Fußball, Politik und Symbole: Der Fall Merih Demiral und der Wolfsgruß

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Da ken­ne sich noch einer aus. Seit­dem ein tür­ki­scher Natio­nal­spie­ler im Über­schwang eines gewon­ne­nen Fuß­ball­spiels den Wolfs­gruß gezeigt hat, befass­te sich unse­re Öffent­lich­keit mal wie­der für ein paar Tage mit einem … Sym­bol. Einem bösen, weil es ja – in Deutsch­land völ­lig ver­femt – natio­na­lis­ti­sche Gesin­nung offenbart. 

Glau­ben Sie bit­te nicht, dass ich für sol­che Sym­bo­le wäre oder unbe­dingt für Nach­sicht plä­die­ren möch­te. Ande­rer­seits hat mich die Sper­re der UEFA gegen den besag­ten tür­ki­schen Natio­nal­spie­ler, Merih Demi­ral, im Nach­hin­ein nicht überzeugt. 

Gera­de des­halb nicht, weil im Vor­feld zum gest­ri­gen Spiel gegen die Nie­der­lan­de erneut die – dies­mal ganz bestimmt als Pro­vo­ka­ti­on gedach­te – Ges­te von ganz schön vie­len Tür­ken vor dem Hol­land-Spiel gezeigt wur­de. Jeden­falls, wenn man ein­schlä­gi­gen Medi­en­be­rich­ten und sei­nen Augen trau­en durf­te. Wir haben gelernt: Bei­de soll­te man nicht unkri­tisch betrachten.

„Ja, der Gruß wird mit rechts­extre­men natio­na­lis­ti­schen Grup­pen in der Tür­kei asso­zi­iert. Es gibt jedoch eine ande­re Per­spek­ti­ve, die uni­ver­sel­ler ist: Der Wolf als Sym­bol der tür­ki­schen Staa­ten seit über tau­send Jah­ren. Er ist ein Sym­bol der tür­ki­schen Iden­ti­tät.“ Man kön­ne das bei­spiels­wei­se mit dem gal­li­schen Hahn in Frank­reich ver­glei­chen.

Quel­le

Uğur Mele­ke, Jour­na­list des Hür­ri­y­et (gro­ße tür­ki­sche, kon­ser­va­ti­ve Tages­zei­tung), hat dem Focus erklärt, dass die Ges­te erheb­lich mehr ist als der Erken­nungs­gruß tür­ki­scher Rechts­extre­mer (Graue Wöl­fe). Er ver­gleicht die Bedeu­tung des Wol­fes (und des Gru­ßes?) mit der, die der gal­li­sche Hahn für die Fran­zo­sen hat. In Deutsch­land gibt es eine kri­ti­sche Öffent­lich­keit, die wegen der his­to­ri­schen Bezü­ge einen sehr kri­ti­schen Blick auf natio­na­le oder natio­na­lis­ti­sche Sym­bo­le hat. Das muss man nicht tei­len. Viel­leicht könn­te man dies aber respektieren?

Der Jour­na­list beschreibt den tür­ki­schen Natio­nal­spie­ler als unpo­li­ti­schen Men­schen und brach­te sei­ne Hoff­nung zum Aus­druck, die UEFA möge in ihrer Reak­ti­on nicht zu hart sein. Er kann­te die Sper­re für zwei Spie­le zu die­sem Zeit­punkt offen­bar noch nicht. 

Ganz im Sti­le sei­nes Prä­si­den­ten kehr­te er den Vor­wurf um und mach­te das, was wir in Deutsch­land bei vie­len Gele­gen­hei­ten um die Ohren geschla­gen bekom­men. Frau Fae­sers (übli­che) Plat­ti­tü­den kon­ter­te er mit einem Ras­sis­mus­vor­wurf. Die­ser rich­te­te sich nicht nur gegen die Innen­mi­nis­te­rin, son­dern gegen Deutsch­land als Gast­ge­ber der EM. Die inter­na­tio­na­len Jour­na­lis­ten wur­den vor dem Eröff­nungs­spiel des Tur­niers an einem ein­zi­gen Tor zum Sta­di­on zusam­men­ge­pfercht und war­ten gelas­sen, sag­te er dem „Spie­gel“.

Als Mele­ke und ande­re sich auf Eng­lisch beschwer­ten, habe er die Ant­wort bekom­men: „Wir sind in Deutsch­land. Hier wird Deutsch gespro­chen.“ Dabei hät­ten zwei Anwe­sen­de des Sta­di­onper­so­nals nicht ein­mal Eng­lisch gespro­chen. Der ras­sis­ti­schen Vor­fall ärgert den Repor­ter sehr: „Eini­ge der Prak­ti­ken der Deut­schen gegen­über ihren Gäs­ten sind über­haupt nicht ange­nehm.“

Quel­le

Damit war Jour­na­list Mele­ke mit sei­ner Kri­tik aber noch nicht am Ende. Ich habe ein­mal mehr den Ein­druck, unser Land ist in den Augen vie­ler Tür­ken, obwohl Mil­lio­nen von ihnen es mit geprägt haben und bis jetzt prä­gen, eine ras­sis­ti­sche, selbst­ge­rech­te Nati­on. Ich emp­fand ein Foto von Mesut Özil, der wohl in der Entou­ra­ge des tür­ki­schen Prä­si­den­ten mit­reis­te, bezeich­nend. Er saß auf der Tri­bü­ne gleich hin­ter Erdo­gan. Ich will gar nicht wis­sen, wie er nach sei­nen Erfah­run­gen mit dem deut­schen Natio­na­lis­mus fühlt. Was ich weiß, ist, wel­che Res­sen­ti­ments die­sem tol­len Fuß­bal­ler bis heu­te in die­sem Land ent­ge­gen­ge­bracht werden.

Zur sport­li­chen Dimen­si­on die­ser unschö­nen Geschich­te sag­te Mele­ke übri­gens: „Die Natio­nal­mann­schaft ist ein pro­fes­sio­nel­les Fuß­ball­team. Sie wird auf dem Platz ste­hen, Fuß­ball spie­len und ent­we­der gewin­nen oder ver­lie­ren. Es ist ein­fach ein Fuß­ball­spiel.“ Wenn es doch mal so wäre.

Mehr Infos

Der Wolfs­gruß ist in Deutsch­land zwar nicht expli­zit ver­bo­ten, kann aber in bestimm­ten Kon­tex­ten straf­bar sein. Die recht­li­che Situa­ti­on ist kom­plex und befin­det sich im Wandel.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Türkei

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