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Nicht reden, handeln

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von Horst Schulte

6 Min. Lesezeit

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Die Zeiten ändern sich.

Die­ser Bei­trag scheint älter als 3 Jah­re zu sein – eine lan­ge Zeit im Inter­net. Der Inhalt ist viel­leicht veraltet.

Aktu­ell gibt es wie­der viel Dis­kus­si­ons­be­darf über die Lage in Nah­ost. Zwei kom­ple­xe und weit aus­ein­an­der­lie­gen­de Sicht­wei­sen reprä­sen­tie­ren Dr. Wolff­sohn und Dr. Lüders. 

Zunächst hat­te ich Anfang der Woche bei Focus den Arti­kel des His­to­ri­kers Prof. Dr. Wolff­sohn gele­sen. Sei­ne radi­kal ein­sei­ti­ge Sicht weck­te mein Inter­es­se an der Mei­nung eines ande­ren pro­fun­den Ken­ners der Mate­rie, des isra­el­kri­ti­schen Jour­na­lis­ten und Nah­ost-Exper­ten Dr. Micha­el Lüders. 

Er hat vor­ges­tern bei You­Tube einen Pod­cast zum aktu­el­len Gesche­hen in Isra­el und zur Kon­flikt­his­to­rie ver­öf­fent­licht. Ich war nicht der Illu­si­on ver­fal­len, danach mehr von die­sem Dra­ma mensch­li­cher Geschich­te ver­stan­den zu haben. Dass Ansich­ten und Ana­ly­sen aber so weit aus­ein­an­der­ge­hen, muss man auch nicht unbe­dingt erwarten…

Richtig oder falsch?

Dass Wolff­sohn eine deut­sche Mit­schuld am Ter­ror der Hamas beschreibt, über­rascht eben­so wenig wie die wie­der­um ein­sei­ti­gen Posi­tio­nen von Micha­el Lüders für die Sache der Paläs­ti­nen­ser auf der ande­ren. Bei­de Hal­tun­gen sind bekannt und auch in Deutsch­land umstritten. 

Die stets aggres­si­ve Hal­tung Wolff­sohns ist mir unsympathisch. 

Aber es stimmt: Deutsch­land und die EU unter­stüt­zen Gaza. Mil­li­ar­den gin­gen dort­hin. Die Zah­lun­gen erfol­gen regel­mä­ßig. Auch Län­der wie Katar unter­stüt­zen Gaza mit hun­der­ten von Mil­lio­nen. Man soll­te mei­nen, am Geld liegt es nicht, dass die Men­schen dahinvegetieren. 

Es leben dort ca. 2 Mio. Men­schen. Der Gaza Strei­fen hat eine Flä­che unge­fähr so groß wie Bre­men. Die Lebens­ver­hält­nis­se der Men­schen sind furcht­bar. Wofür wird das Geld ein­ge­setzt und wes­halb ver­bes­sert sich die Lage nicht?

Ver­ant­wort­lich ist die Hamas (gewählt 2006 von der dor­ti­gen Bevöl­ke­rung). Wohin die Mit­tel flie­ßen, kann man sich (auch ohne Vor­ur­tei­le) vor­stel­len. Ver­mut­lich lan­det es bei Hamas-Füh­rern und beim Bau der Rake­ten, die Gaza selbst und Isra­el tref­fen. Dass die Hamas auch rück­sichts­los gegen die eige­ne Bevöl­ke­rung vor­geht, ist eines der Mys­te­ri­en mit denen man zuerst ein­mal klar­kom­men muss. 

Dass es Wider­sprü­che gibt, ist also selbstverständlich.

Demos mit Gewaltaufrufen und endlosen Bedrohungen

Um es klar zu sagen: Die anti­se­mi­ti­schen Demos von ara­bi­schen und tür­ki­schen Migran­ten sind zu ver­ur­tei­len. Aber bit­te nicht bloß des­halb, weil es deut­sche Stra­ßen sind, auf denen sie sich abspie­len und »wir« es nun gar nicht lei­den kön­nen, wenn »Aus­län­der« hier randalieren. 

War­um aber gera­de jetzt Hamas-Iran-Rake­ten auf Isra­el? Weil der Iran ein bren­nen­des Inter­es­se an der Wie­der­be­le­bung des 2015 geschlos­se­nen Atom­ab­kom­mens hat. Einer sei­ner geis­ti­gen Väter war der dama­li­ge US-Vize- und heu­ti­ge Prä­si­dent Joe Biden. Auch Deutsch­land misch­te mit. Feder­füh­rend war Außen­mi­nis­ter Stein­mei­er. Damals Außen­mi­nis­ter, heu­te Bundespräsident.

Deutsch­land als Frie­dens­stif­ter? Hin­ten­rum flie­ßen Ter­ror-Mil­lio­nen an die Hamas – FOCUS Online

Wäh­rend Wolff­sohn die von unse­ren Medi­en über­wie­gend vor­ge­tra­ge­nen Grün­de für die Rake­ten­an­grif­fe bestrei­tet bzw. vor allem stra­te­gi­sche Über­le­gun­gen Irans als Grün­de beschreibt, bleibt Lüders bei den bis­her bekann­ten Begründungen:

  1. Die dro­hen­de Ent­eig­nung mus­li­mi­schen Besit­zes in Ost-Jerusalem
  2. Isra­els Über­grif­fe in der al Aqsa Moschee (wäh­rend des Ramadan)

Strategische Ziele

Die wenigs­ten wer­den die Wir­kung der bei­den israe­li­schen Maß­nah­men wirk­lich nach­voll­zie­hen kön­nen. Viel­leicht haben die­se das Fass zum Über­lau­fen gebracht. Dass Iran auch sol­che Ereig­nis­se für ihre stra­te­gi­schen Zie­le nut­zen wird, ist jeden­falls höchstwahrscheinlich. 

Eben­so gut könn­ten Netan­ja­hu, der trotz wie­der­hol­ter Wah­len immer noch kei­ne sta­bi­le Regie­rung zustan­de gebracht hat, genau des­halb die Pro­vo­ka­tio­nen als Ablen­kungs­ma­nö­ver will­kom­men gewe­sen sein.

Jeder scheint irgendwie recht zu haben

Ich traue es mir nicht zu, mir auf­grund selbst so detail­rei­cher und pro­fun­der Dar­le­gun­gen, ein Urteil zu bil­den. Aber ich habe trotz­dem Ver­ständ­nis für bei­de Posi­tio­nen. Einer­seits des­halb, weil ich zuneh­men­den Anti­se­mi­tis­mus bei uns sehe, ande­rer­seits weil ich die Ver­zweif­lung über das poli­ti­sche Kal­kül einer­seits und die poli­ti­schen Erklä­run­gen – auch unse­rer Staats­ver­tre­ter – zer­mür­bend und schreck­lich schein­hei­lig finde. 

Dass Syn­ago­gen und jüdi­sche Schu­len per­ma­nent bewacht wer­den müs­sen, weil Juden in die­sem Land vor Gewalt und Ter­ror nicht sicher sind, ist ein­fach nur furcht­bar. Gleich­zei­tig sehe ich kaum rea­lis­ti­sche Mög­lich­kei­ten, die­sen Schutz so zu gestal­ten, dass er eine höhe­re Wirk­sam­keit hat. Ich muss es so lako­nisch aus­drü­cken: Die Poli­zei kann nicht über­all sein. 

Standpunkte austauschen – aber mit Anstand

Umso mehr wäre es die Auf­ga­be von Poli­tik weni­ger ihre Stand­punk­te zu ver­kün­den (im Zwei­fel, wür­de ich sagen, haben wir sie alle schon 100 Mal gehört!), son­dern auf geeig­ne­te Maß­nah­men zu setzen. 

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Dazu rech­ne ich die ein­deu­ti­gen Emp­feh­lun­gen von Ahmad Man­sour, der glück­li­cher­wei­se in die­sen Tagen zu den meist­ge­hör­ten Exper­ten für die­se Kon­flikt­la­ge zählt. Es fehlt nicht an gutem Wil­len (den unter­stel­le ich) und an poli­ti­schen Erklä­run­gen. Es fehlt an Mut und Konsequenz. 

Für unse­re aktu­el­len Pro­ble­me gibt es Ansät­ze, wie die­se in den Griff zu krie­gen sind:

  1. Dazu zäh­le ich kla­re Ansa­gen an das Kli­en­tel, das wir auf den Stra­ßen gese­hen haben. Bei den Coro­na-Imp­fun­gen vor Ort (Pro­blem­ge­bie­te) haben wir gelernt, dass auch sprach­li­che Bar­rie­ren ein Pro­blem für die Impf­be­reit­schaft dar­stell­ten. Es scheint also mög­lich zu sein, mus­li­mi­sche Migran­ten zu errei­chen, wenn ich die Erfolgs­mel­dun­gen bei die­sem The­ma rich­tig gedeu­tet habe. Kön­nen Sozi­al­ar­bei­ter vor Ort etwas gegen Anti­se­mi­tis­mus und für die Wer­te unse­res Staa­tes errei­chen? Was sonst hät­ten wir uns unter prä­ven­ti­ven Maß­nah­men sonst vorzustellen?
  2. Poli­zis­ten, die bei Ein­sät­zen lei­der ver­letzt wer­den, obwohl sie an den Ein­satz­or­ten unser aller Sicher­heit gewähr­leis­ten, dür­fen nicht von irgend­wel­chen Idio­ten als Faschis­ten oder staat­li­che Hand­lan­ger dif­fa­miert wer­den. Poli­tik, Medi­en und Bür­ger müss­ten sich viel­mehr hin­ter die Beam­ten stel­len. Statt­des­sen müs­sen sie stän­dig befürch­ten, als Ras­sis­ten beschimpft zu werden.
  3. Die Straf­ver­fol­gung muss bes­ser wer­den. Es muss dafür gesorgt wer­den, dass Täter ein­deu­tig iden­ti­fi­ziert wer­den kön­nen (hoch­auf­lö­sen­de Kame­ras an den bekann­ten Stellen/​Orten).
  4. Par­al­lel zur Bestra­fung muss der Staat dafür sor­gen, dass die betei­lig­ten und iden­ti­fi­zier­ten, ver­ur­teil­ten Straf­tä­ter nach anti­se­mi­ti­schen, ras­sis­ti­schen Demos nach Ver­bü­ßung der Stra­fe aus Deutsch­land aus­ge­wie­sen wer­den. Mit den Betei­lig­ten mit deut­scher Staats­an­ge­hö­rig­keit sol­len Sozi­al­ar­bei­ter oder Fach­leu­te ähn­li­cher Instan­zen reden und ihnen das ver­mit­teln, was sie nie gelernt oder wie­der ver­ges­sen haben.
  5. Der Erfolg sol­cher Maß­nah­men soll­te medi­al auf­be­rei­tet wer­den. Auf die­se Wei­se wäre die wün­schens­wer­te, prä­ven­ti­ve Wir­kung zu errei­chen. Die Leu­te müs­sen ler­nen, dass wir für anti­se­mi­ti­sche Aus­fäl­le die­ser Art Null Tole­ranz aufbringen. 

Ver­sucht euch mal dar­an, sol­che »Emp­feh­lun­gen« zu erstel­len. An jeder ein­zel­nen Posi­ti­on kön­nen sich vehe­men­te und bös­ar­ti­ge Dis­kus­sio­nen ent­zün­den. So ist das eben heu­te in Deutsch­land. Auch das (viel­mehr vor allem das) muss sich ändern. 

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Ich bin Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

alleiniger Autor dieses Blogs

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Ich kann die Leute nicht ändern, aber meinen Blick auf sie.

Artikelinformationen:

Gesellschaft

Antisemitismus, Demos, Deutschland, Israel, Politik, Proteste, Türkei

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