Sanktions-Illusion: Warum Europas Kurs gegen Russland ins Leere läuft

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Der Sanktionsrechtler Viktor Winkler hält die westlichen Maßnahmen gegen Russlands Energiesektor für wirkungslos. Europa schade sich selbst, während Milliarden weiter nach Moskau fließen. Eine juristisch saubere, strategische Linie fehle.

symbolische sanktionen gegen russland
symbolische sanktionen gegen russland

Manchmal sitzt man fassungslos vor den Nachrichten. Überall Experten, Analysen, Gewissheiten – und doch bleibt das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Kürzlich wieder so ein Moment: Die deutschen Leitmedien verkündeten fast schon jubelnd, Donald Trump habe endlich harte Sanktionen gegen Russlands größte Erdölfirmen verhängt. Vielleicht hat man sich von Trumps Rhetorik hinreißen lassen? Maßnahmen, die die russischen Geldquellen zum Versiegen bringen sollen. Klingt entschlossen, fast historisch. Doch wer einen Schritt weiterblickt, stößt auf Widersprüche – und auf eine Wahrheit, die deutlich bescheidener klingt.

Der Frankfurter Rechtswissenschaftler und Sanktionsrechtler Prof. Dr. Viktor Winkler ist kein Unbekannter: Er berät Unternehmen zu internationalem Sanktionsrecht und zählt zu den wenigen deutschen Experten, die die politischen und juristischen Dimensionen westlicher Strafmaßnahmen gleichermaßen durchdringen. In einem Gespräch mit dem Nachrichtensender ntv äußerte er sich ungewöhnlich deutlich zu den jüngsten Sanktionen der EU und der USA gegen russische Energieunternehmen.

Winkler widersprach dem offiziellen Narrativ, die neuen Strafmaßnahmen seien „verheerend“ oder gar ein „scharfes Schwert“ gegen Moskau. Tatsächlich träfen sie zwei Unternehmen, die ohnehin kaum noch Handelsbeziehungen mit westlichen Banken oder US-Firmen unterhalten. Der ökonomische Schaden für Russland bleibe marginal. Die Sanktionen wirkten daher mehr wie symbolische Gesten – Zeichen der Entschlossenheit ohne reale Hebelwirkung.

Besonders kritisiert Winkler, dass die Hauptfinanzströme gänzlich unangetastet bleiben. Russland exportiere weiterhin Öl im großen Stil nach Indien und China – allein im vergangenen Jahr seien rund 200 Milliarden US-Dollar in Richtung Kreml geflossen. Gerade dort, bei den Abnehmern russischer Rohstoffe, müsste angesetzt werden, wenn man Präsident Putin tatsächlich an den Verhandlungstisch zwingen wolle. Stattdessen konzentriere sich der Westen auf Namen und Firmen, die politisch gut klingen, aber wirtschaftlich kaum Relevanz haben.

Europa, so Winkler, mache es noch schlimmer, indem es die eigenen Sanktionsziele unterlaufe. Deutschland habe 2023 für über 8 Milliarden Euro Flüssiggas aus Russland bezahlt – Geld, das direkt in die Kassen des Kremls fließt. Von einer konsequenten Linie könne keine Rede sein. Die EU habe es zudem nicht einmal geschafft, innerhalb der „Koalition der Willigen“ (USA, EU, Großbritannien) eine einheitliche Liste von sanktionierten Oligarchen und Unternehmen zu erstellen.

Winkler spricht von einer „Salami-Taktik“: Die EU füge Paket an Paket, ohne klare Strategie, ohne Prioritäten, ohne juristische Kohärenz. Was fehle, sei ein gezielter Sanktionsplan – einer, der nicht blind die Wirtschaft treffe, sondern gezielt kriegsrelevante Branchen schwäche. Die derzeitige Politik sei deshalb ein Flickenteppich, der Russland kaum schade, aber die Glaubwürdigkeit Europas untergrabe.

Eine seiner schärfsten Warnungen richtet sich gegen den Vorschlag, eingefrorene russische Vermögen – rund 140 Milliarden Euro – für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden. Das sei völkerrechtswidrig, betont Winkler, denn Sanktionen bedeuteten nicht Enteignung. Das Eigentum bleibe bei der sanktionierten Person oder Institution. Wer das ignoriere, verlasse den Boden des Rechts. „Wir sollten die Guten sein“, sagt Winkler. „Wir sollten uns an das Völkerrecht halten und uns nicht in eine Lage bringen, in der alles erlaubt scheint.“

Seine Diagnose fällt ernüchternd aus: Der Westen hat viel Moral, aber wenig Methode. Statt einer rechtlich fundierten, ökonomisch wirksamen Strategie dominiere Symbolpolitik – eine Politik, die mehr auf Schlagzeilen ziele als auf Wirkung.

Quelle: ntv – Interview mit Prof. Dr. Viktor Winkler

Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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2 Gedanken zu „Sanktions-Illusion: Warum Europas Kurs gegen Russland ins Leere läuft“

  1. Angeblich ist der EU nichts Besseres mehr eingefallen, als unter anderem den Export von Puzzles, Kinderspielzeug mit Motoren, Blumen, Moos, Kloschüsseln nach Russland verbieten. Ist zwar eine unbestätigte Meldung aus einem russlandfreundlichen Blog, aber zuzutrauen wäre es der EU.

    Abseits solcher Meldungen war ich aber auch schon immer der Meinung, dass Russland mit den Brics Staaten viel zu mächtige Freunde hat, als das Europa mit Sanktionen irgend etwas erreichen könnte. Dass Europa auch weiterhin fossile Brennstoffe von Russland bezieht, entweder direkt oder über Umwege, halte ich für die größte Farce und ein Beweis weiterer Unfähigkeit der EU. Und – das ganze ist gerade für Deutschland ein Bumerang. Die ökonomische Prosperität korrelierte direkt mit dem billigen Gas aus Russland. Seit Sprengung der Nordstream Pipeline durch die Ukraine?!, geht es wirtschaftlich bergab. Jede weitere Maßnahme oder Sanktion könnte den Ölpreis nach oben treiben; mit der Folge weiterer Grauimporte nach Russland, in der Hoffnung auf preiswertes Öl und Gas, um nicht vollständig von Trump Frackingöl abhängig zu sein. Es bleibt spannend.

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