Ein Minis­te­ri­al­rat, der sich über die ein­sei­ti­ge Bericht­erstat­tung des däni­schen Rund­funks beklagt. Eine deut­sche Urlau­be­rin, die ihre Begeis­te­rung für den „Füh­rer“ nicht hin­ter dem Berg hält. Und Hotel­gäs­te, die lie­ber über das Wet­ter plau­dern als über die poli­ti­sche Lage. Will­kom­men im See­bad­ho­tel – einem Mikro­kos­mos der Apathie.

Die däni­sche Serie Bade­ho­tel­let (dt. See­bad­ho­tel) spielt in den Som­mer­mo­na­ten der Jah­re 1928 bis 1947 an der Nord­see­küs­te. Euro­pa tau­melt auf die Kata­stro­phe zu, aber in den kom­for­ta­blen Sui­ten des Bade­ho­tels scheint die Welt in Ord­nung. Die Serie ist nicht laut, nicht dra­ma­tisch. Und genau des­halb trifft sie einen Nerv: Sie zeigt, wie die Nor­ma­li­tät des All­tags poli­ti­sche Ent­wick­lun­gen still­schwei­gend beglei­tet, mit einem Lächeln und einem Gin Tonic in der Hand.

Nur der Minis­te­ri­al­rat wirft gele­gent­lich einen Blick auf die Welt außer­halb der Küs­te. Er kri­ti­siert die man­geln­de Objek­ti­vi­tät der Rund­funk-Bericht­erstat­tung. Das klingt ver­traut. Damals wie heu­te ist die Fra­ge: Wer kon­trol­liert die Wahr­heit? Die ande­ren Hotel­gäs­te zie­hen es vor, sich damit nicht zu beschäf­ti­gen. Poli­tik stört die Ferienlaune.

Die­se Gleich­gül­tig­keit, die­ses „Lie­ber nicht dar­über reden“ oder „wir kön­nen es ohne­hin nicht ändern“, zieht sich durch die Serie wie der Hori­zont am Meer. Und sie erin­nert schmerz­haft dar­an, wie leicht wir bereit sind, den Blick abzu­wen­den, wenn die Din­ge unan­ge­nehm werden.

Zwischen Glanz und Abgrund: Weitere Serien der Zwischenkriegszeit

Bade­ho­tel­let ist nicht allein. Zahl­rei­che Seri­en der letz­ten Jah­re haben die Zwi­schen­kriegs­zeit als erzäh­le­ri­sches Labor ent­deckt – und sie alle wer­fen Fra­gen auf, die uns auch heu­te betreffen.

Ber­lin, 1929: Im legen­dä­ren Tanz­lo­kal Moka Efti drän­gen sich Nacht­schwär­mer zu Jazz­klän­gen, wäh­rend drau­ßen Arbeits­lo­se und Kriegs­ve­te­ra­nen auf den Stra­ßen ums Über­le­ben kämp­fen. Sol­che kon­trast­rei­chen Bilder zeich­nen die TV-Serie Baby­lon Ber­lin (Deutsch­land, seit 2017), die den Zeit­geist der spä­ten Wei­ma­rer Repu­blik ein­fängt. Ber­lin wird dar­in als „Metro­po­le in Auf­ruhr“ gezeigt – eine zer­ris­se­ne Stadt im radi­ka­len Wan­del. Tat­säch­lich stan­den in der Haupt­stadt der 1920er-Rausch und Elend neben­ein­ander: rausch­haf­ter Exzess und extre­me Armut, Eman­zi­pa­ti­on und Extre­mis­mus pral­len auf­ein­ander. Die „Gol­de­nen Zwan­zi­ger“ brach­ten künst­le­ri­sche Blü­te und nächt­li­ches Ver­gnü­gen, lie­ßen aber auch Kri­mi­na­li­tät blü­hen und poli­ti­sche Span­nun­gen eska­lie­ren. Baby­lon Ber­lin lässt uns in die­se schil­lern­de und zugleich brü­chi­ge Welt ein­tau­chen – eine Welt, die ahnen lässt, wie die Gesell­schaft am Abgrund balan­ciert, kurz bevor der Natio­nal­so­zia­lis­mus alles in die Kata­stro­phe stürzt.

Auch inter­na­tio­nal wid­men sich erfolg­rei­che Seri­en jener Zwi­schen­kriegs­zeit als Spie­gel der Gesell­schaft. Peaky Blin­ders (Groß­bri­tan­ni­en, 2013 – 2022) etwa ver­setzt uns nach Bir­ming­ham 1919, in eine vom Krieg gezeich­ne­te Indus­trie­stadt. Eine ehe­ma­li­ge Gang von Kriegs­ve­te­ra­nen um Tom­my Shel­by kämpft sich durch das Milieu aus Armut, Erwerbs­lo­sig­keit und orga­ni­sier­tem Ver­bre­chen – und sieht sich bald neu­en Bedro­hun­gen gegen­über. Spä­tes­tens in den spä­ten Staf­feln tritt mit Sir Oswald Mos­ley ein berüch­tig­ter Faschist auf den Plan, der im Groß­bri­tan­ni­en der 1930er die rechts­extre­me Bri­tish Uni­on of Fascists anführt. Die Serie zeigt so nicht nur das Elend und die Wut der Arbei­ter­klas­se nach dem Ers­ten Welt­krieg, son­dern auch das Auf­kom­men radi­ka­ler Ideo­lo­gien im Unter­grund der Gesellschaft. 

Einen ganz ande­ren Blickwin­kel bie­tet Down­ton Abbey (Groß­bri­tan­ni­en, 2010 – 2015): Hier ste­hen ein aris­to­kra­ti­sches Land­gut in York­shire und sein Per­so­nal im Mit­tel­punkt. Zwi­schen 1912 und 1926 erlebt die Adels­fa­mi­lie Craw­ley eine Fol­ge tief­grei­fender Umbrü­che. Der Unter­gang der Tita­nic mar­kiert den Auf­takt, gefolgt vom Aus­bruch des Ers­ten Welt­kriegs, der Spa­ni­schen Grip­pe, der Ein­füh­rung des Frau­en­wahl­rechts und dem iri­schen Unabhängigkeitskrieg.

Down­ton Abbey zeigt die­sen Wan­del mit pracht­vol­len Kulis­sen – und den­noch mit rea­lis­ti­scher Detail­treue. Alte Hier­ar­chien begin­nen zu brö­ckeln. Die­ner ver­las­sen tra­di­tio­nel­le Lebens­we­ge. Und Frau­en erobern sich nach und nach neue Rol­len in einer sich ver­än­dern­den Gesellschaft.

Eine wei­te­re Facet­te lie­fert Las chi­cas del cable – Die Tele­fo­nis­tin­nen (Spa­ni­en, 2017 – 2020). Die­se spa­ni­sche Net­flix-Serie folgt vier jun­gen Tele­fo­nis­tin­nen im Madrid des Jah­res 1928, die alle aus unter­schied­li­chen sozia­len Schich­ten stam­men. Vor dem Hin­ter­grund der tech­ni­schen Moder­ne – dem Auf­kom­men der Fern­sprech-Tech­no­lo­gie – kämp­fen Lidia, Car­lo­ta, Ánge­les und Mar­ga um per­sön­li­che Frei­heit und Gleich­be­rech­ti­gung in einer männ­lich domi­nier­ten Gesellschaft. 

Zugleich wer­den sie Zeu­gin­nen der poli­ti­schen Ent­wick­lung Spa­ni­ens jener Jah­re. Die Serie beginnt in den spä­ten 20ern und führt durch die tur­bu­len­te Zwei­te Spa­ni­sche Repu­blik bis an den Vor­abend des spa­ni­schen Bür­ger­kriegs 1936. Damit zeigt Die Tele­fo­nis­tin­nen ein­drück­lich, wie eng pri­va­te Schick­sa­le und gesell­schaft­li­che Umbrü­che ver­floch­ten sind: Wäh­rend die Prot­ago­nis­tin­nen um Selbst­be­stim­mung rin­gen, ver­dun­keln sich nach und nach die poli­ti­schen Wol­ken – eine Par­al­le­le, die vie­le euro­päi­sche Länder der Zwi­schen­kriegs­zeit teilen.

Die­se und ande­re his­to­ri­sche Seri­en die­nen also nicht nur der Unter­hal­tung, son­dern als Fens­ter in die Ver­gan­gen­heit. Sie machen spür­bar, wie die Men­schen in den Jah­ren zwi­schen den Welt­krie­gen leb­ten, lieb­ten und lit­ten. Vor allem zei­gen sie, wie insta­bil die Ver­hält­nis­se nach dem Schock des Ers­ten Welt­kriegs waren: Demo­kra­tien waren neu und fra­gil, alte Mon­ar­chien ver­schwun­den, die Wirt­schaft mal hyper­ak­tiv (Spe­ku­la­ti­ons­bla­se, „Roaring Twen­ties“), mal am Boden (Welt­wirt­schafts­kri­se). Arbeits­lo­sig­keit und Armut stan­den glit­zern­dem Groß­stadt­le­ben gegenüber. 

Zugleich radi­ka­li­sier­ten sich Ränder von links und rechts; vie­le fühl­ten, die eta­blier­te Poli­tik habe ver­sagt. Seri­en wie die­se sind ein Spie­gel: Sie fan­gen die Atmo­sphä­re jener Zeit ein – das Flir­ren zwi­schen Auf­bruch und Absturz – und machen die Gefühls­la­ge greif­bar, die damals vie­le umtrieb.

Natio­na­lis­ti­sche Ten­den­zen in Euro­pa heute

Fast ein Jahr­hun­dert spä­ter blickt Euro­pa erneut in einen Abgrund wach­sender poli­ti­scher Extre­me. Was einst Geschich­te schien, wirkt plötz­lich beklem­mend aktu­ell: In meh­re­ren euro­päi­schen Län­dern haben natio­na­lis­ti­sche oder rechts­po­pu­lis­ti­sche Par­tei­en heu­te Regie­rungs­ver­ant­wor­tung über­nom­men – oder ste­hen kurz davor. 

In gleich sechs EU-Staa­ten – dar­un­ter Ita­li­en, Finn­land, die Slo­wa­kei, Ungarn, Kroa­ti­en und Tsche­chi­en – sit­zen inzwi­schen rechts­po­pu­lis­ti­sche oder natio­nal­kon­ser­va­ti­ve Par­tei­en mit am Regierungstisch.

In Schwe­den etwa mischt die Par­tei Sveri­ge­de­mo­kra­ter­na kräf­tig mit: Sie stellt zwar kei­ne Minis­ter, gibt aber als Tole­rie­rungs­part­ner den Ton an – der Ein­fluss ist spür­bar, auch ohne Kabinettsposten.

Finn­land wird seit 2023 von einer Koali­ti­on regiert, an der die Fin­ni­sche Par­tei betei­ligt ist – frü­her bekannt als „Wah­re Fin­nen“. Ihre Linie ist klar: strik­ter Kurs bei Migra­ti­on, kri­ti­sche Hal­tung gegen­über der EU.

Und in Ita­li­en steht seit den Neu­wah­len 2022 erst­mals eine post­fa­schis­ti­sche Par­tei an der Spit­ze des Staa­tes. Gior­gia Melo­ni und ihre Fratel­li d’Italia stel­len die Minis­ter­prä­si­den­tin – und prä­gen die Regie­rung mit natio­na­lis­ti­schem Ton und kon­ser­va­ti­ver Welt­an­schau­ung. Ihre Regie­rung aus natio­na­lis­ti­schen und rechts­kon­ser­va­ti­ven Kräf­ten hat u.a. eine har­te Linie in Migra­ti­ons­fra­gen und ein betont tra­di­tio­na­lis­ti­sches Gesell­schafts­bild in ihr Pro­gramm geschrieben.

Auch in Ost­eu­ro­pa schla­gen rech­te Töne an. In Ungarn regiert Vik­tor Orbán bereits seit 2010; sei­ne Fidesz-Par­tei hat ein Sys­tem „illi­be­ra­ler Demo­kra­tie“ geschaf­fen, das unab­hän­gi­ge Medi­en und Gerich­te gezielt schwächt und mit natio­na­lis­ti­scher Rhe­to­rik die eige­ne Macht zementiert. 

In Polen lenk­te die natio­nal­kon­ser­va­ti­ve PiS (Pra­wo i Spra­wi­ed­li­wość, Law and Jus­ti­ce) acht Jah­re lang (2015 – 2023) die Regie­rung und bau­te in die­ser Zeit Jus­tiz und öffent­lich-recht­li­che Medi­en nach ihrem Gus­to um – ein Kurs, der das Land mehr­fach in Kon­flikt mit der EU brach­te. (Erst Ende 2023 wur­de PiS durch ein pro-euro­päi­sches Oppo­si­ti­ons­bünd­nis abge­wählt, was vie­le als Votum gegen den auto­ri­tä­ren Kurs werteten.) 


Am 1. Juni 2025 gewann Karol Naw­ro­cki, unter­stützt von der natio­nal­kon­ser­va­ti­ven PiS-Par­tei, knapp die Prä­si­dent­schafts­wahl in Polen mit 50,89 % der Stim­men. Sein Sieg könn­te die pro-euro­päi­schen Refor­men der Regie­rung unter Pre­mier­mi­nis­ter Donald Tusk erheb­lich behin­dern, da der Prä­si­dent in Polen über weit­rei­chen­de Befug­nis­se ver­fügt, ein­schließ­lich eines Veto­rechts. Naw­ro­ckis EU-skep­ti­sche Hal­tung und sei­ne Nähe zu ande­ren natio­na­lis­ti­schen Füh­rern in Euro­pa las­sen befürch­ten, dass Polen sich wei­ter von der EU ent­fernt und demo­kra­ti­sche Insti­tu­tio­nen geschwächt wer­den könnten. 

Auch Slo­we­ni­en und Ser­bi­en stan­den zeit­wei­se unter dem Ein­fluss popu­lis­ti­scher Füh­rungs­per­so­nen, die mit mar­ki­gen Paro­len und auto­ri­tä­rem Ges­tus auf Stim­men­fang gin­gen. In der Slo­wa­kei kehr­te 2023 der umstrit­te­ne Ex-Pre­mier Robert Fico zurück an die Macht – gemein­sam mit der rechts­extre­men SNS, die im Wahl­kampf mit ultra­na­tio­na­lis­ti­schen Tönen auf sich auf­merk­sam machte.

Doch selbst ver­meint­lich sta­bi­le Demo­kra­tien sind nicht immun. In den Nie­der­lan­den etwa lan­de­te der islam­feind­li­che Pro­vo­ka­teur Geert Wil­ders mit sei­ner PVV Ende 2023 einen Wahl­sieg. Im Früh­jahr 2024 wur­de dar­aus ein hand­fes­tes Regie­rungs­bünd­nis – und ver­mut­lich die rech­tes­te Regie­rung, die das Land seit dem Zwei­ten Welt­krieg gese­hen hat.

Gleich­zei­tig wach­sen klas­si­sche Rechts­par­tei­en euro­pa­weit: Sie gewin­nen Wäh­ler, rücken in die Par­la­men­te vor – und drän­gen die poli­ti­sche Mit­te zuneh­mend an den Rand. In Frank­reich erreicht Mari­ne Le Pens Ras­sem­blem­ent Natio­nal in Umfra­gen bereits über 30 % und liegt damit klar vor Emma­nu­el Macrons zen­tris­ti­scher Par­tei. Und in Deutsch­land schließ­lich erstarkt die AfD: Sie liegt mit rund 20 % zeit­wei­se gleich­auf mit den Volks­par­tei­en. In eini­gen ost­deut­schen Bun­des­län­dern wur­de sie zuletzt sogar stärks­te Kraft. Erst­mals seit 1945 gewann mit der AfD ein rech­ter Außen­sei­ter einen Land­rats­pos­ten, und die Par­tei zieht – wenn­gleich bis­lang iso­liert – in immer mehr Land­ta­ge ein. Die Alarm­glo­cken läu­ten also längst.

Echo der Geschich­te? Die­se aktu­el­len Ent­wick­lun­gen las­sen unwei­ger­lich Par­al­le­len zur Zwi­schen­kriegs­zeit erken­nen. Natür­lich wie­der­holt sich Geschich­te nie eins zu eins, doch gewis­se Mus­ter ähneln sich auf frap­pie­ren­de Wei­se. So befin­den sich auch heu­te vie­le Bür­ger in einem Gefühl der Unsi­cher­heit: Kri­sen und Umbrü­che erschüt­tern die Gesell­schaft, von Finanz­kri­sen über Pan­de­mien bis hin zu rasan­ten tech­no­lo­gi­schen Ver­än­de­run­gen. Infla­ti­on und Ener­gie­eng­päs­se nagen in man­chen Län­dern am Wohl­stand, glo­ba­le Migra­ti­on und Kul­tur­wan­del ver­un­si­chern Tei­le der Bevöl­ke­rung. Vor 100 Jah­ren lit­ten die Men­schen unter ganz ähn­li­chen Pro­ble­men – der Ver­gleich mit der Wei­ma­rer Zeit drängt sich auf. 

Damals hat­ten Krieg, Hyper­in­fla­ti­on und Arbeits­lo­sig­keit brei­te Schich­ten in Ver­zweif­lung gestürzt. Gesell­schaf­ten „buckel­ten unter Stress“: Erst Welt­krieg, dann eine töd­li­che Pan­de­mie, dann galop­pie­ren­de Teue­rung – extre­me wirt­schaft­li­che Not und sozia­le Ängs­te schür­ten Wut auf das Estab­lish­ment . Popu­lis­ten fan­den dar­in ihren Nähr­bo­den. Wie in den 1920ern ein Mus­so­li­ni oder Hit­ler ver­spre­chen heu­ti­ge Rechts­au­ßen-Poli­ti­ker ein­fa­che Lösun­gen und natio­na­le Wiederauferstehung. 

Sie ver­ste­hen es meis­ter­haft, auf den Kla­via­tu­ren von Angst und Demü­ti­gung zu spie­len. Sie geben dem Zorn der Men­schen Raum – nicht, um ihn zu lin­dern, son­dern um ihn zu len­ken. Die Schuld wird Sün­den­bö­cken zuge­scho­ben, die Ursa­chen ver­ein­facht, und sich selbst insze­nie­ren sie als Ret­ter aus der Not.

Und wie damals ver­fängt die­se Bot­schaft bei vie­len. Wer ent­täuscht ist, wer sich abge­hängt oder über­se­hen fühlt, ist eher bereit, har­tes Durch­grei­fen zu akzep­tie­ren – auch wenn dafür libe­ra­le Wer­te über Bord gewor­fen wer­den. Haupt­sa­che, das Gefühl von Kon­trol­le und „Grö­ße“ kehrt zurück.

Den­noch ist Vor­sicht gebo­ten bei all­zu simp­len Vergleichen. 

Euro­pa heu­te ist nicht das Euro­pa von 1933 – die Demo­kra­tie ist gefes­tig­ter, die Lebens­rea­li­tä­ten sind ande­re. Und doch lohnt der Blick in den his­to­ri­schen Spie­gel, den uns Seri­en wie Baby­lon Ber­lin oder Peaky Blin­ders bieten. 

Er dient als Mah­nung, wie rasch eine offe­ne Gesell­schaft ins Kip­pen gera­ten kann, wenn Kri­sen und Ängs­te sie erschüt­tern. Die gedank­li­che Brü­cke zwi­schen den 1920er/30er-Jah­ren und der Gegen­wart ist kein Gleich­set­zen, aber ein Warn­si­gnal. Die dama­li­gen Seri­en-Cha­rak­te­re ahn­ten oft nicht, wie knapp ihre Welt vor dem Abgrund stand – wir als Zuschau­er wis­sen es im Rückblick bes­ser. Die­se his­to­ri­sche Erfah­rung soll­ten wir in die Gegen­wart mit­neh­men. Die aktu­el­len rech­ten Ten­den­zen in Euro­pa mögen auf demo­kra­ti­schem Wege ent­stan­den sein, doch sie erin­nern uns dar­an, dass Demo­kra­tie kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit ist. Gesell­schaft­li­che Span­nun­gen, wirt­schaft­li­che Not und Iden­ti­täts­kon­flik­te kön­nen – damals wie heu­te – poli­ti­sche Extre­me hervorbringen.

Ich kann mir nicht vor­stel­len, dass ich allei­ne mit sol­chen Gedan­ken bin, wenn ich sol­che Seri­en anschaue. Sie stel­len für mich eine Gele­gen­heit dar, mich in die­se Zeit und die mög­li­che Gefühls­welt der Men­schen von damals hineinzuversetzen.

Die Welt von ges­tern spricht zu uns – lei­se viel­leicht, aber unüber­hör­bar: Bleibt wach­sam. Ver­tei­digt, was euch schützt. Und nehmt den Extre­mis­ten den Nähr­bo­den, bevor dar­aus ein Flä­chen­brand wird. Nein, Geschich­te wie­der­holt sich nicht in Rein­ko­pie. Aber sie reimt sich. Und man­cher Vers, den wir heu­te hören, klingt erschre­ckend vertraut.

Die Seri­en der Zwi­schen­kriegs­zeit hal­ten uns den Spie­gel hin – nicht aus Nost­al­gie, son­dern als Mah­nung. Sie zei­gen, wie schnell aus Gleich­gül­tig­keit Gefahr wird.

Nut­zen wir die­sen Blick zurück, um klü­ger vor­an­zu­ge­hen. Denn es geht längst nicht mehr nur um den Zustand der Demo­kra­tie. Viel­leicht, so war­nen man­che, ste­hen wir am Vor­abend eines tie­fe­ren, exis­ten­zi­el­len Kon­flikts – wenn man jenen Glau­ben schenkt, die Russ­land als auf­er­stan­de­ne, impe­ria­le Zen­tri­fu­ge begrei­fen. Ob Über­trei­bung oder Vor­ah­nung: Die Zei­chen meh­ren sich. Es liegt an uns, dar­aus Kon­se­quen­zen zu zie­hen – ent­schlos­sen, bevor der Preis zu hoch wird.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Kategorie: Gesellschaft

Schlagworte: Europa Nationalismus Zwischenkriegszeit

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