Schimpfen ändert nix

Foto des Autors

von Horst Schulte

Lesezeit: 4 Min.

So’n schöner Rant ist etwas Feines. Den hier habe ich eben via Thomas Gigold gefunden.

Der junge Mann hat nur leider nicht verstanden, dass alte Klassenkampfparolen nicht mehr ziehen. Weder bei den früheren Adressaten solcher Ansagen noch bei denen, die heute als mögliche Empfänger solcher Botschaften gelten könnten. Die AfD hingegen wird ihre Freude an allem haben, was sich die anderen gegenseitig um die Ohren schlagen.

Ich glaube ja, viel mehr Leute als manche glauben, haben längst verstanden, dass wir so nicht weiterwirtschaften können.

Wir haben es nicht mit einer konjunkturellen Delle zu tun, wie wir sie in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder durchlebt haben. Die deutsche Wirtschaft zeigt seit 2019 eine schwache Entwicklung und stagniert seit etwa fünf Jahren, was teils durch globale Faktoren wie die Handelspolitik, teure Energie und geopolitische Instabilität, aber vor allem durch strukturelle Probleme wie Bürokratie, hohe Arbeitskosten bei stagnierender Produktivität und eine unzureichende Anpassung an Digitalisierung und Dekarbonisierung verursacht wird. Dieser Mangel an Wachstum führt zu einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf und stellt die Bundesrepublik vor eine strukturelle Herausforderung.

Jetzt fragen sich normale Bürger, wie der Staat so unter Druck geraten konnte. Corona und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine haben einen großen Beitrag geleistet. Die hohen Belastungen durch die Migration bleiben gern unangesprochen. Vor allem Links/Grün mag davon nichts hören. Dabei kommen dort hohe zweistellige Milliardenbeträge zusammen, die auch ein Land, in dem pro Jahr bald über eine Billion Steuereinnahmen zusammenkommt, nicht mehr bewältigt bekommt.

Die Balance unserer Haushalte (Bund, Länder, Kommunen) sind aus dem Tritt. Man hört es insbesondere außerhalb Berlins und der Landeshauptstädte über alle Parteigrenzen hinweg. Da ist Klassenkampf vielleicht nicht vergebens, aber durch ihn werden diese Probleme vermutlich nicht zu lösen sein. Wir brauchen eine funktionierende Wirtschaft und selbstverständlich muss das Ungleichgewicht der Einkommensverteilung halbwegs korrigiert werden.

Dass linke und grüne Sozialromantiker weiterhin daran glauben, dass man nur weiter mit mit Vorwürfen und verbalen Unverschämtheiten gegen konservative Politiker und Großkapitaleigener anrennen muss, spricht nicht zwingend für überzeugende Konzepte.

Der Sozialstaat ist auch aus meiner Sicht in dieser Form künftig nicht mehr finanzierbar.

Und das dürfte auch durch Maßnahmen gegen die Auswirkungen der in der Tat ungerechten Einkommensverteilung nicht zu beheben sein. Die Leute, die auch auf anderen Politikfeldern so reden, als hätten DIE ANDEREN einfach nur keinen Durchblick, sollten wenigstens mit korrekten Zahlen operieren.

Vielleicht werfen die mal einen längeren Blick in den Haushalt der Bundesrepublik und staunen ob des Anteils der Mittel, der allein vom Sozialetat und dem Schuldendienst allokierten Summen. Welche Spielräume bleiben uns noch für Bildung, Kultur, Verkehr, Gesundheit und die eine oder andere staatliche Aufgabe, wenn bald der Militäretat die Größenordnungen eingenommen hat, von denen die Rede ist?

Uns geht jeder Spielraum flöten, wenn wir nicht in der Lage sind, die richtigen Maßnahmen zu treffen. Ob sich diese darin erschöpfen sollten, Bürgergeldempfänger zu schröpfen? Ganz sicher nicht! Vielmehr geht es jetzt darum, die Basis für einen selbst in Zeiten eines längeren wirtschaftlichen Abschwungs finanzierbaren Sozialstaat neu zu ordnen und von dem Wahnsinn an kumulierten Einzelleistungen wegzukommen.

Das ist leider nicht mit Bürokratieabbau und der Anhebung allgemeiner Effizienzkennzahlen getan. Unsere Ausgaben müssen der wirtschaftlichen Entwicklung (das Wachstum ist seit 2023 rückläufig) angepasst werden. Wenn das in diesem Herbst nicht stattfindet bzw. nicht gelingt, wird es für die Gesellschaft ein sehr bitteres Erwachen geben. Schimpfen nützt da leider gar nichts mehr.


Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe auf dem Land.

hs010225 a

Artikelinformationen

Bereits 989 Mal gelesen1 heute

11 Gedanken zu „Schimpfen ändert nix“

  1. Laut meiner Info setzt D einfach weiter nicht auf (günstige) E-Autos, Verbrenner werden weiter produziert (dazu riesige SUV), die Manager greifen Boni und die Aktionäre alles ab, was geht. Dazu will Reiche weiter auf Gas setzen … Solarförderung/Windkraft mag sie auch nicht.
    Schulen verrotten, zu wenig Lehrerinnen, Erzieherinnen, Bahn/Infrastruktur kaputt, die Städte werden immer heißer (Paris baut seit Jahren um) es liegt so vieles im Argen, wurde seit Jahrzehnten vernachlässigt.

    Weiter keine Reichenbesteuerung geht auch in anderen Ländern.
    Spahn konnte machen, was er wollte, kann er weiterhin, egal was er angerichtet hat.

    Finde ich sehr rückwärtsgewandt!

  2. Mich hat schon lange niemand mehr als „junger Mann“ bezeichnet.
    Zudem habe ich sehr wissentlich und absichtlich in meinem Beitrag betont, dass ich durchaus etwas von BWL verstehe.

    Es geht überhaupt nicht darum „gegen konservative Politiker“ zu treten oder die Notwendigkeit von Einsparungen zu bestreiten. Ich bin nicht nur BWLer, sondern auch Realist.

    Es geht um die Einseitigkeit der Diskussion und die Schieflage die sich ergibt. Und ich denke, auch das habe ich in meinem kleinen Rant betont.

    Unser Rentensystem ist komplett kaputt. Unser Krankensystem ist komplett kaputt. Unser Steuersystem verteilt die Last einseitig auf die untere Mittelschicht. Und jetzt will man auch noch jenen an den Kraken, die so schon nichts mehr haben. Und versucht dabei, die „Arbeiter“ vergessen zu machen, dass wir alle recht fix mal ins Bürgergeld rutschen könnten.

    Wir leisten uns 100 Mrd. Bundeswehr-Sonderausgaben und geben das über zusätzliche Belastungen an die Kleinverdiener ab, während wir Diskussionen über Vermögens-, Digital- oder eine Robotersteuer für Unternehmen ebenso wegwischen, wie den Gedanken an eine Reform des Rentensystems nach bspw. Schwedischem Vorbild.

    DAS prangere ich an. Mir ist dabei vollkommen egal ob der Kanzler Scholz oder Merz heisst – unter Merz verschärft sich der Ton nur dummerweise gegen die Armen der Gesellschaft, statt mal nach oben zu schauen.

  3. So wie die aktuelle Regierung sich verhält, mitteilt … sehe ich schwarz, das wird so nichts.
    „Wir“ können eh gar nichts ändern, da kannst du noch so viel bloggen, wie du willst.
    Ich sehe schwarz. Es läuft doch alles auf eine rechte Regierung raus, dann wird alles noch schlimmer. Scheinbar sind viele Wähler nicht gut gebildet.

    Man könnte auch von anderen Ländern sich was abgucken, lernen – das fehlt mir hier gänzlich.

  4. wir geben der Regierung keine Luft zum Atmen. Ohne das geht es aber nirgends.

    Die disqualifizieren sich täglich selber! Die Reichen werden hofiert und geschützt, die unteren, mittleren Schichten getreten.
    Die Kommunikation ist unterirdisch, Merz, Söder, Linnemann, Spahn u. Co. sind nur am Hetzen!

  5. Das sehe ich anders, die Regierung liest so was nicht bzw. es ist ihr egal, Sie ändern nichts an ihrer Kommunikation, machen einfach so weiter.

    Wem hilft Schimpfen?

  6. Ich bin nicht nur BWLer, sondern auch Realist.

    BWLer, aber definitiv kein Realist.

    Robotersteuer für Unternehmen

    Wenn nur wir sowas einführen, wandern die Arbeitsplätze dorthin, wo es das (noch) nicht gibt.

    Reform des Rentensystems nach bspw. Schwedischem Vorbild.

    Schweden taugt nicht als Vorbild. Deutschland hat eine sehr viel niedrigere betriebliche Altersvorsorge und Tarifbindung.

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


🌈 Gemeinsam ist schöner als allein.
💬 11