Einige Europäer und ein gebürtiger Chinese saßen beisammen und philosophierten im heutigen Phoenix „Presseclub“ darüber, ob China und die EU eher Konkurrenten oder Partner seien. Charles de Gaulle sagte einmal, Staaten hätten keine Freunde, sondern Interessen. Wer würde bestreiten, dass es in dieser Welt je anders war?
Dass die (noch) 28 EU-Länder sich nicht wie Freunde, sondern oft wie ein Haufen zerstrittener Nachbarn aufführen, ist unübersehbar. Die ungewöhnlich einheitliche Haltung der EU-Staaten zu den „abtrünnigen“ Briten ist eine positive Ausnahme. Der Grund für diese seltene Einigkeit liegt im Präzedenzfall der abfallenden Nation Großbritannien. Dieses Beispiel mit vielen Unsicherheiten kratzt an den Grundfesten des Verbundes. Kritiker meinen, die Geschlossenheit sei von den EU-Spitzen anbefohlen, weil man das Auseinanderbrechen fürchte. Das Argument ist witzig, weil auch in diesem Fall eben nicht die EU-Spitzen, sondern der europäische Rat, also alle Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten das Sagen haben. Vielleicht ist im Fall der Einigkeit zum Brexit interessant, dass auch die Länder, die sich sonst gern sehr kritisch zur EU äußern, die Linie der EU in diesem Fall nicht verlassen. Dahinter mehr als nur die Wahrung eigener Interessen zu vermuten, halte ich für vermessen.
Ansonsten wirkt die EU wie ein uneiniger, oft zerstrittener Haufen. Martin Schulz hat in einer TV-Talkshow zuletzt darüber geklagt, wie zerstritten die Mitglieder sich im europäischen Rat oft präsentieren. Die Flüchtlingspolitik ist für mich die schmerzlichste Erfahrung seit Langem.
Ein Argument wird Pro EU in den Mittelpunkt gestellt: die Mitgliedsstaaten seien wirtschaftlich und politisch nicht stark genug, um sich gegen andere Nationen (u.a. China, USA) und internationale Wettbewerber (Alphabet, Apple, Amazon, Microsoft etc.) behaupten zu können. Dagegen sind schwer Argumente zu finden. Wird das aber reichen, um solche bürgerfeindlichen Entscheidungen wie Artikel 13/17 der Urheberrechtsreform und die Verärgerung insbesondere vieler junger WählerInnen auszugleichen?
Die Kapitalisten in den USA und Europa haben den Chinesen ihren wirtschaftlichen Aufstieg erst ermöglicht. Die gleichen Leute waren das, die sich heute darüber beklagen, dass die Chinesen weltweit immer mehr Einfluss gewinnen. Ob die Amerikaner oder zum Teil die Europäer, jetzt jammern sie darüber, dass wenigstens in Teilbereichen Abhängigkeiten entstanden sind, die nicht so leicht aus der Welt zu schaffen sind.
Eine Billion Dollar für eine neue Seidenstraße, hohe Investitionen in Afrika und an vielen anderen Stellen der Erde oder Firmenkäufe hier in Deutschland werden nun skeptisch gesehen. Huawei ist nur ein Stein im Mosaik. Die Firma wird am Ausbau des G5 – Netzes in Deutschland beteiligt. Auf der Welt gibt es Geheimdienste (Neuseeland), die eine klare Position dazu einnehmen: „signifikantes Netzwerksicherheitsrisiko identifiziert „. Der Botschafter von Trumps Gnaden mischt sich ungebetenerweise ein. Die Wahrheit ist vermutlich sehr einfach. Deutschland braucht das Unternehmen, um diese gewaltige Aufgabe überhaupt lösen zu können. Vielleicht verfügen die anderen Wettbewerber nicht über die erforderlichen finanziellen Ressourcen oder fühlen sich allein überfordert.
Nicht die EU und Deutschland schon gar nicht, sind in der Lage den Chinesen mit so völlig unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Systemen etwas entgegenzusetzen. Manche Journalisten träumen selbst unter den gegebenen Voraussetzungen immer noch davon, das der Markt es schon richten wird bzw. dass das Spiel der freien Kräfte nicht durch staatlichen Einfluss gestört werden darf. Frau Weidenfeld hat das heute im „Presseclub“ vertreten.
Übersieht sie, dass China mit staatlichen Subventionen in für hiesige Verhältnisse unvorstellbaren Größenordnungen seine Unternehmen „pampert“? Was antwortet sie
Shi Ming, der von zwanzigtausend spontan von der chinesischen Regierung einsetzbarer Wanderarbeiter berichtet, die für Projekte im Reich der Mitte oder anderswo einsetzbar sind?
Bei uns werden Flughäfen aus Unfähigkeit nicht (nie?) fertig und kommen Stromtrassen nicht voran, weil Planfeststellungsverfahren durch Eingaben und Proteste gestört werden. Die Chinesen realisieren gewaltige Infrastrukturmaßnahmen in vergleichsweise kürzester Zeit. Die dortige Regierung schwert sich einen Dreck um die Interessen ihrer BürgerInnen.
Sind solche Vergleiche fair? Treffen sie überhaupt zu? Ich möchte hier trotz der Probleme, die am Horizont aufziehen, kein Regime wie das Chinesische. Sein Einfluss auch auf Deutschland wächst jedenfalls.
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