Beamte sowie Politikerinnen und Politiker der solidarischen Rentenversicherung entzogen.

Vielleicht ist es tatsächlich an der Zeit, dass ein Neuanfang gewagt wird. Man muss nicht warten, bis eine Kommission jahrelang berät, um kluge, zukunftsgewandte Vorschläge zu machen. Aber es ist erschütternd, wie unterschiedlich die Öffentlichkeit reagiert – und wie reflexhaft die politische Gegenseite blockiert.

Die CDU lässt erkennen, dass sie unter Reform immer noch zuerst Einschnitte bei den Schwächeren versteht – nie bei den Besitzständen der eigenen Klientel. Dass auch die Behandlung von Beamtenpensionen zur Disposition stehen sollte, wird schlicht ignoriert. Eine Haltung, die Tradition hat.

Ich hoffe, dass es so nicht weitergeht. Und ich hoffe auch, dass die von Friedrich Merz angekündigte »Agenda 2030« kommende Woche kein Deckmantel für weiteren Sozialabbau sein wird. Ich erwarte von dieser Bundesregierung, dass sie die Kraft findet, wirklich zu gestalten. Und ich nehme mir selbst vor, mit meiner Kritik nicht in den Chor der ewigen Empörung einzustimmen.

Denn wir haben doch »alle« gegen die Ampel gewettert und sollten uns fragen, welche Motivation dahintersteckt. Politikverdrossenheit mag angesichts so mancher Fehlleistung nachvollziehbar sein, sie hilft nicht bei dem, was wir eigentlich dringend brauchen: Optimismus und den Willen, dass es wieder besser wird.

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2 Gedanken zu „Zwischen Reformwille und Realitätsverweigerung: Die Debatte um die Beamtenpensionen“

  1. Es ist nicht nur, es wäre schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten Zeit gewesen für einen Neuanfang in Sachen Rentensystem. Nur hätte es dazu Parteien bedurft, die einen solchen Neuanfang gewagt hätten, wie du schreibst.

    Mir ist keine Partei in Deutschland bekannt, die das hätte tun können und wollen, und die jemals Aussicht gehabt hätte, Teil einer Bundesregierung zu sein.

    Das wird alles weiter kaputtgewurschtelt werden, denn es interessiert keinen (in den Regierungsparteien). Und Kompetenz, eine echte, langfristig funktionierende Reform auf den Weg zu bringen, ist bei der jetzigen Regierung nicht vorhanden.

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