Warum nutze ich die Google-Suche und nicht eine der vielen Alternativen?

Es spricht vielleicht viel dafür, nicht Google, sondern eine der vielen Alternativen zu nutzen. Die Ergebnisse sind Trumpf, andere Kriterien scheinen eine untergeordnete Bedeutung zu haben. Eine ganze Zeit hindurch habe ich Duckduck.go benutzt. Vor allem aufgrund des damit verbundenen Sicherheitsversprechens. Dass Startpage.de bei Tests sogar noch besser abgeschnitten hat, fand ich nicht wichtig.

Wie wichtig ist es, dass meine Internetsuche anonym bleibt? Wenn ich irgendwas Heikles suche, benutze ich den Opera Browser. Aber wann tue ich das schon? Jedenfalls ist wenigstens dort VPN immer aktiviert.

Meine bevorzugte Suchmaschine ist gefühlt seit Ewigkeiten Google. Es muss eine Frage der Gewohnheit sein. Manchmal glaube ich, dass auch die Suchergebnisse selbst überzeugender sind. Mir kommt es so vor, dass bei größeren Recherchen die Resultate besser sind als die anderer Suchmaschinen. Soviel also zur Subjektivität.

Ich suche ab und zu nach Horst Schulte. Damit betrete ich den schmalen Grat zwischen Eitelkeit und Neugier. Andererseits: Suchmaschinen liefern mitunter auch das, was dem analogen Lauscher an der Wand, der seine eigene Schande gewahr wird, nicht verborgen bleiben muss. Weil Pings in meinem Blog nicht angezeigt werden, kann ich trotzdem schauen, was da los ist … Dafür nutze ich üblicherweise die Google Search Console.

Bei der Art von Blogs wie meiner einer ist, ist die Anzahl von Backlinks überschaubar. Blogger, die hauptsächlich über Tages-, Gesellschafts- oder Medienereignisse schreiben, erhalten kaum Backlinks. Die, die das schaffen, sind qualitativ hochwertig und verfügen deshalb über eine große Reichweite. Dafür müssen sie sich jedoch zunächst einmal etablieren und das dauert. Es gibt tolle politische Blogs, auch mit mehreren Autoren, die trotz guter Inhalte (noch) nicht über große Reichweiten verfügen. Jedenfalls, soweit ich das beurteilen kann.

Ich habe mich ausdrücklich dagegen entschieden, in den asozialen Netzwerken präsent zu sein. Es hat nach meinen Erfahrungen auch überhaupt nichts gebracht, Blogartikel dort zu posten. So gesehen habe ich konsequenterweise nach kurzer Zeit die beiden noch verbliebenen Share-Buttons rausgeschmissen. Jetzt sind sie wieder drin. Sinnvoll ist das aus meiner Sicht aber nicht. Besser gesagt, es bringt null Komma nichts.

Ich wundere mich, wie unterschiedlich die Such-Ergebnisse der einzelnen Suchmaschinen aussehen. Nicht nur die Positionen, sondern auch die Art der Darstellung der Ergebnisse weichen ab. Außerdem finde ich meine Beiträge bei Bing viel schneller als bei Google. Die Indexierung läuft nach unterschiedlichen Mustern. Bei Google dauert das mitunter 3 Tage, während Bing sie mitunter am selben Tag schon in den Suchresultaten anzeigt. Was auf Bing zutrifft, gilt auch für DuckDuck.go. Fast hätte ich Google Analytics reaktiviert, indem ich der Empfehlung von Google Search Console gefolgt wäre.

Ich weiß, dass viele sich angeblich für diese Dinge überhaupt nicht interessieren. Ich schreib trotzdem darüber, weil mich das erstens interessiert und zweitens, weil es für mich zum Bloggen irgendwie dazu gehört.

Ich beabsichtige nicht, aus meinem Blog ein kommerzielles Projekt zu machen. Aber ich möchte schon gern wenigstens halbwegs kapieren, wie diese Algorithmen, die unser Leben so krass beeinflussen, für so einen kleines Teilchen wie ein Blog funktionieren. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch andere BloggerInnen interessiert, die allerdings auch keinen Bock darauf haben, sich die Abhandlungen von irgendwelchen SEO-Fritzen zu lesen, die sie dann am Ende – wie ich – nicht verstanden haben.

Afghanistan: Bisherige Abschiebungspraxis in Deutschland

Die Abschiebepraxis der letzten Jahre für Afghanistan war gestern auch Thema bei “Markus Lanz”. Ich fand es interessant, dass Robin Alexander, einer der meiner Meinung nach bestinformiertesten Journalisten des Landes, an diesem Punkt nicht ganz auf der Höhe war. Er hat dies heute in einem Tweet anhand der Informationen von Pro Asyl dankenswerterweise klargestellt.

Die, je nach Bundesland, unterschiedliche Handhabung der Abschiebungen in das Land könnte man skandalös nennen. Das passiert aber nicht – wohl, weil wiederum keine schlafenden Hunde geweckt werden sollten.

Um meinen Standpunkt dazu ganz klar zu sagen: Ich finde, Gefährder und Straftäter sind auszuweisen. Auch jetzt, nachdem die Taliban das Land unter ihre Kontrolle gebracht haben! Dass man Afghanen abschiebt, weil sie schwarzgefahren sind, ist allerdings ebenso lächerlich wie die Ausweisung von Menschen, die juristisch als Identitätsverweigerer bezeichnet werden. An dieser Stelle werden doch wohl hoffentlich noch eindeutige Kriterien festzulegen sein?!

Wenn unsere Behörden es nicht fertigbringen, schon bei der Ankunft von Geflüchteten diese wichtigen Fragen zu regeln bzw. keine korrekte Antwort auf die Frage nach der Herkunft gegeben wird, muss direkt abgeschoben werden, ein Asyl-Verfahren kann nicht erfolgen, weil die- oder derjenige später aufgrund der fehlenden Angaben nicht mehr abgeschoben werden können. Wer kein Herkunftsland angibt, hat im Grund einen Aufenthaltstitel in der Tasche. Das ist nicht in Ordnung.

Dass dieses Paradoxon immer noch besteht, zeigt nur, wie feige Politiker und Juristen bei diesen Fragen sind.

Und jetzt zu der aktuellen Situation. Ich bin dafür, dass wir alle “Ortskräfte” und ihre Familien nach Deutschland holen. Die Politik hat die Verpflichtung der Öffentlichkeit eine Zahl von Menschen zu nennen, für die diese Regelung gelten soll. Für mich wäre es in Ordnung, wenn die Zahl nicht 2.000, nicht 20.000, sondern 50.000 lauten würde. Klar muss allerdings sein, dass alles dafür getan wird, dass diese Regelung nicht wieder dazu führt, dass immer mehr Menschen aus Afghanistan in Richtung Europa aufbrechen.

Nach den Informationen, die wir aus Afghanistan hören (geschlossene und überwachte Grenzübergänge) ist das unter den momentanen Bedingungen auch nicht zu erwarten. Ein Sprecher der Taliban hatte Journalisten gesagt, dass sie keine BürgerInnen ausreisen lassen würden, weil sie diese Menschen zum Aufbau des Landes brauchen würden. Nun mag man solche Aussagen grundsätzlich mit einigem Recht infrage stellen können. Aber die Situation ist nicht vergleichbar mit der 2015. Insofern ist die Aussage, die vor allem von Unionspolitikern ständig wiederholt wurde: “2015 darf sich nicht wiederholen” ausgemachter Unsinn und dient nur dazu, die ganz rechten Unionswähler doch noch an die Urne zu locken.

Ich würde zu gern wissen, welchen Grund die Verzögerungstaktik der deutschen Regierung hatte, sich nicht rechtzeitig um die Evakuierung der Ortskräfte oder besonders gefährdeter Personen zu kümmern, sondern die notwendigen Maßnahmen auf so schändliche Art und Weise auf die lange Bank zu schieben. War es nicht doch die Sorge, Stimmenverluste bei den Wahlen zu riskieren, wenn man menschlich gehandelt und Menschenleben gerettet hätte?

Oder war es diese der deutschen Politik häufig nachgesagte Bräsig – und Verantwortungslosigkeit, die den Verantwortlichen ihr ihren Rest von Menschlichkeit genommen hat?

Ein dritter Grund käme noch infrage. Glaubte die Regierung etwa, dass sie mit diesem Verhalten im Land einfach so durchkäme? Haben die Amis und die anderen das auch so gesehen? Was ist mit uns los? War den Verantwortlichen das Schicksal der betroffenen Menschen etwa so gleichgültig, dass sie nicht einmal glaubten, es könnte zu einer gewaltigen öffentlichen Empörung kommen? Wie blöd kann man sein? Und dieser Kurz, der ständig in die Mikros labert, Österreich werde keine Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen, scheint auch bei uns im Land immer mehr Freunde zu gewinnen. Das wiederum spricht zumindest dafür, dass die Sorge unserer Politiker doch nicht ganz unbegründet war.

Ganz vielen Leuten (Twitter, Insta und der ganze Rotz) in Deutschland geht das Schicksal der Menschen, die unsere Bundeswehr und andere offizielle Stellen Deutschlands in Afghanistan jahrelang unterstützt haben, nicht nahe. Sie äußern sich allgemein besorgt (will nicht schon wieder ausfallend werden!), egoistisch und haben insofern ja doch die Erwartungen unserer Regierung in dieser Hinsicht erfüllt.

Morgengrau: “Bewährtes” aus der Mottenkiste der Konservativen

Wenn Konservative die “Roten Socken” bemühen, ist das frech. Im Wahlkampf gibt es für so was keine Kategorie! Niveau ist immer das, was die anderen nicht haben.

Kaum einen wird es nach Rezos Video wundern, dass CDU und CSU sich ganz schrecklich davor fürchten, bald auf der Ersatzbank zu sitzen (war’n Witz!).

Ob die ausgesessene Weisung des Bundesverfassungsgerichtes, die Zahl der Mandate für den Bundestag auf ein Normalmaß abzusenken, keinen Ausgleich schaffen könnte? Nee, kann sie wohl nicht. So wird u.U. manch eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter der bisher größten Fraktion kalte Füße bekommen.

Es gehört zu ihrer DNA, dass die Konservativen gern auf Altbewährtes zurückgreifen. Die Betonung liegt auf alt. Außerdem tun sie das allein schon deshalb, weil ihnen per definitionem nichts Neues einfallen kann. Ja, sonst wären sie ja nicht konservativ.

Dass sich unter denen, die sich mit dem Label “Konservativ” schmücken, häufig auch solche finden, die einen oder gleich mehrere Doktortitel besitzen, und dennoch den Fehler machen, die Wähler für blöd zu verkaufen, ist für mich nicht zu verstehen. Ich messe Titeln, deren Inhabern bisher (aus Altergründen?) noch nicht von Plagiatsjägern erwischt wurden, vermutlich nur aus Gründen meiner persönlichen Sozialisierung so viel Bedeutung zu. Wie nennen die Quertreiber oder AfDler die Betroffenen, also Leute wie mich, doch gleich? Schlafschafe oder so. Wir lassen sich uns von der Elite oder jeder vermeintlich höheren Instanz einfach alles erzählen…

Schließlich gibts da noch Twitter und Insta. Man ist informiert und trifft autonome, vor allem anonyme Entscheidungen. Warum kleben die Parteien eigentlich immer noch Wahlplakate? Das ist so was von retro.

Forsa hatte am letzten Sonntag als erstes Meinungsforschungsinstitut die SPD mit 23 % einen Punkt vor der Union (22 %) gesehen. Da reiben sich ganz viele die Augen. Konservative und Liberale malen sich (eigentlich eher doch uns!) prompt aus, wie furchtbar alles wird, wenn im Herbst die rot/grüne oder gar eine rot/rot/grüne Republik aufzieht. Emnid hat heute das Kopf-an-Kopf-Rennen der aktuellen Koalitionspartner bestätigt. Beide (Union und SPD) haben gerade jetzt 23 %. Die Grünen werden weiter mit 18 % notiert.

UPDATE: 2.9.2021
Das war also gefickt eingeschädelt…

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Für die Demokratie wäre es von Nutzen, wenn die Erfinder der Lüge, “Deutschland geht es gut”, vier Jahre (mit der Option einer Verlängerung) Oppositionspolitik machen dürften.

Dieser Scheiß-Slogan ist in meinen Augen eine Verhöhnung vieler Menschen in Deutschland, seit er zum ersten Mal im CDU/CSU-Wahlkampf benutzt wurde. Vieles ist nämlich überhaupt nicht gut in unserem Land.

Aber die soziale Schieflage verschlimmert sich immer weiter. Welcher Grad an Verzweiflung in vielen Familien, bei Alleinerziehenden existiert, die – wenn überhaupt – ihre Chance höchstens in prekärer Beschäftigung finden, interessiert die da oben scheinbar nicht. Sie negieren die Sorgen der Menschen, in dem sie diesen dämlichen Slogan immer wieder bemühen. Alle, die das mit wachen Augen sehen, machen sich Gedanken darüber, wie es um ihre Zukunft angesichts der großen Herausforderungen bestellt ist. Abstiegsangst ist nichts Abstraktes, sie wird immer konkreter je weniger Politik Antworten oder wenigstens Ansätze dafür liefert.

Weder die Union in ihrer Gesamtheit (daran ändert auch das Feigenblatt CDA nichts) noch die Liberalen und schon gar nicht die ohnehin von jedweder Regierungsbildung ausgeschlossene AfD, bieten den Leuten etwas an, die sich vor Veränderungen fürchten oder sich von den prognostizierten Umbrüchen angesprochen fühlen.

Bis zum Wahltermin wird sich die Lage nicht auf diesem Level halten.

Ich erwarte, dass sich, zwar nicht in vollem Umfang aber dennoch deutlich, die alten Abstände wieder einstellen werden. Die Grünen werden bis dahin noch zweitstärkste Kraft, die SPD landet dahinter. Der zu erwartende langwierige Prozess einer Regierungsbildung gebiert schlussendlich die Koalition von Union, SPD und FDP.

Dazu müssen die Themen, die uns aktuell so stark beschäftigen, wie nichts, was seit dem 2. Weltkrieg passiert ist, vernünftig angepackt und in Angriff genommen werden.

Das Schlimme ist für mich, dass fast ALLES so wirkt, als existiere in Berlin nicht einmal ein Problembewusstsein, viel weniger Erfolg versprechende Programme und Konzepte zur Bewältigung derselben.

ARD-Sommerinterview Baerbock: Wer zu spät interviewt wird, den bestraft das Thema

Im Vergleich zu den Abschlussfragen der ARD-Interviews mit Laschet und Scholz war diejenige, die an Baerbock gerichtet wurde, schon eher eine Provokation. Sie ging aber nicht nur an die Adresse der Kandidatin. Übersehen wird allerdings, dass das Laschet – Sommerinterview zu einer ganz anderen Zeit stattfand. Dabei liegt auch dieses erst 1 1/2 Monate zurück.

Spontan empfand ich die Frage an Baerbock als unfair.

Die Schlussfragen an die beiden anderen Kanzlerkandidaten waren im Vergleich echt harmlos. Hassels Frage an Baerbock war dafür im höchsten Maße politisch. Von einer sexistischen Doppelmoral weiß ich nichts. Jedenfalls habe ich sie nicht entdeckt.

Im Nachhinein kann man die Frage stellen, weshalb bei Baerbock dieser Maßstab angelegt wurde. Womöglich, weil er gewissermaßen selbst gewählt war?

Laschet könnte die Union um die Chance bringen, erneut eine Regierung zu führen. Er könnte zum großen Verlierer werden, sollte die Union in die Opposition müssen. Die Gestaltungsmöglichkeiten wären für eine Legislatur mindestens auf null gestellt. Man hätte Laschet fragen können, wie er es den lieben Kleinen, also seinen Kindern erklären würde, wenn das Gestaltungsfeld, samt der Pfründe, den Kommunisten überlassen würde.

Zum Zeitpunkt des Interviews war die Lage für die Union allerdings noch eine völlig andere.

Alle Institute meldeten noch knapp 30 %, während die SPD noch immer bei 15 – 16 % lag. Die Grünen waren zu diesem Zeitpunkt schon deutlich abgestürzt – sie hatte Werte von um die 20 %.

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Ich sehe in der Hassel-Frage keine sexistische Doppelmoral, wie sie Campact im Tweet attestierte, sondern ich betrachte sie als die Folge einer stark moralisierenden und ausgrenzenden Debatte, die Grüne und FFF in sehr selbstgerechter Art führen.

Die Frage ist knallhart. Hätte Baerbock nicht diese Fehler gemacht, hätte es etwas werden können. Diese Verantwortung muss sie tragen. Die Frage nach einer persönlichen Verantwortung hätte jedem der Kandidaten gestellt werden können. Und das ist passiert. Nur nicht an einer so kritischen Stelle der Interviews. Und zu einem anderen Zeitpunkt.

Dazu kommt, dass die am Ende des Baerbock-Interviews erzeugte Brisanz, wahltechnisch gesehen, vermutlich noch einmal eine negative Wirkung auf die Umfrageergebnisse haben könnte. Wieder entsteht der Eindruck, dass die Grüne Blase mit Kritik nicht umgehen kann. Insofern ist die Aufregung um Hassels schon etwas infame Frage kontraproduktiv.

Außerdem schließe ich mich der Frage bzw. dem Vorwurf an, die in einem Tweet geäußert wurde: Hassel wird Baerbock doch nicht mit der Hysterie überrumpelt haben, die die Grünen anfänglich erst in diese Umfragesphären katapultiert haben?

Der Rat der Strategen sollte sein: Seid mal nicht so empfindlich. Schließlich teilen Grüne und FFF in heftiger Manier aus, wenn jemand eine abweichende oder unliebsame Meinungen äußert. Man hätte es umdrehen können. Denn das Interview sollte all denen vorgehalten werden, die gern behaupten, dass ARD und ZDF links grün-versifft seien.


Ein Lebenslauf als #Hauptschüler

Heute trendet der Hashtag #Hauptschulabschluss zeitweise an der Top-Position. Dieser Trigger saß, die Beiträge gestalten sich wie erwartet.

Dein Auftritt, Horst!

Mein Hauptschulabschluss liegt lange (über 50) Jahre zurück. Mit Weiterbildung hatte ich nie etwas am Hut. Ich bin es nie richtig angegangen, Englisch zu lernen. Trotzdem habe ich einen der Berufe ergriffen, für die ich mich damals interessiert habe. Der eine war Chemielaborant, der andere Industriekaufmann. Der Berufsberater hatte meinem Freund empfohlen, Industriekaufmann zu lernen, ich sollte Schriftsetzer werden. Wir hielten es exakt umgekehrt. Er war glücklich in seinem Beruf, ich auch.

Über die vielen Jahre (ich habe insgesamt 47 Berufsjahre auf dem Buckel) hat mir meine Wahl nie leid getan. Zuerst war ich Lehrling. Lehrjahre wären keine Herrenjahre, hatte man mir eingebläut. Ich habs beherzigt und alles gemacht, was man als Stift so zu tun hatte. Sogar Mitglied der Gewerkschaft wurde ich, weil es mir damals irgendeiner aus dem Betriebsrat empfohlen hatte. Ich war während meiner Lehre glücklich, wenn ich arbeiten gehen konnte. Auf die Berufsschule hätte ich verzichten können. Das war kein Unterschied zur Hauptschule. Was wollten die nur alle von mir. Es war nicht das Lernen, was mir nicht gefiel, sondern alles, was irgendwie auch nur im Entferntesten mit Prüfungen zu tun hatte, also auch Klassenarbeiten. In der Schule war ich immer einer der Stillsten, was mir den Ruf einbrachte, während des Unterrichts nicht wirklich mitzuarbeiten.

Das hat sich auch während meiner Lehre nicht verändert. Wahrscheinlich war es mangelndes Selbstvertrauen, das mich dazu brachte, mich zurückzuhalten. Die Bremse löste sich erst in den folgenden Jahren. Mit 14 begann nicht nur meine Lehre, ich trat zusammen mit meinem besten Freund in die freiwillige Feuerwehr unseres Städtchens ein. Das Tolle war, dass eine Reihe von Klassenkameraden aus der Schulzeit bereits dabei waren. Das erfuhr ich erst, als wir unseren ersten “Dienstabend” hatten. Die Freundschaften wurden intensiver und halten zum Teil bis heute.

Ich war – sicher wegen meiner Lehre als Kaufmann – zum Schriftführer unserer Jugendfeuerwehr gewählt worden. Jeder macht in so einer Gruppe das, was er am besten kann. Am Ende dieser wunderbaren und lehrreichen Zeit übernahm ich ein Amt, für das mich der Leiter unserer Jugendfeuerwehr vorgeschlagen hatte. Ich wurde mit 17 Geschäftsführer der Jugendfeuerwehren unseres Kreises. Das war viel Arbeit. Ich erinnere mich gut, als ich meine erste Rede (so etwas wie einen Rechenschaftsbericht) vor allen versammelten Jugendfeuerwehrleuten halten musste. Ich dachte, man könnte meinen Herzschlag durch das Mikrofon im ganzen Saal hören. Solche Erfahrungen tun dem Selbstvertrauen gut. Vor allem jedoch, wenn man spürt, dass man innerhalb einer Gruppe anerkannt und geachtet wird.

Nach meiner Lehre habe ich noch vier weitere Jahre in meinem Ausbildungsbetrieb gearbeitet. Dieser war einer von wenigen größeren Industriebetrieben in meiner Heimatstadt. Ich konnte zum Mittagessen mit dem Rad nach Hause fahren. Es war komfortabel. Das endete mit meinem Wechsel in die “große Stadt”. Ab 1977, ich war schon ein Jahr verheiratet, arbeitete ich in Köln, später in Frechen. Das waren leichte, unbeschwerte Jahre, in denen ich als Sachbearbeiter in den jeweiligen Verkaufsabteilungen beschäftigt war.

Im Laufe der Zeit bekam ich mehr Verantwortung übertragen. Ich weiß es noch wie gestern. Am 30.04.1979 beförderte mich mein Chef zum Vertriebsinnendienstleiter. Wir waren mit Freunden zum 1. Mai verabredet. Es war wunderbares Wetter und überhaupt eine der tollsten Nächte. In den 1980-er Jahren wurde ich zum Handlungsbevollmächtigten ernannt. Einige Jahre später erhielt ich Prokura. Ich habe viel gearbeitet und trug große Verantwortung. Am Ende der 80-er Jahre musste ich meinen Schweizurlaub unterbrechen und für eine Besprechung nach Köln fliegen. Das klingt wichtig. Es war aber eine der furchtbarsten Erfahrungen meines Arbeitslebens. Die Geschäftsleitung hatte mich damit beauftragt, die Kolleginnen und Kollegen zu benennen, die aufgrund der veränderten Wirtschaftslage (Wiedervereinigung – Berlinförderung) gekündigt werden mussten. Es ging um Leute, mit denen ich gut und freundschaftlich zusammengearbeitet hatte. Ich war gezwungen, die Kündigungen auszusprechen. Am selben Abend flog ich in den Urlaub zurück. Das war kein Urlaub, überhaupt der Schlimmste an den ich mich erinnere.

Mitte der 1990-er Jahre wechselte ich das Unternehmen. Ich war Innendienstleiter. Später erhielt ich wiederum Handlungsvollmacht. Auch in dieser Firma habe ich mich von Anfang an sehr wohlgefühlt. Ich hatte mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als zuvor. Unser Verhältnis war von Anfang an richtig gut. Auch meine Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung war toll. Ich habe während der Anfangszeit ein Kundenserviceprogramm (Access – Basis) entwickelt und im Unternehmen implementiert. Das war eine grandiose Erfahrung für mich. Man hat davon gehört, dass Veränderungen nicht unbedingt zu den beliebtesten Dingen gehören, mit denen sich MitarbeiterInnen auseinandersetzen. In diesem Fall war das ganz anders. Ich beteiligte meine MitarbeiterInnen an der Entwicklung. So war es möglich, mit dieser Maßnahme ein ganz neues und bei allen KollegInnen äußerst beliebtes Instrument zur Kundenbindung zu etablieren, auf das ich heute noch richtig stolz bin. Außendienst, Kundendienst und der Vertriebsinnendienst haben profitiert.

Der Konzern, zu dem die Firma gehörte, hat das Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Ich war inzwischen fast Mitte 50 und froh, dass ich weiterbeschäftigt wurde. Die Tatsache, dass das Unternehmen etwa 150 km entfernt ansässig war, nahm ich in Kauf. Ich hatte keine andere Wahl. Die einzige mögliche Alternative war entfernungstechnisch nicht günstiger. Dort geriet meine persönliche und berufliche Entwicklung ins Schwanken.

Dabei waren die Voraussetzungen positiv. Mit meinem neuen Chef hatte ich vorher schon erfolgreich zusammengearbeitet. Wir mochten uns. Er schuf – extra für mich – eine neue Position im Vertrieb. Ich war einfach nur dankbar und übersah dabei, dass dieses Tätigkeitsfeld genau dasjenige war, das ich unter anderen Umständen nie angestrebt hätte. Als “Sales Analyst” hatte ich ausschließlich mit Zahlen zu tun. Den Job eines Controllers hatte ich zu anderen Zeiten immer abgelehnt, obwohl es mehrere Angebote gegeben hatte. Das lag u.a. an meinen ausgezeichneten Kenntnissen einschlägiger Programme. Zudem lag das Vertriebscontrolling in meinem Zuständigkeitsbereich als Innendienstleiter.

Nichts ist beständiger als der Wechsel. Der Personalwechsel in den Führungspositionen des Unternehmens war sehr beständig. Ich habe während meiner Zeit mindestens sieben Vorstandschefs erlebt. In insgesamt nicht einmal zehn Jahren! Mit jedem habe ich mich arrangiert und irgendwie auch zusammengerauft, wenn man das so sagen kann. Auch mein direkter Vorgesetzter wechselte. Mit ihm hatte ich eine wirklich harte Nuss vor der Brust. Wir waren uns von Anfang an nicht sympathisch. Das ist keine gute Voraussetzung. Ich musste durchhalten und habs mehr oder weniger hinbekommen. Aber ich konnte nicht das realisieren, was ich mir für meinen Abschied aus dem Berufsleben vorgenommen hatte. Ich wollte als anerkannter Mitarbeiter, sozusagen hocherhobenen Hauptes, das Unternehmen verlassen. Es ist mir nicht gelungen. Wohl vor allem deshalb, weil in den letzten Jahren jede Motivation verloren ging. Während der letzten Jahre erhielt ich keine Gehaltserhöhung. Danach gefragt habe ich allerdings auch nie. Ich war es nicht gewohnt, um mehr Geld zu bitten. Klingt blöd, war aber immer so. Ich kann sagen, dass ich nie schlecht verdient habe. Ich fühlte mich wie irgendwas zwischen Baum und Borke.

Mein letzter Chef, der übrigens von dem Vorstandschef rausgeschmissen wurde, der dann später mit mir immer auf Englisch reden wollte und der inzwischen auch woanders ist, hielt mir mal einen Vortrag darüber, dass ich zu viel Geld verdienen würde. Also nicht etwa deshalb, weil ich ihn um mehr Geld gebeten hätte, sondern weil ihm gerade so danach war und wir vermutlich eine unserer zahlreichen Differenzen ausgetragen hatten. Er erklärte mir, dass er für einen wie mich, drei Leute holen könnte, die frisch von der Universität kämen. Er selbst hatte – natürlich – Abi und Betriebswirtschaft studiert. Da schließt sich der Kreis.

In meinem Kolleg-Innenkreis war ich der einzige mit Hauptschulabschluss. Es gab während der Jahre nie irgendein Problem oder einen komischen Zungenschlag. Wir haben gut zusammengearbeitet und uns wertgeschätzt. Ausnahmen gibts halt immer. Doof, wenn das gerade der Chef ist.

Ja, die Zeiten sind andere, nicht zu vergleichen mit meiner Zeit. Insofern also jetzt die Frage: Was ist die Moral dieser Geschichte?

Ihr, da mit Hauptschulabschluss! Seid selbstbewusst und bringt euch ein. Macht mit, zieht euch nicht zurück, wenn es mal Gegenwind gibt. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe zuletzt leider einiges falsch gemacht.

Durchgedenglichtes Politik – Allgemeinwissen á la Rezo

Nun, der Grad an Verzweiflung über die deutsche Politikkaste, den doch mehr teilen, als ich es vermutet hatte, lässt sich noch steigern. Dazu muss man sich Rezos neues “Zerstörungsvideo” anschauen. Alles wahr, nichts ist gelogen. Begegnet ist mir das alles schon mal und wenn es manchmal auch nur – ich sag mal – im Umfeld seriöser Nachrichten war.

An der einen oder anderen Stelle hat er vielleicht etwas übertrieben. Die Beschäftigung mit dem Video lohnt nicht. Dabei ist noch ein zweiter Teil angekündigt. Im ersten Video bekommen Laschet und Klöckner ihr Fett weg. In deren Haut möchte man nicht stecken. Einerseits haben sie das verdient, andererseits kriege ich so schnell Mitleid, wenn ich die Details so gerafft um die Ohren gehauen bekomme. Sicher, das ist keine Empathie, sondern eher meiner Gefühlsduseligkeit geschuldet. Die armen PolitikerInnen…

Alle, die Politik verfolgen, werden nichts Neues gefunden haben.

Was mich also mehr beunruhigt, als unser marodes Politsystem, ist diese bescheuerte durchgedenglischte Jugendsprache, mit der Rezo seine Zuschauerinnen traktiert. Das geht mir noch mehr an die Nerven, als die bekloppte Gendersprache, derer ich mich hier ja leider mitunter auch befleißige.

Immerhin, Union und SPD liegen nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA von heute bei 22 %. Beide! Die Grünen erreichen nur noch 17 %. Die AfD, so ein Mist!, hat jetzt 12 %. Da steckt an mancher Stelle noch Luft nach oben. Oder unten. Je nachdem, von wo aus man schaut.

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Ob es wirklich nur die “Genossen” waren, die INSA nicht für seriös hielten? Na, egal. Im Grund liegen die Zahlen mit einer Ausnahme im Trend. Für mich darfs so weitergehen.

Geht Demokratie nicht auch ohne Parteien?

Demokratie geht ohne Parteien? Das habe ich mal gelesen. Sollten etwa Bewegungen Parteien ersetzen? Spricht der Grad der Individualisierung unserer Gesellschaften nicht eindeutig dagegen? Sind Volksparteien, die die Interessen möglichst vieler Menschen bündeln, nicht der weitaus praktikablere Weg, um den Herausforderungen (auch für die Demokratie selbst) gerecht zu werden?

Wie könnte eine Demokratie funktionieren – so ganz ohne Parteien? Gibt es dafür auch nur ein Beispiel? Dass viele in der Bevölkerung so unzufrieden sind, hat in erster Linie wohl damit zu tun, dass das politische Personal anders ist als wir es uns wünschten.

Kluge, ehrliche und integre Leute, die nicht bloß für ihre eigenen Positionen einstehen, sondern nachweislich auch für die der Menschen, die sie vertreten möchten. An ihren Standpunkten könnte man sich orientieren und entscheiden, welche Kandidaten sie oder er unterstützen möchten. So hätte ich nichts dagegen, dass diese Abgeordneten sich in Parteien zusammenschließen, um Mehrheiten organisieren zu können und organisatorische Dinge zu regeln.

Solche Menschen gibt es. Da bin ich mir sicher. Wenn da nur nicht die anderen wären, die meine Favoriten ganz anders beurteilen werden. Inzwischen glaube ich, dass es buchstäblich keine Person mehr gibt, die vor den Augen einer überkritisch gewordenen Öffentlichkeit noch bestehen würde. Man müsste einfach nur lange genug graben. Unterstützt werden “Recherchen” dieser Art erfahrungsgemäß mit maximalem Eifer durch die asozialen Medien und oft genug durch Journalisten.

Ernsthaft jetzt: Welches Mitglied der aktuellen Bundesregierung hätte kein Heer an Gegnern gegen sich, würde es eine entsprechende Nachfrage geben? Sollte uns das nicht zu denken geben? Man findet bei jeder und jedem irgendwas, wenn man nur lange genug sucht. Notfalls setzt man Plagiatsjäger ein. Der Ehrverlust ist im Erfolgsfall maximal. Es scheint, dass Politiker auf diese Art am effektivsten “aus dem Amt zu putschen” sind.

Im Finden und Ausbeuten ist diese Öffentlichkeit generell inzwischen beinahe perfekt. Auch wenn sie ebenso schnell wieder vergisst, was sie gerade noch über die Maßen empört hat.

Die parlamentarische Demokratie muss sich erneuern. Wir sind an dem Punkt angelangt, an dem es dringend wird, über mehr plebiszitäre Elemente in dieser Demokratie zu entscheiden. Ich kenne viele der Gegenargumente, möchte aber dagegen halten, dass der direkte (auch im Sinne von zügig) Einfluss der Bevölkerung auf die Parlamente der Demokratie insgesamt nur guttun könnte.

Es hat für mich wenig mit Populismus zu tun, wenn die Stimmung in der Bevölkerung schneller und direkter die gewählten Abgeordneten erreicht. Wir klagen heute recht darüber, dass “die da oben” die Lebensbedingungen ihrer WählerInnen nicht mehr kennen. Nicht nur das würde sich ändern, wenn es mehr Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungen gäbe. Die Rückkopplung zwischen Abgeordneten und den BürgerInnen ihrer Wahlbezirke funktioniert doch heute kaum, auch wenn es bundesweit vielleicht ein paar Ausnahmen gibt.

Achterbahn der Umfragewerte

Der Wahlkampf treibt seltsame Blüten in Form von Umfragewerten. Auch das zeigt, dass wir uns in diesem Land auf gar nichts mehr verlassen können.

Am selben Tag meldet Allensbach für die Union 27,5 %, sieht die SPD immerhin auch bei 19,5 % und Infratest Dimap gibt der Union 23 % und der SPD 21 %. So große Unterschiede zwischen den Umfragen einzelner Institute sollten so kurz vor den Wahlen nicht vorhanden sein. Ich weiß nicht, ob das früher ™ anders war. Die Methoden der Institute sollten angesichts der Fortschritte in der Wissenschaft ausgereift sein. Das ist Quatsch.

Wäre dem so, hätten wir neue Indizes zur Bemessung der Bedrohungslage durch Corona. Aber alle arbeiten immer noch entlang der Inzidenzwerte. Dass die Zahl der Krankenhauseinweisungen und der Intensivbettenbelegung erwähnt wird, darf nicht davon ablenken, dass die Verantwortlichen bisher nicht in der Lage waren, die Daten so aufzubereiten, dass wir damit etwas anfangen können. Für mich läuft vieles so, dass ich mich an den Herbst des letzten Jahres erinnert fühle.

Der Abstand zwischen Union und SPD wird sich aus meiner Sicht verringern, weil die Leute die “Leistung” von Außenminister Maas in der Afghanistan – Angelegenheit gewiss noch würdigen werden. Dieses Versagen wird die SPD Stimmen kosten. Es wäre richtig gewesen, wenn der Mann angesichts der Versäumnisse zurückgetreten wäre. Aber wer in diesem Kabinett würde das schon tun?

Ich las kürzlich von der Ruhmestat des RKI. Angeblich sollen die Statistiken 5 Millionen weniger Erstgeimpfte ausweisen. Was ist in diesem Land eigentlich nicht möglich?

Gut, dazu fallen mir auch gleich ein paar Dinge ein:

  • Budgets einhalten
  • Fristen einhalten
  • Versprechen einhalten
  • Korruption vermeiden.

Das galt mal als pure Selbstverständlichkeit. Inzwischen, so muss ich es leider sagen, ist das Gegenteil davon die Regel.

Der Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak, scheint sehr nervös zu sein. Ich denke mal, dass die volatilen Umfragewerte der Union ihren Anteil daran haben. Er empfiehlt heute via Twitter, die WählerInnen sollten nicht FDP wählen. Sonst könnten Esken und Kühnert am Kabinettstisch aufschlagen. Wenn der oberste Wahlkampfstratege, der der Generalsekretär doch für gewöhnlich ist, solche wirren Aussagen in die Öffentlichkeit bringt und den bevorzugten Koalitionspartner so düpiert, muss es um seine Contenance wohl schlecht bestellt sein.

Die Grünen liegen in den beiden Umfragen bei 19 % bzw. 17 %. Das sorgt dort ebenfalls nicht gerade für Begeisterung.

Ich bin sehr überrascht, wie sehr sich die Popularitätswerte der Kanzlerkandidaten zugunsten von Olaf Scholz verschoben haben. Weiß der Teufel, was die Leute zu diesem Meinungsumschwung veranlasst haben könnte. Vermutlich liegt es an der (natürlichen) Zurückhaltung, mit der Olaf Scholz in diesen irren Zeiten punkten kann. (“CumEx, was wolle.” Quelle: ZDF Heute Show). Er äußert sich nach meinem Empfinden viel weniger und wenn doch viel zurückgenommener als die im Vergleich eher exaltierten Persönlichkeiten der beiden anderen Parteien.

Heute kam raus, dass Franziska Giffey in eine neue Plagiatsaffäre verstrickt ist. Diesmal gehts um ihre Magisterarbeit. Die Berliner Blase schafft es vermutlich dank des doch eigentlich so sympathischen Sprachwissenschaftlers Anatol Stefanowitsch, dass Giffey ihre Kandidatur als Berliner Bürgermeisterin noch zurückziehen muss. Übrigens wusste ich gar nicht, dass Stefanowitsch, den ich immer für gut ausgelastet hielt, noch Zeit für die Plagiat-Jagd übrig hat. Seit heute mag ich ihn nicht mehr. Wer sich als Plagiatsjäger verdingt, ist mir von Haus aus unsympathisch. Denunzianten haben wir schon genug.

Die großen Unterschiede in den Umfragen machen mir auch Sorgen im Hinblick auf den ziemlich statischen Wert der AfD (10 bis 12 %). Hoffentlich erweisen sich die Messmethoden für diese Partei nicht wieder als ungeeignet. Schließlich könnten Anhänger der Nationalisten und Ausländerfeinde bei Umfragen auf die Nebelkerzen zurückgreifen, die sie und ihre Führung schließlich aus dem Effeff beherrschen. Inwieweit die Korruptionsaffären, in die die Führung der AfD verwickelt ist, eine Rolle bei den Werten spielt, bleibt vorerst abzuwarten.

Ich glaube, es gab seit Jahrzehnten nicht mehr so viele theoretischen Koalitionskonstellationen. Das ist aus demokratischen Gesichtspunkten sicher positiv. Nur zeigt das leider auch, wie unentschieden, ja zerrissen die Gesellschaft angesichts einer Regierung und ihren Alternativen ist, die so gut wie nichts gebacken bekommt.

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Eine Welt voller Narzissten? Volldröhnen, randalieren, genannt: Party machen.

Etwas zu häufig hören wir in letzter Zeit von jungen Leuten (auch Jugendlichen), die randalieren, sich zusammenrotten (per WhatsApp oder anderen sozialen Netzwerken), um Rettungskräfte und Polizisten anzugreifen.

Dass dabei manchmal äußerst brutal vorgegangen wird, erfährt in den Medienberichten über solche Sachen weniger Beachtung. Im Vordergrund steht verständlicherweise das Phänomen als solches.

Zuletzt haben sich in Düsseldorf 200 (die Rheinische Post sprach von Hunderten) Jugendliche getroffen, um sich in einer Art Straßenkrieg mit der Polizei anzulegen. Es kam innerhalb kurzer Zeit zur Eskalation. Ein Mann war auf der Straße gestürzt und benötigte ärztliche Hilfe. Die Besatzung des Rettungswagens wurde von Jugendlichen daran gehindert, diese Hilfe zu leisten.

Die Polizei wurde gerufen. Ein 15-jähriger Jugendlicher attackierte einen der hinzugekommenen Polizisten. Parallel zu dieser Attacke wurden die Polizisten aus der Gruppe der Jugendlichen heraus beschimpft.

In Köln spielen sich in diesem “Sommer” auf der Zülpicher Straße Szenen ab, in denen ebenfalls Jugendliche und junge Leuten die Hauptrolle spielen. Dort ansässige Kneipen und Restaurants könnten Gäste empfangen.

Diese bleiben jedoch aus, weil die genannte Klientel vor den Lokalen Party macht. Die Getränke werden nicht in den Kneipen oder Restaurants besorgt, sondern in umliegenden Geschäften oder Kiosken. Die geschäftsschädigenden und immer mit ziemlich viel Aggression ablaufenden Partys werden weder vom Ordnungsamt noch von der Polizei gestört. Scheinbar sind die Ordnungskräfte damit überfordert, die Interessen der Lokalbesitzer zu schützen und nicht zuletzt auch die Anwohner der Straße vor dem Lärm der die Nacht über andauert. Das findet an jedem Wochenende im Sommer statt.

Dass diese Wandlung an der Zülpicher Straße inzwischen ein Menschenleben gekostet hat, scheint die Lage nicht beruhigen zu können.

Ältere Leute wie ich fragen sich angesichts solcher Szenerien, die leider bundesweit zu beobachten sind, warum sich Teile unserer Gesellschaft in den letzten vielleicht zwei Jahrzehnten so krass verändert haben. Genauer gesagt, warum sind es vor allem junge Leute, die durch Aggressivität und besondere Rücksichtslosigkeit auffallen? Und natürlich auch warum der Staat nicht rigoros gegen diesen Missbrauch von Freiheitsrechten vorgeht.

Die Polizei hält sich vielleicht auch deshalb ein Stück weit zurück, weil unsere Öffentlichkeit (die sozialen Medien vornweg) mit dem Vorwurf übermäßiger Polizeigewalt immer sofort zur Stelle sind. Egal, ob Polizisten verletzt werden – das spielt keine Rolle. Am Ende sind die Beamten doch wieder die Dummen. Das haben die Jungen ebenso schnell verinnerlicht, wie alle anderen Gruppen, die ihr Heil in der Durchsetzung ihrer ganz persönlichen Überzeugungen und Vorlieben sehen. Scheiß doch darauf, was andere sagen. Hauptsache ICH! hab meinen Spaß.

Corona und die Beschränkungen durch die furchtbaren Lockdowns werden ihren Anteil an dieser Entwicklung haben. Nicht ohne Grund beklagen viele junge Leute, dass sich die Maßnahmen vor allem auf ihr Leben ausgewirkt haben.

Aber ist dieser Erklärungsansatz tragfähig? Reicht diese Annahme aus, um die Zunahme von Aggressivität insbesondere bei jüngeren Menschen zu erklären? Wütend zu sein, reicht jedenfalls kaum aus, um an der Situation etwas zu verändern. Eine gute Analyse täte Not.

Rafael Behr war früher selbst Polizist und hat sehr lange im Polizeidienst gearbeitet. Seit vielen Jahren arbeitet er als Professor für Polizeiwissenschaften. Er lehrt in Hamburg Kriminologie und Soziologie. In einem Interview, das ich leider nicht mehr finde, sagte er sinngemäß, dass jüngere Leute oftmals eine Neigung zur Rücksichtslosigkeit, also zum Narzissmus zeigen. Zuerst habe ich gedacht, dass dies doch eine übertriebene Verallgemeinerung sei. Bis ich dann diesen Artikel gelesen hatte.

Welche Schlussfolgerung die Wissenschaft auch immer aus diesen sich häufenden Phänomen zieht und welche Gründe sie dafür finden möge. Die Entwicklung ist äußerst beunruhigend. Sie ist übrigens älter als Corona. Angriffe dieser rücksichtslosen Art gab es schon davor. Die Täter sind in der Regel junge Leute, Männer vermutlich.

Insofern reicht die vielleicht naheliegendste Erklärung, dass vieles mit den Entsagungen während Corona zu tun gehabt hat, denen wir alle ausgesetzt waren, nicht.

Plausibler ist mir dann doch der Einfluss der starken ICH-Bezüge, die unsere Gesellschaft gepflegt und über Generationen übertrieben hat. Wenn der Preis dieser sein sollte, könnten wir noch von weiteren unangenehmen Überraschungen heimgesucht werden. Schließlich ist die charakterliche Ausprägung junger Menschen nichts, das man einfach wieder korrigieren könnte. Ob das alles nicht auch mit dem in Verbindung zu bringen ist, was wir bei FFF und BLM manchmal zu sehen und zu hören bekommen? Das ist sehr komplex und ich will nicht den Küchenpsychologen geben. Aber wirklich geheuer ist mir die Entwicklung längst nicht mehr.

Link: Junge Menschen vor der Wahl: Wie die “Generation Merkel” tickt | tagesschau.de

Motive gesucht

Es wird darüber spekuliert, ob die Bundesregierung Gründe für ihre Verzögerungstaktik in Afghanistan hatte oder ob dieses furchtbare Desaster, das so viele Menschen in Lebensgefahr gebracht hat, “nur” dadurch entstand, dass es ihr an der nötigen Weitsicht mangelte. Oder hat sie sich etwa bewusst dafür entschieden, die “Ortskräfte” im Stich zu lassen?

Sätze wie “2015 darf sich nicht wiederholen” könnten das nahelegen. Aber dürfen wir unserer Regierung so viel Zynismus unterstellen? Ich meine, wäre das fair?

In diesem Land herrscht keine Einigkeit. Ungefähr die Hälfte der Befragten bei Umfragen würde Flüchtlinge aufnehmen, die andere spricht sich klar dagegen aus. Für beide Positionen gibt es Gründe. Leider sind sie nicht verhandel- und damit unvereinbar.

Wäre es so, dass die Politik auf dieser schlechten Grundlage entschieden hätte und befänden wir uns nicht im Wahlkampf, wäre das Verhalten leichter zu begründen. Allerdings kommen auch aus den Ländern anderer Alliierten klare Ansagen. Auch sie möchten keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen, obwohl dort keine Wahlen stattfinden.

Österreich als “neutrales” Land war nicht in den Krieg in Afghanistan involviert, es gibt nichtsdestoweniger klare Ansagen der Regierung zur Nichtaufnahme von Flüchtlingen.

Anna Schneider, österreichische Journalistin in Springer-Diensten, hat sich bei “Maischberger” gestern wieder mal als Schnell-Schwatzbase erwiesen und durfte ihr voll tätowiertes Unverständnis für das deutsche Versagen äußern. Schade, dass die nicht bei der NZZ geblieben ist! Das war die passende Umgebung für sie und ihr penetrantes Deutschland-Bashing. Vielleicht wäre sie ja irgendwann von dort weggelobt worden und hätte ihr Gift in den USA oder Russland verspritzen dürfen. Natürlich gefällt so einer die herzlose Absage ihrer Kurz-Regierung viel besser.

Es gehört zu meiner Voreiligkeit, die ich immerhin auch schon eingeräumt habe, dass ich unserer Regierung schnell mal das Schlimmste unterstelle. Meine Voreiligkeit kommt allerdings auch zustande, weil sich Unionspolitiker in Reihe so geäußert haben wie ihr Kanzlerkandidat. Sie waren ja so einig, dass sich 2015 auf keinen Fall wiederholen dürfe. Dabei haben sie immer die schon erwähnten 50 % der Bevölkerung im Kopf, die der Meinung sind, dass das Boot voll sei. Ich formuliere das bewusst so!

Aber bevor ich falsch verstanden werde: Ich habe auch etwas dagegen, dass sich das wiederholt, was wir 2015 erlebt haben. Man kann das klar kommunizieren und begründen. Keiner braucht deshalb rumzudrucksen, wie die Regierung es leider seit Langem macht.

Ich versuche, meine Positionen immer wieder zu begründen.

In diesem Fall geht es aber um etwas anderes. Wir haben als Deutsche eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die uns in den letzten 20 Jahren in Afghanistan unterstützt haben. Und wenn es 20.000 sind, dann ist es eben so. Diesen Menschen müssen wir schon aus moralischen Gründen helfen. Wir reden doch so gern von unseren Werten. Wollen wir sie nicht auch mal einlösen, einfach mal zeigen, dass wir sie noch haben und nicht nur darüber reden?

Merkel sprach davon, dass wir versuchen wollen, 10.000 Menschen aus Afghanistan zu evakuieren. Sie meinte wohl nicht damit, dass wir sie nach Deutschland holen, sondern dass sie in einem Nachbarstaat von Afghanistan ihr Leben fristen sollen. Mit dem, was wir dann als finanziell gut ausgestattete Flüchtlingscamps bezeichnen werden. Furchtbar, diese Politikkacke!

Zurück zur Verantwortung. Wahrscheinlich hat die Regierung die Evakuierungsmaßnahmen nicht deshalb hinausgezögert, weil sie davon ausging, dass die menschlichen Tragödien, denen wir nun via TV und Internet beiwohnen, noch vor den Wahlen stattfänden und man solche Bilder vermeiden wollte…

Obwohl – nein! Sie hat schlicht nicht den erforderlichen Weitblick gezeigt, sie hat wie bei anderen Katastrophen der letzten Jahre bewiesen, dass sie verflucht wenig von dem versteht, was man gemeinhin als Führung bezeichnet. Dazu gehört es eben, dass man bestimmte Entwicklungen antizipiert und rechtzeitig erforderliche Schritte einleitet. Wozu brauchen wir noch den BND oder die anderen Dienste? Das dürften sich die Amis für ihre Geheimdienste sicher auch fragen.

Wer will schon von einer solchen Regierung was wissen, die so ganz ohne Voraussicht und Plan agiert? Oder, was auch nicht besser wäre, von einer Regierung regiert würden, die zwar mehr weiß als ihre dummgehaltenen Bürger/- Innen (es könnte uns schließlich verunsichern, wenn wir zu viel wüssten…), bzw. dies aus Sorge um unsere Reaktion an den Wahlurnen verschweigt. Ja, die selbst, nachdem diese Machenschaften aufgeflogen sind, das typische politisch-verschleiernde Kauderwelsch darüber legen.

Dass diese deutsche Regierung nun dasteht, wie ein Haufen Dilettanten und darüber hinaus wie moralisch abgewrackte Gestalten, hat sie sich ganz allein zuzuschreiben. Wer mal die Bundespressekonferenzen in den letzten Monaten und Jahren verfolgt hat (dankenswerterweise gibts ja Formate, die sie komplett aufzeichnen und zum Anschauen bereithalten), der kommt nicht um das Gefühl herum, dass unser System desolat ist und dringend erneuert werden sollte. Ob die Chance am 26.9. dafür Gelegenheit bietet? Ich habe diesbezüglich meine Hoffnung aufgegeben.

Social-Media-Wut als politisches Korrektiv? Das ist so. Aber es ist IMHO destruktiv!

Ich finde, Sascha Lobo hat die Lage in seiner heutigen Spiegel – Kolumne spannend und im Großen und Ganzen zutreffend beschrieben.

Seine Diagnose trifft auch auf mich zu. Ob ich mich bzw. meine Reaktionen auf den Afghanistan-Gau als bigott empfinde, weiß ich heute noch nicht. Es könnte aber sein, dass diese Einsicht noch kommt.

Lobo hat eine Reihe wichtiger Punkte angesprochen, denen ich nur zustimmen kann. Wir brauchen eine schlagkräftige Armee. Vor allem brauchen wir mehr mutige Politiker, die sich trauen, ihre Positionen ganz offen auszusprechen. Auch, wenn es dafür Kritik hagelt. Hätten sich in Wahlkampfzeiten nicht zu viele Politiker vor den vielen gefürchtet, die alle Flüchtlinge am liebsten zum Teufel jagen würden und nicht in vorauseilendem Gehorsam den Satz: “2015 darf sich auf keinen Fall wiederholen” in die Mikrofone gebrabbelt, wäre diese schreckliche Lage erst gar nicht entstanden, weil wir die betreffenden Menschen längst in Sicherheit gebracht hätten.

Mit anderen Worten: Ja, ich bin überzeugt davon, dass die Politik aus Angst vor den ungefähr 50 % der Bevölkerung, die Flüchtlinge ablehnen, das Desaster verursacht hat. Ob ich damit übers Ziel hinausschieße? Das zu beurteilen überlasse ich euch.

Mich mit dem Gedanken zu begnügen, die Politik sei Opfer einer typisch deutschen Bürokratie oder ihrer Bräsigkeit, wäre mir zu billig. Die Atmosphäre im Land hat in diese Sackgasse geführt, die jetzt vielleicht viele Menschen in Afghanistan das Leben kosten könnte.

Was jetzt getan wird, dürfte vermutlich nicht ausreichend sein, die Fehler der letzten Monate auszubügeln. Ich hoffe, ich irre mich.

Ich gebe zu, auch ich neige wie zu viele zur Voreiligkeit und zu virtuellen Gefühlsausbrüchen (qed). Meine Frau meint sogar, genau das gehe langsam fließend ins Reallife über. Ob es am Alter liegt?

Lediglich eine – zugegebenermaßen zentrale Bewertung – teile ich absolut nicht:

Das Fatale ist leider, dass mit jedem nicht faktengedeckten Ausbruch die Kraft der gerechtfertigten Wut schwächer und irrelevanter wird. Und gerade aufrechte Social-Media-Wut wird gebraucht. Sie ist ein wichtiges politisches Korrektiv.

Afghanistan und die Reaktionen in sozialen Medien: Hilflose Übersprungswut – Kolumne – DER SPIEGEL

Dass ich an diesem Punkt anderer Meinung bin, wird meine Leser/-innen nicht wundern. Wenn diese Äußerungen so bigott und voreilig sind, dann sind sie auch nicht dazu angetan, irgendwas in eine positive Richtung zu bewegen. Oder ist Aufregung, Wut und unangemessene, oft auch ungerechtfertigte Kritik an Politikern konstruktiv?

Besonders grässlich finde ich, wenn ich feststelle, dass ich (wieder einmal) auf eine Falschmeldung hereingefallen bin und sie prompt verarbeitet habe. Sei es “nur” in meiner Denkweise oder in einem Posting. Beides ist nicht nur peinlich, sondern es trägt zu einem Ruf bei, den eigentlich kein Blogger braucht. Der Mensch ist ein lernendes System.

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