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Ja, Demokratie lebt vom Konflikt – aber

Demokratie braucht Konflikt, doch digitale Plattformen verwandeln Debatte in Dauererregung. Zwischen legitimer Auseinandersetzung und künstlich geschürtem Zorn verschwimmen die Grenzen – mit fatalen Folgen für Vertrauen und Gesprächsfähigkeit.

polarisierung demokratie
polarisierung demokratie

Dass eine Demokratie ohne Streit verkümmert, ist keine neue Erkenntnis. Doch in den vergangenen Jahren ist aus Streit oft ein anderes, aggressiveres Geräusch geworden – eine Kakophonie, die eher spaltet als klärt. Der Soziologe Nils Kumkar nennt das „affektive Polarisierung“. Sie schafft Orientierung, sagt er, weil Konflikte Strukturen erzeugen. Das stimmt. Aber Orientierung allein nützt wenig, wenn sie in Wut getränkt ist.

Kumkar sieht keine tiefen ideologischen Gräben in Deutschland, sondern Kommunikationsmuster, die Auseinandersetzungen verzerren. Er hat recht: Vieles, was uns als „gesellschaftliche Spaltung“ verkauft wird, ist mediale Dramaturgie. Der Ton ist lauter, nicht unbedingt der Inhalt radikaler. Die Öffentlichkeit lebt in einem ständigen Reiz-Reaktions-Zyklus. Und die sozialen – besser: asozialen – Medien sind der Resonanzraum dieser Überhitzung.

Sie haben den demokratischen Streit, der eigentlich zivilisiert und rhythmisch verlaufen müsste, in eine Echtzeit-Arena verwandelt. Jeder Klick ist ein Schlag, jedes Missverständnis ein Funke fürs nächste Feuer. Die Algorithmen lieben Empörung, weil sie Bindung erzeugt. Also wird die Debatte nicht durch Argumente gelenkt, sondern durch die Aufmerksamkeitsökonomie der Plattformen. Der Konflikt wird nicht kultiviert, sondern kommerzialisiert.

Demokratie benötigt Polarisierung, ja – aber sie braucht auch das gemeinsame Feld, auf dem die Pole einander begegnen können. Was wir erleben, ist etwas anderes: eine technische Fragmentierung der Öffentlichkeit. Die neuen Medien geben jedem Lager seine eigene Bühne, seine eigenen Schlagworte, seine eigene Wirklichkeit. Der Streit bleibt, die Verständigung verschwindet.

Vielleicht ist das der entscheidende Unterschied zwischen produktivem Konflikt und zerstörerischer Spaltung: Beim ersten will man gehört werden, beim zweiten nur noch Recht behalten. Demokratie lebt vom Gespräch zwischen Unvereinbarkeiten, nicht von der Auslöschung des Gegenübers.

Kumkars These, dass Polarisierung Orientierung bietet, stimmt also nur, solange diese Orientierung nicht zur ideologischen Einbahnstraße wird. In der digitalen Gegenwart jedoch kippt sie leicht: Wer das Falsche liked, steht schon außerhalb der Zivilisation. Der Diskurs schrumpft auf Teamfarben.

Wir müssten uns fragen, wie wir die demokratische Kraft des Konflikts zurückgewinnen, ohne in Daueraufregung zu verfallen. Vielleicht beginnt es mit einem einfach klingenden, schwer gelebten Satz: Streit ist nicht Krieg.

Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

- alleiniger Autor dieses Blogs -

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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