Thema: Großbritannien

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Die Insel der seltsamen Rückfälle – Großbritanniens rechte Renaissance

Lange Zeit wurde die Reformpartei unter Nigel Farage als Randerscheinung des britischen Parteienspektrums betrachtet. Ein Sprachrohr für Frustrierte, Brexit-Hardliner und EU-Skeptiker – aber kein ernstzunehmender Akteur. Das hat sich inzwischen geändert. Nach einem überraschend erfolgreichen Wahlergebnis ist klar: Farages Bewegung ist gekommen, um zu bleiben.

Eine neue politische Realität

Der Wahlerfolg der Reformpartei hat nicht nur die konservativen Tories weiter unter Druck gesetzt, sondern auch die Labour-Partei aus ihrer vermeintlichen Komfortzone geholt. Während Labour unter Keir Starmer zuletzt in Umfragen zulegen konnte, zeigt der Aufstieg Farages, dass die Unzufriedenheit in der Bevölkerung nach wie vor tief sitzt – vor allem in jenen Regionen, die sich vom Establishment abgehängt fühlen.

Inhaltlich bietet die Reformpartei altbekannte, aber eingängige Schlagworte: strikte Migrationspolitik, nationale Souveränität, wirtschaftlicher Pragmatismus. Doch was früher als populistische Rhetorik abgetan wurde, genießt heute neue Aufmerksamkeit – auch, weil viele Bürgerinnen und Bürger von den Versprechen der großen Parteien enttäuscht sind.

Labour zwischen Erwartungsdruck und interner Spannung

Die Labour-Partei sieht sich nicht nur mit einem erstarkten rechten Lager konfrontiert, sondern kämpft intern mit grundlegenden Fragen: Wie viel sozialer Ausgleich ist mit wirtschaftlicher Realität vereinbar? Wie klar soll man sich zu Migrationsfragen positionieren, ohne Stammwähler zu verlieren? Und wie geht man mit der wachsenden Unzufriedenheit über Energiepreise und die stockende ökologische Transformation um?

Die Partei steht unter erheblichem Erwartungsdruck. Eine klare Mehrheit ist trotz der Schwäche der Tories keineswegs sicher – zu groß ist die Fragmentierung des politischen Lagers, zu unberechenbar die Wählerbewegungen. Die Gefahr: ein Patt im Parlament oder unklare Mehrheiten, die instabile Koalitionen notwendig machen könnten – ein für Großbritannien eher untypisches Szenario.

Ein zersplittertes Machtgefüge?

Der Brexit hat nicht nur die europäische Partnerschaft aufgekündigt, sondern auch das parteipolitische Gleichgewicht auf der Insel dauerhaft erschüttert. Die Zeiten klarer Mehrheitsverhältnisse scheinen vorerst vorbei. Es ist gut möglich, dass sich Großbritannien künftig auf komplexe Regierungsbündnisse einstellen muss – mit allen Risiken für politische Handlungsfähigkeit und Stabilität.

Farages Reformpartei hat mit ihrem Erfolg jedenfalls bewiesen, dass sie mehr ist als nur ein Auffangbecken für Protestwähler. Sie hat das Potenzial, das Machtgefüge dauerhaft zu beeinflussen – sei es als Oppositionskraft oder als Zünglein an der Waage in einem gespaltenen Parlament.

Großbritannien steht an einem politischen Wendepunkt. Der Aufstieg der Reformpartei zeigt, wie tief der Vertrauensverlust gegenüber den traditionellen Parteien reicht.

Die Ähnlichkeit mit vielen anderen Ländern ist so frappierend, dass ich mich vom Artikel des New Statements inspiriert fühlte, diesen Artikel zu schreiben.

Die Übereinstimmungen beweisen in meinen Augen, wie viel politisches Kapital von den politischen Eliten all dieser Länder in den letzten Jahrzehnten verspielt wurde. Trotz der Übereinstimmungen fällt es schwer, die Gründe für die Entwicklung so klar zu benennen, dass ein schlüssiges Bild dabei herauskommt.

Labour steht jedenfalls, wie die »Große Koalition« bei uns, vor der Herausforderung, gleichzeitig glaubwürdig, visionär und pragmatisch zu sein. Ob das gelingt, hängt hier wie dort nicht nur von den Parteiführungen ab, sondern auch von der Fähigkeit, die gesellschaftlichen Konflikte offen, aber lösungsorientiert zu thematisieren.

Brexit, BIP und die Zukunft – Ein EU-Austritt für Deutschland ist keine Option

Es geht (auch) um das deutsche Wirtschaftswachstum – oder besser gesagt, das Fehlen davon. Ein Vergleich mit Großbritannien soll nicht fehlen. Die AfD und ihre Anhänger jubeln ja gerne über das vermeintliche Brexit-Wunder. Aber ist das wirklich so rosig, wie die Rechtsextremen es darstellen? Gerade erst kamen dazu wieder Nachrichten in den deutschen Medien. Vielleicht sollte man diesen nicht allzu viel Gewicht beimessen, zumal man unterstellen darf, dass sie bei dem Thema nicht ganz unparteiisch sind.

Handelsblatt: Fünf Jahre nach dem EU-Austritt: „Der Brexit wird uns noch ewig begleiten“

Die Briten finden den Brexit also inzwischen auch nicht mehr so toll wie noch vor Jahren. Was diese Entwicklung mit der Bewertung der AfD-Programmatik zu tun haben könnte, sollte sich jeder an fünf Fingern abzählen können. Aber ein Nationalist ist ein Nationalist ist ein Nationalist. Denken bleibt für manche Glücksache.

Das BIP lässt sich vielseitig verwenden: Ein Zahlenspiel mit Tücken

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist so eine Sache. Es klingt immer so wichtig, so aussagekräftig. Aber mal ehrlich: Kann man wirklich aus einer einzigen Kennzahl ableiten, ob der Brexit ein Erfolg war? Eher nicht. Das BIP zeigt zwar, wie viel ein Land produziert, aber es sagt nichts darüber aus, wie es den Menschen wirklich geht – oder was langfristig auf sie zukommt.

Großbritannien: Schein und Sein

Ja, das britische BIP ist nach dem Brexit gestiegen. Aber was bedeutet das wirklich? Studien wie die des Centre for European Reform zeigen, dass die britische Wirtschaft im Jahr 2022 bereits um 5,5 % kleiner war, als sie ohne Brexit gewesen wäre. Und die Bank of England prognostiziert, dass das BIP bis 2030 um bis zu 8 % niedriger liegen könnte.

Kurz gesagt: Die kurzfristigen BIP-Zahlen sind nur ein Teil der Geschichte. Die langfristigen Folgen des Brexits – Handelsbarrieren, Investitionsrückgang, Fachkräftemangel – werden erst richtig sichtbar, wenn man genauer hinschaut.

Brexit-Folgen: Was wirklich passiert ist

Der Brexit war ein politisches Erdbeben – und die Nachbeben sind noch lange nicht vorbei. Großbritannien hat sich selbst ins Knie geschossen, und die Folgen werden bis 2030 immer deutlicher werden.

Handel: Der Handel mit der EU, dem wichtigsten Partner des Landes, ist durch Zölle und bürokratische Hürden erschwert worden. Das trifft vor allem exportorientierte Branchen.
Investitionen: Viele Unternehmen haben ihre Investitionen in Großbritannien reduziert oder ganz gestoppt. Die Unsicherheit über die zukünftigen Handelsbeziehungen ist einfach zu groß.
Fachkräftemangel: Der Brexit hat den Zugang zu Arbeitskräften aus der EU erschwert. Besonders in der Landwirtschaft, dem Gesundheitswesen und der Gastronomie gibt es massive Engpässe.

Und das alles für ein paar Prozentpunkte BIP-Wachstum? Da frage ich mich: War das wirklich ein guter Deal?

Deutschland: Warum die EU-Mitgliedschaft unverzichtbar ist

Deutschland ist als Exportnation in besonderem Maße auf den EU-Binnenmarkt angewiesen. Rund 50 % unserer Exporte gehen in EU-Länder. Ein Austritt aus der EU wäre daher ein wirtschaftlicher Selbstmord. Aber es geht nicht nur um den Handel.

Binnenmarkt: Der EU-Binnenmarkt ermöglicht deutschen Unternehmen einen nahtlosen Zugang zu 450 Millionen Verbrauchern.
Investitionen: Deutschland ist ein attraktiver Standort für ausländische Investoren – nicht zuletzt wegen unserer EU-Mitgliedschaft.
Politische Stabilität: Die EU bietet einen Rahmen für die Bewältigung globaler Herausforderungen wie Klimawandel und Digitalisierung.

Ein Austritt aus der EU würde all das gefährden. Und wofür? Für ein paar kurzfristige BIP-Zuwächse, die langfristig nichts bringen? Nein, danke.

Ausblick bis 2030: Was auf uns zukommt

Bis 2030 wird sich zeigen, wer die bessere Entscheidung getroffen hat: Großbritannien mit seinem Brexit oder Deutschland mit seiner EU-Mitgliedschaft.

Großbritannien: Die langfristigen Folgen des Brexits werden immer sichtbarer. Das BIP-Wachstum wird weiterhin hinter den Erwartungen zurückbleiben, und die strukturellen Schwächen werden sich verstärken.
Deutschland: Wenn wir die aktuellen Herausforderungen wie die Energiewende, den Fachkräftemangel und die Digitalisierung meistern, kann die deutsche Wirtschaft stabil wachsen. Die EU-Mitgliedschaft bietet uns dabei den richtigen Rahmen.

Der Brexit ist kein Vorbild, eher ein Horrorszenarium, das rechtsextreme Nationalisten “ermöglicht” haben

Der Vergleich zwischen Deutschland und Großbritannien zeigt eines ganz deutlich: Der Brexit ist kein Vorbild, sondern eine Warnung. Die kurzfristigen BIP-Zahlen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein EU-Austritt langfristig massive wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt.

Das britische BIP lag im 3. Quartal 2024 um 2,9 % über dem Vorpandemieniveau des 4. Quartals 2019. Im Vergleich dazu lag das BIP der Eurozone um 4,6 % höher, während das BIP in Deutschland nur um 0,1 % zunahm. Die USA verzeichneten in diesem Zeitraum mit 11,5 % das höchste BIP-Wachstum unter den G7-Volkswirtschaften.

Quelle

Für Deutschland wäre ein Austritt aus der EU keine Lösung, sondern ein Schritt in die falsche Richtung. Stattdessen sollten wir die Chancen nutzen, die die EU bietet, und gemeinsam mit unseren Partnern die Zukunft gestalten. Denn eines ist klar: Gemeinsam sind wir bedeutet, wichtig, vielleicht sogar unschlagbar. Ob das allen EU-Politikern dämmert? Diese Frage bleibt für mich (leider) unbeantwortet.

Kommen die Briten bei der Energiewende besser voran als EU-Länder mit dem Green Deal?

Betrachtet man die EU in ihrer ganzen Pracht, ist die heutige Nachricht aus dem abtrünnigen Königreich, wenn auch keine Überraschung, für viele aber dennoch eine Offenbarung. Das letzte Kohlekraftwerk wurde abgeschaltet.

Allerdings gibt es den Wermutstropfen, dass die Briten auf Atomenergie gesetzt haben und wohl auch weiter setzen werden. Bis 2050 sollen nach den noch geltenden Plänen (Tories) die Kapazitäten der Atomenergie vervierfacht werden. Ob Labour dabei bleibt, ist abzuwarten. Angeblich sind die Kosten für ein Atomkraftwerk längst aus dem Ruder gelaufen. Stichwort: Desaster-Atomkraftwerk Hinkley Point C. Im Zusammenhang mit diesem Milliardengrab wird mit Zahlen operiert, die nach purem Wahnsinn klingen. Die Pläne für den Ausbau der Kernenergie wurden unter Labour bisher nicht geändert, soweit ich weiß.

Bisher haben sich nur wenige Industrieländer komplett aus der Kohle verabschiedet: Belgien (2016), Österreich (2020), Schweden (2020), die Slowakei und Portugal (2023). Bis 2030 wollen Irland, Italien, Griechenland, die Niederlande, Finnland, Ungarn und Dänemark folgen.

Quelle

Deutschland folgt 2030 bzw. 2038 mit der Abschaltung der letzten Kohlekraftwerke.

Während viele in Deutschland sich für den Ausbau der Erneuerbaren loben, ist Großbritannien vorangeschritten und hat jetzt sogar das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet. Pikanterweise wurde diese letzte Dreckschleuder von einem deutschen Unternehmen (Uniper) betrieben.

Es ist doch doof, wenn die einen den Green Deal abschließen und die anderen ihn von allem losgelöst einhalten. Die Briten hatten mit Nordstream nichts am Hut. Das hatte andere Gestaltungsmöglichkeiten zur Folge. Während die Briten lediglich 4% ihres Gasbedarfs aus Russland deckten, war die EU mit 40 % dabei.

Der Nachruf und seine Botschaft

Vermutlich steigt die Zahl der Leute, die die Frequenz der Berichterstattung über den Tod der Queen übertrieben finden. Alle Medien scheinen Nachrufe veröffentlicht zu haben.

Sogar die ARD Regionalprogramme kommen nicht ohne die tägliche Dosis Queen Elizabeth II. aus. Der Mythos des guten Monarchen wird gepflegt. Kritische Würdigungen im Nachruf sind scheinbar unterrepräsentiert. Oder sind sie gar nicht erwünscht?

Gegenrede – Kritik

Diese Form der medialen Überbetonung ruft Widerstand und Gegenrede auf den Plan. Gegen all die netten, freundlichen Nachrufe zum Tod der Queen muss ein Kontrapunkt gesetzt werden. Wahrscheinlich wäre die Berichterstattung sonst unvollständig.

Jedes Menschenleben hat Licht und Schatten. Warum sollten Nachrufe nicht beides enthalten? Allerdings wünschte ich, dass in Nachrufen die Schattenseiten eines langen Menschenlebens fair und unparteiisch beschrieben werden.

Populäre Monarchin

Die Tatsache, dass die Queen auch in Deutschland und in anderen, vor allem europäischen Ländern, äußerst populär war (Irland mal ausgenommen), mag für manche Journalisten die explizite Aufforderung beinhalten, auch die negativen Seiten eines langen Lebens herauszustellen.

Queen Elisabeth II. ist die Repräsentantin eines Landes, für das die Kolonialzeit zu Beginn der 1980-er Jahre endete. Eine Kritik an der über 70 Jahre währenden Dienstzeit der britischen Monarchin bezieht sich auf eine Person ohne Machtbefugnis.

Gegner der Monarchie

Ist es fair oder gar geboten, der verstorbenen Königin in einem Nachruf Ereignisse anzulasten, die allein von der politischen Führung Großbritanniens zu verantworten sind?

Dass zu diesem Zweck auch Zitate anderer Personen bemüht werden, gibt dem Text vielleicht mehr Bedeutung, macht diesen Nachruf jedoch nicht besser.

Interessant ist, dass der bedeutende britische Autor seinen Text in der New York Times veröffentlichte. Ob die Zahl der Gegner der Monarchie in Großbritannien wohl groß genug ist, um einen solchen Text dort zu veröffentlichen? Andererseits bin ich ziemlich sicher, dass es auch dort kritische Nachrufe gibt.

Hari Kunzru blickt in seinem Essay auf Vergangenheit und Zukunft Großbritanniens. Das von Übermedien-Autorin  Samira El Ouassil herausgenommene Zitat in seiner ganzen Gehässigkeit hat in meinen Augen sehr wenig mit Kunzrus Intention zu tun.

Kein Sinn für Differenzierung?

Danke fürs Augen öffnen, schreibt ein Kommentator unter Frau El Quassils Beitrag. Nun, ein bisschen Geschichte kommt immer gut. Aber in einem Nachruf muss sie nicht so eingesetzt werden. Kannten wir die Schattenseiten des längst erloschenen Empire nicht halbwegs und wurden die Verstrickungen der Monarchie nicht längst hinreichend beleuchtet?

Identitätsdebatte

In diesen Zeiten, in denen Identitätsdebatten große Beachtung finden, nutzt mancher Journalist die Aufnahmefreude der woken Community allzu gern, um das Feuer nicht erlöschen zu lassen.

Das lange Jahrhundert von Königin Elisabeth II. | Quelle: https://billemmott.substack.com/p/the-long-century-of-queen-elizabeth

Wird wirklich überall der Pandemieschrecken beendet?

Es scheint so, als sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Forderungen nach Aufgabe der Coronaschutzmaßnahmen in Deutschland so laut werden, dass “die Politik” keine Ausflüchte mehr findet. Der Blick ins Ausland wäre in den vergangenen zwei Jahren an so mancher Stelle für Deutschland empfehlenswert gewesen. Also nicht nur dann, wenn es gerade passt.

Jetzt stützen sich verständlicherweise all die hellen Köpfe, die es schon immer und vor allem besser wussten als die Beschützer im Team Vorsicht, auf die verrückten Entscheidungen der Briten, Irländer, Dänen und die schon von Beginn an immer auf ganz anderen Pfaden laufenden Schweden.

Freiheitsliebe der Leute ohne Verantwortung

Die sich als besonders freiheitsliebend gerierenden Journalisten vom Schlage eines Ulf Poschardt und dem neuen Star am “Welt”en-Himmel Tim Röhn (und kürzlich erst zum Chefreporter befördert) gehen auf die Politik los, seit der Ampel noch ungehemmter als je zuvor. Aber das kommt vermutlich nur mir so vor.

Heute veröffentlichte Röhn den Artikel “Die Welle der Vernunft rollt an Deutschland vorbei“. Da ist der Titel natürlich Programm, nicht nur so etwas wie eine Bewertung des deutschen Status quo. Soweit es mich betrifft, kann ich wohl auch nicht länger beim Team Vorsicht untertauchen. Irgendwas muss sich bewegen.

Sind die Maßnahmen zu rechtfertigen, weil ein Unterschied von ungefähr 10 % bei der Impfquote in der Altersgruppe über 60 Jahre besteht? Deutschlands Quote ist vorwiegend in dieser gesundheitlich am stärksten gefährdeten Gruppe um diesen Wert deutlich geringer als die der Dänen. Dort beträgt sie sage und schreibe fast 100 %. Die Alten in Dänemark und nicht nur die haben nicht die Vorbehalte gegen das Impfen wie viele Herrschaften in unserem Land. Wahrscheinlich neigen die, anders als wir zum Leichtsinn. Überhaupt, diese Skandinavier.

Mehr Angst oder mehr Mut?

Ich denke da vor allem an die Schweden. Keine Schulschließungen und Maßnahmen, die man nur in Gänsefüßchen als solche bezeichnen kann. Wenn die Pandemie nun bald (hoffentlich) irgendwann ausklingt, werden die Schweden ein beliebtes Objekt für alle möglichen ForscherInnen auf der ganzen Welt. Wie konnte das nur geschehen?

Wie konnten wir Deutschen bloß unseren Status der organisatorischen Meisterklasse so derbe verkacken? Wenn man an den BER und unsere diversen anderen Großprojekte denken, muss ich lakonisch feststellen: Es hat sich angebahnt.

Vielleicht liegt die ängstliche deutsche Sicht wirklich in unserem Naturell? Schließlich hat sich der Begriff der “german angst” im Ausland längst etabliert. Dass wir, die Deutschen im Allgemeinen, unseren Staat und die handelnden Politiker seit Jahrzehnten dazu ermuntert haben, uns, wenn nicht alles, so doch sehr, sehr vieles an Verantwortung abzunehmen, sollte uns endlich bewusst werden. Nicht nur ein paar Marktliberalen, die wir deshalb sofort verbal ans Kreuz nageln, wenn sie wieder einen ihrer bösen Bemerkungen losgelassen haben.

Versagende PolitikerInnen

Um alles kümmert sich der Staat. Das Schlimme ist nur, dass er es uns, egal, wie viel Geld es kostet und welche Ressourcen eingesetzt werden, nichts mehr recht machen kann. Als Ausweg bleibt den VerantwortungsträgerInnen nur noch das Herumdrucksen und Ausweichen. Es macht sich in der Politik eine Feigheit breit, die mit Händen zu greifen ist. Selbst die, die klug und rhetorisch geschickt sind, bekommen keine Schnitte mehr.

Alle stempeln wir nur zu lässig als Verlierer, als diejenigen eben, die nichts richtig machen und (teilweise) nicht mal einen richtigen Beruf gelernt oder ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Twitter war gerade erst wieder voll von selbstgerechten und unglaublich bitteren Vorhaltungen gegen die neuen grünen Spitzenleute, Ricarda Lang und Omid Nouripour. Und damit meine ich nicht “nur” die besonders üblen rechten Kommentare. Der Begriff Versager wird exzessiv genutzt. Die Medien kennen da kein Pardon. Dabei sitzen die größten Versager in meinen Augen in den Redaktionsstuben und eben nicht in unseren Parlamenten.

Maßnahmen bis Ostern??

Ich weiß, dass es in Deutschland – übrigens quer durch alle Bevölkerungsgruppen – diejenigen gibt, denen die Maßnahmen gegen die Coronainfektionen wieder nicht weit genug gehen und vor allem nicht schnell genug beschlossen werden. Immer noch. Ebenso gibt es allerdings immer mehr Leute, die insbesondere die frische Ansage des baden-württembergischen Ministerpräsidenten, Winfried Kretschmann, die Coronamaßnahmen sollten noch bis Ostern weiterlaufen, für reinen Wahnsinn halten.

Da halte ich persönlich mehr von dem, was auch ein Grüner, nämlich der Tübinger OB, Boris Palmer, kürzlich vorgeschlagen hatte. Er meinte, wir sollten schnellstens die allgemeine Impfpflicht einführen und dafür alle Maßnahmen sofort fallen lassen. Vielleicht wäre das ein akzeptabler Vorschlag, ein Deal für all diejenigen, die bisher partout nicht mitmachen wollen. Wenn es nur darum geht, den Einschlag der Omikron-Variante bei ungeimpften, älteren EinwohnerInnen zu vermeiden, um die Überlastung der Intensivstationen zu verhindern, könnte das doch helfen, den Betroffenen auf die Sprünge zu helfen. Deal!?

Neue Welle im kommenden Herbst/Winter?

Die Frage ist, ob wir so Gefahr laufen, im nächsten Herbst und Winter wieder vor einer neuen Pandemiewelle stehen. Aber wer weiß das schon? Und bloß auf blauen Dunst hin, die umstrittene Impfpflicht durchzusetzen – ehrlich, das widerstrebt mir auch. Wir müssen hoffen, dass Omikron das Ende der Pandemie darstellt und dass es keine neuen Mutanten dieses Virus mehr geben wird. Falls wir mit dem Impfen weiterhin nicht vorankommen (mit und ohne Impfpflicht) könnte das ggf. dazu führen, dass – würde es im Herbst / Winter tatsächlich wieder losgehen, der gesellschaftliche Frieden massiver gefährdet würde, als das durch eine Impfpflicht vielleicht passieren kann.

Schweizer wollen keinen Vertrag mit der EU

Für Roger Köppel und seine Partei (SVP) wird es ein toller Tag sein. Ähnlich empfinden wohl die meisten Schweizer. Egal, ob dieser 26. Mai in der Schweiz ebenso vollkommen verregnet ist wie hier. Sieben Jahre Verhandlungen mit der EU bleiben aus deren Sicht, vielleicht auch aus der Sicht einer Minderheit in der Schweiz, ohne Happy End.

Gestern las ich, dass Großbritanniens wichtigster Absatzmarkt seit Neuestem nicht mehr die EU ist. Viele Briten werden diese Veränderung vermutlich mit Genugtuung betrachten. Ähnlich wie die Impferfolge ihres Landes im Vergleich zum kläglichen Bild, das die EU abgab.

Das miserable Erscheinungsbild der EU verschlechtert sich weiterhin. Man kann förmlich dabei zusehen, wie dieser graue, empathielose Apparat implodiert.

Die, die noch was auf die EU halten, tun das ausschließlich deshalb, weil sie an die Finanztöpfe des Ladens heranwollen, jedenfalls nicht aus Begeisterung für die ach so tollen “Werte”, über die die Funktionäre dieses komplett unpopulären Kunstgebildes immer noch gern faseln.

„Mindeststeuersätze sind eigentlich über die vergangenen Jahrzehnte diskutiert worden, sehr lange in der EU. Das hat man dann aufgegeben, weil es keine Einigung gab. Also, das war eine latente Diskussion für sehr lange Zeit. Neu ist, dass die USA, das explizit unterstützen. Es ist bekannt in der internationalen Besteuerung wie bei vielen anderen Dingen auf der Welt, wenn die USA etwas unterstützen, dann weiß man, es muss ernst genommen werden.“

Clemens Fuest, IFO-Chef –Globale Mindeststeuer für Unternehmen – Eine Steuer für gerechtere Wettbewerbsbedingungen / Hervorhebung durch mich

Gerade haben wir erst wieder erlebt, was die EU ausmacht, wie sie sich einen Teufel darum schert, welche Wirkungen ihr grotesk anmutendes Unvermögen und welche Abkehr all dies bei uns Bürgern ausgelöst hat.

Nach dem britischen Referendum zeigen sich die Funktionäre einsichtig. Vieles sollte zum Besseren gewendet werden. Dann wurde Ursula von der Leyen in einer Nacht- und Nebelaktion von Merkel und Macron auf den EU – Thron gesetzt. Was folgte… weiß nicht nur jeder EU-Bürger. Wir sind verraten und verkauft.

Der belarussische Diktator Lukaschenko lässt mitten in Europa [sic?] ein europäisches Flugzeug mit Europäern entführen und die EU beschließt im Eiltempo (so schnell!) Sanktionen. Was das nun wieder bewirken soll? Weiß das noch einer? Haben Sanktionen je geholfen. Wann besinnt sich die EU auf die Ursachen für ihr miserables Image? Wer kann schon erwarten, dass Putins Russland und seine willfährigen Trabanten-Fürsten die EU oder ihre Mitgliedsstaaten ernst nehmen? Dass die Ost-Europäer nur aus Angst vor den Russen und wegen finanzieller Verlockungen NATO und EU beigetreten sind, hat keinen gestört. Mal sehen, was passiert, wenn das Geld ebenso wie die Wehrfähigkeit endgültig an ihr Ende kommen.

An einer derart dahinvegetierende und deshalb wertlos gewordene EU glaube ich jedenfalls nicht mehr!

Den Laden sollen die bitte möglichst bald dichtmachen. Wir werden uns auf bilaterale Verträge beschränken können. Deutschland wäre zu empfehlen, dieses Selbstbewusstsein endlich zu zeigen. Auch, wenn einige Medienleute im In- und Ausland darüber einen Herzkasper kriegen könnten.

Vielleicht klappt das, wenn wenigstens diese Quertreiber aus Ost-Europa nicht mehr ihr Veto gegen alles und jedes, was noch halbwegs Sinn ergibt, einlegen können.

Zunächst einmal denke ich, dass die Politik der Östlichen Partnerschaft insgesamt ein Erfolg war. Es ist wahr, dass es einige Herausforderungen auf dem Weg gab. Schaut man sich aber die Entwicklungen in jedem dieser sechs Partnerländer an, hat die Zusammenarbeit mit der EU definitiv spürbare wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigungsmöglichkeiten gebracht. Sie hat auch dazu beigetragen, die Beziehungen zwischen den Menschen auf beiden Seiten zu stärken, was für eine fruchtbare Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung ist. Daher würde ich definitiv sagen, dass die Östliche Partnerschaft in ihrer jetzigen Form eine große Errungenschaft ist.

Federica Mogherini / Die Östliche Partnerschaft der EU aus der Sicht Brüssels – treffpunkteuropa.de

Große Errungenschaft? Vermutlich ist sie auch nicht viel kleiner, als die “Hochleistungsagentur Frontex”, gegen die Menschenrechtsaktivisten soeben eine Klage eingereicht haben. Das eine Thema bietet in meinen Augen schon genügend Gründe, sich von der EU und ihren “Werten” abzuwenden.

Keine Einigung? Klar doch…

  1. Sondergipfel: EU-Staaten bei Klimaschutz ohne Einigung – WELT
  2. Noch keine Einigung in Sicht: Beim EU-Impfzertifikat steigt der Druck
  3. Keine Einigung unter den 27 EU-Staaten (nd aktuell) (Wer hat an der Uhr gedreht? – Die EU kanns jedenfalls nicht.

EU / Türkei: Wieder eine Gelegenheit ausgelassen

Von allen proeuropäischen Argumenten hat mich eins wirklich überzeugt. Nur ein politisches Gebilde dieser Größenordnung kann wirtschaftlich und politisch gegen die USA, China sowie andere aufkommende Mächte bestehen. Kein einziges europäisches Mitgliedsland hätte allein die Chance, seine Interessen gegen solche Giganten durchzusetzen.

Europäische Interessen können nach außen nur durch eine starke Europäische Union gewahrt werden. Es gilt aktuell längst sichtbarer Nachteile (s. IT-Sektor), die kleine und mittlere Nationen nicht aufzuholen wären.

Frieden, Personenfreizügigkeit, offene Grenzen, großer Binnenmarkt, der (starke) Euro sind Pfunde mit denen wir Europäer wuchern können.

Diese Werte ziehen nicht alle in ihren Bann

Leider gibts aber für viele auch an diesen wenigen Punkten einiges auszusetzen. Die Personenfreizügigkeit etwa bringt für manche Menschen mehr als für andere auch Nachteile (Kriminalität nicht nur in grenznahen Bereichen), der Frieden ist für viele mehr das Verdienst der Abschreckung im kalten Krieg und weniger das des Friedensnobelpreisträgers EU). Von offenen Grenzen oder dem (starken) Euro muss man gar nicht erst anfangen.

Für mich ist ein wichtiger Knackpunkt der zu oft enttäusche Glaube an die in Sonntagsreden beschworenen, gemeinsamen europäischen Werte. Mein Wunschbild verkam zum Zerrbild.

Selbst das Verhältnis der Mitgliedsstaaten zu- und untereinander ist reichlich unklar (Polen, Ungarn, Tschechien). Das könnte daran liegen, dass die EU aus meiner Sicht viel zu schnell gewachsen ist. Bisher 28 Mitgliedsländer und immer noch sind in wirklich wichtigen Fragen einstimmige Entscheidungen erforderlich. Über die Einführung von Mehrheitsentscheidungen wird seit Jahren verhandelt. Fortschritte sind kaum erkennbar. Im europäischen Wahlkampf war das wieder mal ein Thema.

Berichterstattung geht unter

Wenn man sich ab und zu in die echten Untiefen der EU – Berichterstattung begibt, stößt man auf wenig Ermutigendes. Man könnte meinen, die EU bewegt sich deshalb wie eine Schildkröte, weil sie genau weiß, dass der Fokus der Menschen ganz woanders liegt und sonderlich große Hoffnungen auf die Reformbereitschaft eines Monstrums, bewacht von bestens abgesicherten und alimentierten Beamtenheeren und einem wahren Wirrwarr an Bestimmungen und Verordnungen eh nicht existieren.


Die Ausweitung nach Osten mag politisch opportun gewesen sein, der Union und ihrer Bindungskraft hat sie wohl eher geschadet. Bis heute bin ich nicht sicher, ob ich die Entscheidung der Briten tatsächlich so negativ sehen kann, wie dies in deutschen und anderen europäischen Medien überwiegend klingt. Anders ausgedrückt: vielleicht sollten wir Verständnis dafür haben, dass es viele Menschen gibt, denen das “Ungetüm” Europäische Union unsympathisch geworden ist?

Betrüger im Brexit-Chaos

Was hat die EU eigentlich seit der durch Lug und Betrug britischer Politiker herbeigeführten Trennungsentscheidung getan, um ihre Lehren zu ziehen? Seit Jahren werden Gespräche über Reformen geführt. Versuchen Sie einmal, die Details gewahr zu werden oder gar so etwas wie (wenigstens vorläufige) Ziele oder einen Zeitplan. Viel Spaß dabei.

Die Offiziellen der Europäischen Union begnügen sich offensichtlich damit, die Phalanx gegen die Briten zu halten. Wenn das ein Nachweis für Geschlossenheit sein soll, ist das nicht wirklich überzeugend.

EU und die Türken

Mir hätte es Gefallen, wenn die Europäische Union harte, wirksame Maßnahmen gegen Erdogans Türkei beschließen würde. Außerdem das sofortige und endgültige Ende der EU-Beitrittsverhandlungen. Vielleicht kommt da ja noch was? Maas scheint sich derweil auch mit einer gemeinsamen Erklärung zufrieden geben zu wollen. Mehr muss man dazu nicht wissen, um das Drama Deutschlands und der Europäischen Union zu erkennen. Maas erwartet “eine geschlossene Sprache” von seinen EU-Kollegen. Meine Güte. Geschlossene Sprache. Höhere Ansprüche scheint dieser Mann nicht zu kennen.

Was heißt das denn konkret?

Das ist nicht ganz klar. Denn neue Exportgenehmigungen waren schon in den vergangenen Jahren – auch wegen der ersten beiden Syrien-Angriffswellen der türkischen Streitkräfte – gesunken. Maas erklärte, dass Deutschland schon seit 2016 eine restriktive Linie für Rüstungsexporte in die Türkei umsetzt. Diese hat sich seit der Militäroffensive des türkischen Militärs auf die nordsyrische Region Afrin im vergangenen Jahr noch einmal verschärft. Anders als beim Stopp von Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien dürfen aber schon genehmigte Exporte wie geplant durchgeführt werden.

Sanktionen gegen die Türkei – Liefert Deutschland nun noch Waffen – oder nicht? (Hervorhebung von mir)

Aber wir Deutsche, vertreten durch Merkels Azubi im Auswärtigen Amt, wissen ja nicht mal, ob wir unsere Waffenexporte komplett oder nur teilweise an diesen Kriegstreiber in Ankara stoppen und für wie lange der Lieferstopp überhaupt gelten soll.

Bestimmt wird VW sein Werk in der Türkei bauen. Business as usual gilt halt in der Politik wie in der Wirtschaft. Was die Bürger dazu sagen, scheint der deutschen Regierung komplett egal.

Alle Medien verkaufen uns derweil Merkels merkeltypische (also wohltemperierte) Empfehlungen im Telefongespräch mit Erdogan als Forderungen an Erdogan. Es war keine Forderung, nur eine Empfehlung, diesen Krieg, genannt Militäroffensive, einzustellen!

Die Gründe für unsere Rezession liegen auf dem Tisch

Nationalismus bringt der Welt nichts Gutes. Das hat die Geschichte bewiesen. Jahrzehntelang dachten die meisten von uns, alle hätten das begriffen. Aber manche verstehen es nicht und erhalten für ihre egoistische Politik den Beifall ihrer Wähler.

Deutschland leidet unter Trumps bekloppter “America-First-Politik”, die sich vor allem im Handelsstreit mit China besonders drastisch zeigt und ökonomischen Vorahnungen zum gewünschten Brexit der Briten, der von Lügnern wie Nigel Farage oder Boris Johnson verursacht wurde. Die Schuldenpolitik der vorletzten italienischen Regierung, genauer gesagt, der rechtsradikalen Lega, bringt nicht nur die EU in Bedrängnis. Hoffentlich steuert die neue Regierung Italiens um.

Weltkonjunktur

Es ist keine Genugtuung, sie scheitern zu sehen, weil sie mit ihren egoistischen “Maßnahmen” auch die Welt-Konjunktur negativ beeinflussen. Die Amerikaner bekommen langsam aber sicher zu spüren, wie negativ die Auswirkungen die Politik ihres gewählten Präsidenten für sie sind.

Man kann durchaus etwas gegen die Konsequenzen der Globalisierung haben. Man kann sie zum Teufel wünschen. Aber die beschaffenen Fakten und Wirkungen werden nicht einfach verschwinden. Das Steuer sinnfrei herumzureißen, wie Trump es versucht, um einer überschaubaren Wählerklientel etwas zu beweisen, ist kurzatmig und dumm. Trumps Politik sollte besser keine Nachahmer finden! Er zwingt die Chinesen zu Reaktionen. Die Wirkung solcher Spiralen kennen wir aus der Vergangenheit. Solche Formen von Automatismus lassen nichts Gutes erahnen.

Nationaler Egoismus

Auf nationalen Egoismen beruhende “Initiativen” bringen nicht nur die Weltwirtschaft durcheinander, sondern vor natürlich auch die eigene. Die Amerikaner merken das langsam auch. Hoffentlich bleibt Zeit, Trumps unselige Entscheidungen zurückzunehmen, bevor noch Schlimmeres passiert.

Derweil läuft der Handelskrieg zwischen den USA und China aus dem Ruder und bedroht die Weltwirtschaft ernsthaft. Trump habe sich verzockt, glaubt inzwischen selbst sein ehemaliger Wirtschaftsberater Gary Cohn. Tatsächlich scheinen die Chinesen den Handelskrieg besser zu verkraften als die Amerikaner.

Rezession: Jetzt bekommen die Zentralbanker wirklich Angst – watson

Die Medien berichten ständig davon, dass die deutsche Wirtschaft aufgrund ihrer großen Exportabhängigkeit auf derartige Maßnahmen besonders empfindlich reagiert. Und ja, alles scheint darauf hinzudeuten, dass sich das BIP auch im 3. Quartal dieses Jahres leicht rückläufig entwickelt. Nachdem das BIP schon im zweiten Quartal leicht zurückging (-0,1%), spricht man dann über eine so genannte technische Rezession. Zuletzt hatten wir diese beim Jahreswechsel 2012/2013.

Rezession (breiter Abschwung)

Inzwischen stellen Fachleute einen Wachstumsverlust nicht nur in der Industrie fest, die zuerst allein betroffen zu sein schien, sondern im Dienstleistungsbereich und neuerdings auch auf dem Arbeitsmarkt. Die Ausschläge sind noch gering, dennoch werden sie inzwischen als Alarmsignal verstanden. Das Zusammentreffen der drei Faktoren wird von Fachleuten als Definition eines breiten Abschwungs betrachtet.

Was jetzt nur noch fehlt, wäre ein Auseinanderbrechen der deutschen Regierung. Die desolate Verfassung der SPD lässt diese Möglichkeit wahrscheinlich erscheinen.

Neue Regierung?

Ich erinnere mich zwar daran, dass es nach den Bundestagswahlen und den gescheiterten Jamaika-Koalitionsverhandlungen zu einer fast sechsmonatigen Hängepartie gekommen ist, während derer wir ohne Regierung auskommen mussten. Gespürt hat man davon damals allerdings, wenn überhaupt, nur wenig. Darin waren sich damals alle einig, soweit ich mich erinnere. Fast ein halbes Jahr dauerte es bis zur Vereidigung der neuen Regierung. Nun ist der Deutsche an sich kein Fan der Anarchie. Aber eine Weile gehts halt auch ohne eine Regierung wie das Beispiel gezeigt hat. Manche fanden ja, es wäre ohne sogar besser gegangen.

Außerdem könnte eine geschäftsführende Regierung ja schon mal ausprobieren, ob eine Minderheitsregierung nicht doch auch für Deutschland eine gute Sache wäre. Die Schwierigkeiten, die die Akteure beim Beschaffen der notwendigen Mehrheiten hätte, wäre für sie zwar was Neues und Beschwerliches, hätte aber bestimmt auch seine guten Seiten. Dem Demokratieverständnis von uns allen könnte das auch gut tun. Ich mag mich irren und diejenigen behalten Recht, die immer von “stabilen Regierungen” schwärmen und deshalb auf sie pochen, sobald das Thema darauf kommt.

Viele Wirtschaftsfachleute raten dazu, dass die Regierung dringend in die Infrastruktur investieren und konsumtive Ausgaben anregen solle. Für den dringend nötigen Ausbau der E-Mobilität könnte viel getan werden oder für die digitale Infrastruktur oder den Neubau dringend benötigter Wohnungen.

Schwarze Null

Es gibt zu viele Bereiche, die in der Rückbildungsphase unseres Schuldenturmes sehr vernachlässigt worden sind. Spielräume für die Maßnahmen hat die Regierung mit ihrer mehr als rigiden “Schwarze-Null-Politik” doch wirklich geschaffen. Sie stünde nicht auf dem Spiel. Schließlich sieht die Schuldenbremse im Grundgesetz für den Fall der Fälle entsprechende Flexibilität vor. Mit der EU sollte es aus den gleichen Gründen auch keine Probleme geben.

Falls die SPD spätestens nach dem Parteitag im Dezember tatsächlich den Beschluss fasst, die “Große Koalition” zu verlassen, muss das kein Beinbruch sein.

Außerdem stünden die Grünen und die FDP für neuerliche Gespräche bereit. Ich bin mir sicher, dass Christian Lindner angesichts der enormen Probleme, die seine Partei inzwischen mit ihrer öffentlichen Wahrnehmung bekommen hat, flexibler verhandeln wird. Dass die Grünen angesichts ihrer guten Ausgangslage noch ein paar Schüppen drauflegen würden, wäre auch nicht schlimm.

Ganz im Gegenteil: es würde endlich beim Thema Klimaschutz was in Bewegung kommen. Neuwahlen wollen die Grünen zum jetzigen Zeitpunkt vermutlich auch nicht, obwohl sie es sich sehr wohl leisten könnten. Die anderen Parteien, vor allem natürlich die SPD, scheuen Neuwahlen, so dass eine Übergangslösung (zu deren Vermeidung) wohl zu finden sein dürfte.

Die EU in Konkurrenz mit China und anderen Ländern

Einige Europäer und ein gebürtiger Chinese saßen beisammen und philosophierten im heutigen Phoenix “Presseclub” darüber, ob China und die EU eher Konkurrenten oder Partner seien. Charles de Gaulle sagte einmal, Staaten hätten keine Freunde, sondern Interessen. Wer würde bestreiten, dass es in dieser Welt je anders war?

Dass die (noch) 28 EU-Länder sich nicht wie Freunde, sondern oft wie ein Haufen zerstrittener Nachbarn aufführen, ist unübersehbar. Die ungewöhnlich einheitliche Haltung der EU-Staaten zu den “abtrünnigen” Briten ist eine positive Ausnahme. Der Grund für diese seltene Einigkeit liegt im Präzedenzfall der abfallenden Nation Großbritannien. Dieses Beispiel mit vielen Unsicherheiten kratzt an den Grundfesten des Verbundes. Kritiker meinen, die Geschlossenheit sei von den EU-Spitzen anbefohlen, weil man das Auseinanderbrechen fürchte. Das Argument ist witzig, weil auch in diesem Fall eben nicht die EU-Spitzen, sondern der europäische Rat, also alle Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten das Sagen haben. Vielleicht ist im Fall der Einigkeit zum Brexit interessant, dass auch die Länder, die sich sonst gern sehr kritisch zur EU äußern, die Linie der EU in diesem Fall nicht verlassen. Dahinter mehr als nur die Wahrung eigener Interessen zu vermuten, halte ich für vermessen.

Ansonsten wirkt die EU wie ein uneiniger, oft zerstrittener Haufen. Martin Schulz hat in einer TV-Talkshow zuletzt darüber geklagt, wie zerstritten die Mitglieder sich im europäischen Rat oft präsentieren. Die Flüchtlingspolitik ist für mich die schmerzlichste Erfahrung seit Langem.

Ein Argument wird Pro EU in den Mittelpunkt gestellt: die Mitgliedsstaaten seien wirtschaftlich und politisch nicht stark genug, um sich gegen andere Nationen (u.a. China, USA) und internationale Wettbewerber (Alphabet, Apple, Amazon, Microsoft etc.) behaupten zu können. Dagegen sind schwer Argumente zu finden. Wird das aber reichen, um solche bürgerfeindlichen Entscheidungen wie Artikel 13/17 der Urheberrechtsreform und die Verärgerung insbesondere vieler junger WählerInnen auszugleichen?

Die Kapitalisten in den USA und Europa haben den Chinesen ihren wirtschaftlichen Aufstieg erst ermöglicht. Die gleichen Leute waren das, die sich heute darüber beklagen, dass die Chinesen weltweit immer mehr Einfluss gewinnen. Ob die Amerikaner oder zum Teil die Europäer, jetzt jammern sie darüber, dass wenigstens in Teilbereichen Abhängigkeiten entstanden sind, die nicht so leicht aus der Welt zu schaffen sind.

Eine Billion Dollar für eine neue Seidenstraße, hohe Investitionen in Afrika und an vielen anderen Stellen der Erde oder Firmenkäufe hier in Deutschland werden nun skeptisch gesehen. Huawei ist nur ein Stein im Mosaik. Die Firma wird am Ausbau des G5 – Netzes in Deutschland beteiligt. Auf der Welt gibt es Geheimdienste (Neuseeland), die eine klare Position dazu einnehmen: “signifikantes Netzwerksicherheitsrisiko identifiziert “. Der Botschafter von Trumps Gnaden mischt sich ungebetenerweise ein. Die Wahrheit ist vermutlich sehr einfach. Deutschland braucht das Unternehmen, um diese gewaltige Aufgabe überhaupt lösen zu können. Vielleicht verfügen die anderen Wettbewerber nicht über die erforderlichen finanziellen Ressourcen oder fühlen sich allein überfordert.

Nicht die EU und Deutschland schon gar nicht, sind in der Lage den Chinesen mit so völlig unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Systemen etwas entgegenzusetzen. Manche Journalisten träumen selbst unter den gegebenen Voraussetzungen immer noch davon, das der Markt es schon richten wird bzw. dass das Spiel der freien Kräfte nicht durch staatlichen Einfluss gestört werden darf. Frau Weidenfeld hat das heute im “Presseclub” vertreten.

Übersieht sie, dass China mit staatlichen Subventionen in für hiesige Verhältnisse unvorstellbaren Größenordnungen seine Unternehmen “pampert”? Was antwortet sie
Shi Ming, der von zwanzigtausend spontan von der chinesischen Regierung einsetzbarer Wanderarbeiter berichtet, die für Projekte im Reich der Mitte oder anderswo einsetzbar sind?

Bei uns werden Flughäfen aus Unfähigkeit nicht (nie?) fertig und kommen Stromtrassen nicht voran, weil Planfeststellungsverfahren durch Eingaben und Proteste gestört werden. Die Chinesen realisieren gewaltige Infrastrukturmaßnahmen in vergleichsweise kürzester Zeit. Die dortige Regierung schwert sich einen Dreck um die Interessen ihrer BürgerInnen.

Sind solche Vergleiche fair? Treffen sie überhaupt zu? Ich möchte hier trotz der Probleme, die am Horizont aufziehen, kein Regime wie das Chinesische. Sein Einfluss auch auf Deutschland wächst jedenfalls.

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