Thema: Werte

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Vom Drang nach Belehrung und Mission

Helmut Schmidt ist mit seiner Haltung zu Belehrung und Mission durch seine Politiker-Kollegen im In- und Ausland schon damals von manchen heftig kritisiert worden. Vor allem im Hinblick auf die Menschenrechtsverletzungen in China, die andererseits damals noch nicht so im Fokus waren wie heute und die Schmidt nach Ansicht seiner Kritiker nicht ernst genug nahm.

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Belehrung und Selbstverständnis

Ich finde, Helmut Schmidt hatte mit seiner Sicht und Bewertung globaler Zusammenhänge und der Kritik an unserer westlichen Überheblichkeit recht.

Er war so viel klüger als viele unserer aktuellen Politiker von SPD, Grünen oder FDP. Von der Union möchte ich gar nicht erst anfangen. Es ist schlimm, welche Ignoranz sich heutzutage fast zwanghaft zu entwickeln scheint, wenn man erst einmal an der Macht ist.

Für viele Deutsche scheint klar zu sein: Was Putin der Ukraine antut, werden wir ihm nie verzeihen. Dabei ist Putin, wie alle “Herrscher”, nur zeitlich begrenzt der Repräsentant eines Staates, der einen erbarmungslosen und verbrecherischen Krieg führt. Dieser Staat hat viele Millionen Bürger, die – wie ich unterstelle – die Politik ihres Präsidenten nicht unterstützen.

Was ist wohl von der Politik des Westens zu halten, der seine Zukunft ohne Russland plant? Deutschland spielt mit der Besetzung im AA keine gute Rolle. Worte wie werteorientierte, feministische Außenpolitik mögen in den Ohren mancher Zeitgenossen vertrauenerweckend klingen. Für mich sind es hohle Phrasen, die alles nur schlimmer machen.

Damit, dass westliche und insbesondere deutsche (grüne) Politiker ihre werteorientierte Politik reklamieren und sich damit wichtig tun, wird diese Welt nicht besser werden. Es hilft nicht, wenn die Beziehungen (übrigens auch durch Sanktionen, die i.d.R. weniger die Verantwortlichen als die jeweiligen Bevölkerungen treffen) dauerhaft zerstört werden. Nicht uns und auch nicht den Menschenrechten bzw. den Menschen, denen unser Engagement und unser Kampf gelten sollte.

Früher praktizierten Politiker ihre Politik nach den Interessen ihres Landes. Heute ist vieles hohle Phrase. So leer, dass sie den Tag nicht überdauert, an der sie ausgesprochen wurde.

Instinktlose, dumme Politiker – Mission

Hätten Politiker der Kabinette Brandt oder Schmidt sich je eine Reihe ähnlicher Fehlleistungen erlaubt, wie z.B. Frau Lambrecht oder andere in diesem jämmerlichen Regierungsteam?

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Milliardenschwere Entwicklungshilfe ohne Gegenleistung sollte es nicht mehr geben.

Zu Beginn des russischen Angriffskrieges wirkte die Solidarität mit der Ukraine überragend! Bei der UN-Abstimmung zu Kriegsbeginn wurde Russland nur von vier Ländern unterstützt. Es handelte sich um Belarus, Syrien, Nordkorea und Eritrea. Dagegen unterstützten 141 Länder die Resolution.

Das wirkte gut und es war das, was wir – der Westen – sicher auch hören wollten. Sah man etwas genauer hin, musste man zur Kenntnis nehmen, dass die Unterstützung nicht so groß war. 34 Länder enthielten sich und 12 Länder stimmten gar nicht erst ab. Das ging in der Begeisterung in der ersten Zeit etwas unter.

Über diese kritische Seite wird schon eine Weile in unseren Medien berichtet. Auch wenn viele Länder Asiens und Afrikas sich bei der Resolution enthielten oder nicht abgestimmt haben, heißt das meines Erachtens nicht, dass sie (nur) ihre Interessen im Auge haben.

Wenn das aber der Fall ist, sollten wir uns fragen, weshalb große Länder, die mehr als wohlwollend als Demokratien betrachten (Indien oder Indonesien) nicht auf der Seite des Westens stehen. Indien wickelt mithilfe europäischer Reeder Geschäfte mit russischem Öl, übrigens auch mit Europa, ab.

Im Jahr 2019 leistete Deutschland an Indien Entwicklungshilfe im Umfang von 529 Millionen Euro. Dies ist die zweitgrößte Einzelposition aus dem deutschen Gesamtranking von Entwicklungshilfe. Es ist davon auszugehen, dass sich an diesen Größenordnungen nichts Wesentliches geändert hat. Dass wir China (!!!) mit 474 Millionen Euro Entwicklungshilfe (!!!) im selben Jahr unterstützt haben, ist aus meiner Sicht ein Treppenwitz der Geschichte.

Die Türkei wurde übrigens 2019 immer noch mit 318 Mio. Euro gepampert.

In Indonesien ist Deutschland auf den ersten Blick weniger engagiert:

Bei Regierungs­verhand­lungen im November 2021 sagte das BMZ Indo­nesien 65 Millionen Euro neu zu. Davon ent­fallen 44 Millionen Euro auf die technische und 21 Millionen Euro auf die finanzielle Zu­sammen­arbeit. Bereits im Frühjahr 2021 waren 1,35 Millionen Euro bewilligt worden, um im Rahmen laufender Vorhaben auf die Coronapandemie zu reagieren. LINK

Indonesien | BMZ

Schaut man genauer nach, stößt man darauf, dass Deutschland über die KfW-Bank für eine deutsch-indonesische Klimaaktivität 2,5 Milliarden Euro locker macht. Das wurde im letzten Jahr beschlossen.

Das mag keine Entwicklungshilfe im klassischen Sinne sein und die höre vor meinem geistigen Ohr die Stimmen der Grünen, die das hervorragend und profund erklären werden. Ich verstehe so etwas jedenfalls nicht. Oder legt die Bundesregierung das Projekt aufgrund der mangelhaften Unterstützung der indonesischen Regierung etwa auf Eis? Der Klimawandel läuft weiter. Das genügt den meisten Politikern offenbar, um diese »Zusammenarbeit« mit unserem Geld am Laufen zu halten.

Es stinkt mir gewaltig, dass ich Jan Fleischhauer zustimmen muss, wenn er in seiner Focus-Kolumne von heute (»In Russland lachen sie über die mitleidigen weißen Männer im Westen«) einen berechtigten Einwand gegen die Praxis unserer Entwicklungshilfe erhebt. Das könnte auch für andere Länder gelten, die von den Nehmerländern nun in Sachen Ukrainekrieg der Russen faktisch im Regen stehen gelassen werden.

Stattdessen aber locken die G7-Länder die Egoisten aus Indien, Indonesien etc. mit mehr Geld. 600 Mrd. Euro sollen die fraglichen Länder zusätzlich erhalten, und zwar in der Hoffnung, dass sie sich solidarisch mit dem Westen zeigen. Natürlich werden keine Bedingungen mit dieser freundlichen Gabe verbunden (jedenfalls hörte man davon nichts).

Da hat Fleischhauer recht, wenn er sagt, dass wir die »Vergabebedingungen« für unser Geld umdrehen und uns für diese Methode nicht zu fein sein sollten. Geld gibts nur gegen Solidarität und Unterstützung unserer Positionen. Die Gegner des Westens, allein voran China und Russland, sind in dieser Hinsicht weitaus weniger zimperlich.

Das Wort “Ehrenmord” erklärt, es wertet nicht.

In Berlin hat es einen “Ehrenmord” gegeben. Zwei Afghanen töteten ihre Schwester, weil sie nicht damit umgehen konnten, dass sie die in unserem Land verbrieften Freiheitsrechte ausgeübt hat. Die Frau war Mutter von zwei Kindern.

Link: Ehrenmord :: Dokumentierte Fälle

Die beiden Männer fühlten sich durch den Lebenswandel ihrer Schwester gekränkt. Diese Kränkung empfanden sie als hinreichende Begründung dafür, ihre Schwester zu töten und in Bayern zu verscharren.

Dass es bei der Verwendung des Begriffs “Ehrenmorde” um eine erklärende und nicht wertende Vokabel handelt, sollten auch die begriffen haben, für die die Verwendung des Wortes heute das größte Problem darzustellen scheint. Das könnte man jedenfalls denken, wenn man Tweets gewisser AfD-Funktionäre liest oder deren Anhänger.

Bemerkenswert finde ich, dass Aktivisten ohne Zeitverlust mit dem pauschalen Vorwurf an die Öffentlichkeit aufwarten, ein #Aufschrei werde vermisst. Was wohl nichts anderes heißen soll, dass die links-grüne Community die Täter bisher noch nicht einhellig verurteilt hat.

Was soll man dazu sagen? Ich fühle mich dieser Community zwar nicht mehr so ganz zugehörig, mache aber dennoch ein paar Anmerkungen zu diesem schrecklichen Verbrechen.

Die zwei Brüder und ihre Schwester lebten bereits seit einigen Jahren in Deutschland. Sie hatte sich vom Vater ihrer beiden Kinder getrennt.

Ich denke, die drei Geschwister hatten gute Gründe zur Flucht aus ihrem Heimatland. Vielleicht gab es Probleme mit den Taliban, vielleicht lebten sie in einer der Unruheregionen, vielleicht wollten sie ein besseres Leben in einem freien Land. Einem Land, das ihnen bis dahin unbekannte Freiheitsrechte und Möglichkeiten gewährte. Dass sie ihre Geschichte, ihre Kultur und ein Stück weit ihre persönlichen Überzeugungen, religiöse eingeschlossen, mitbringen, ist so selbstverständlich, dass man nicht darüber reden müsste.

Aber nun ist etwas geschehen, was wieder von all denen instrumentalisiert wird, die sich mit der gesamten Migrationspolitik im Krieg befinden. Damit sind jedoch auch diejenigen gemeint, die unseren gesellschaftlichen Umgang mit Migranten aus unterschiedlichsten Gründen kritisch sehen.

Dass die Gesellschaft auf unmenschliche Gepflogenheiten einer fremden Kultur reagiert, ist selbstverständlich. Diese Reaktionen fallen selbstverständlich unterschiedlich aus.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich kulturell religiöse Konditionierungen (Homophobie, Antisemitismus, Antifeminismus, Islamismus) durch Prävention im Sinne einer westlichen Umprägung beeinflussen ließen. Aber was meinen Leute wie Ahmad Mansour oder Seyran Ates, wenn sie klare Ansagen, Präventionsprojekte oder klare Bekenntnisse zu solchen Taten einfordern?

Klar ist, wir weichen all den mit Migration verbundenen Problemen beinahe systematisch aus. Die Rechten sind auszunehmen. Mein Gefühl ist sowieso, dass sie im Zweifel von einer gesellschaftlichen Veränderung nur profitieren können. Das wissen sie.

Wie lautet aber die Antwort auf die Frage, welche Chance wir haben, “Ehrenmorde” unter Migranten zu verhindern? Wir sprechen gern davon, unsere Werte zu vermitteln. Dass es allerdings schon bei der Benennung der Werte allein aufgrund der unterschiedlichen politischen Positionen große Unterschiede gibt, macht deutlich, wie schwer das wird. Außerdem sagen die einen, Anpassung oder gar Assimilation sei unerwünscht bzw. dürfe nicht verlangt werden. Was schwebt uns also vor?

Bleibt es dabei, dass wir in Integrationskursen einen Abriss über unser Grundgesetz und/oder Werte vermitteln und die Migranten dazu auffordern, sich dringend etwas mehr von dem zuzulegen, was wir selbst aber kaum mehr praktizieren? Toleranz ist doch in unserer Gesellschaft fast zum Schimpfwort avanciert.

Geschieht ein “Ehrenmord”, erzeugen die Berichte und Reaktionen der Öffentlichkeit den falschen Eindruck, dass wenn nicht alle, so doch sehr viele Migranten unmöglich zu integrieren wären. Es gibt in Deutschland viele Femizide. Die Femizide sind das Problem, nicht wer sie begeht. Überwiegend werden sie von männlichen Partnern oder männlichen Familienangehörigen ausgeführt. Alle 72 Stunden geschieht in Deutschland ein #Femizid. Diese Form der Männergewalt ist in allen Gesellschaften verbreitet.

Man kann einen Blick auf die Motive der Täter werfen. “Ehrenmorde” spielen im Gesamtbild der Femizide nominal keine bedeutende Rolle. Es sei denn, die Statistiken sind falsch. Das behaupten die gern, für die von vornherein immer alles ganz klar ist. Für sie sind es die Migranten, die verantwortlich sind und deshalb ausgewiesen gehören.

Was auch immer getan werden könnte, um Integration zur positiven Erfahrung zu machen. Es muss damit beginnen, die Probleme offen zu benennen und Konsequenzen in Richtung derjenigen deutlich zu machen, die noch nicht so lange in unserem Land sind, wenn sie nicht dazu bereit sind, sich an unsere Regeln und Gesetze zu halten. Diejenigen, die das nicht lernen, müssen rigoros ausgewiesen werden. Wenn die Grünen beispielsweise fordern, dass straffällige Afghanen aufgrund der Lage in diesem Land nicht abgeschoben werden dürfen, ist das mir nicht mehr zu vermitteln. Es sollte andersherum den Afghanen klar sein, dass sie zurückmüssen, wenn sie in Deutschland Straftaten begehen.

In Deutschland mangelt es an der gebotenen Klarheit. Wer straffällig wird, muss raus aus Deutschland. Jedenfalls, solange er keinen deutschen Pass hat. Dass man Menschen ihre erlangte Staatsangehörigkeit auch wieder abnehmen können sollte, wäre eine Aufgabe, um die sich Politiker leider schon zu lange herumdrücken. Dann wäre das Problem mit den kriminellen Clans, die unser Land heimgesucht haben, auch erledigt. Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit… heißt es doch! Warum geschieht das auf diesem Feld nicht endlich?

Wenn EU-Vertreter was über Werte erzählen…

Ein Begriff wie “Werte” wird durch unglaubwürdige Handlungen insbesondere von Politikern und Journalisten immer stärker entwertet. Ehrlichkeit, Offenheit, Wahrheitsliebe, Menschenrechte, Freiheitsrechte, Toleranz, Mitmenschlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und all diese Begriffe verkümmern zu hohlen Phrasen.

Erst nachdem ich heute einen Beitrag des Putin Propaganda-Senders “Sputnik” über die so genannte Querdenker – Demo (Corona-Skeptiker unter sich) gesehen hatte, erfuhr ich von der anderen Querfront, die sich einmal mehr, diesmal in Sachen Nord Stream 2, gebildet hat. Es wird immer verworrener und — gefährlicher.

Jetzt drehen Gysi (Linke) und Linnemann (AfD) die Argumentation bezüglich des Attentats auf Nawalny um und bezichtigen dunkle Kräfte, beispielsweise die Gegner des North Stream 2 – Projektes, den Anschlag durchgeführt zu haben, um Russland damit zu schaden. Keine These ist mehr verwegen oder dumm genug, um nicht in der politischen Auseinandersetzung über immer mehr Themen missbraucht zu werden.

Sputnik und rt Deutsch verbieten!

Sputnik raunt im erwähnten Video, dass “der Sturm auf den Reichstag” von der Antifa initiiert wurde. Die Polizei soll auch in diesem Komplott verwickelt sein. Weshalb sonst wäre am Reichstag nur so wenig Polizei präsent gewesen? Und sowas kriegt Likes und positive Drukos en masse.

Die Bildungsmisere im Land hat offensichtlich Ausmaße, die ich nie für möglich gehalten hätte.

Warum schmeißt YouTube die elenden Propaganda-Sender rt Deutsch und Sputnik nicht aus dem Angebot und warum unterbindet unsere Regierung diese Unterwanderung mit putinscher Propaganda nicht? Was sind das für Redakteure und Journalisten, die in fremdem Auftrag gegen den deutschen Staat agitieren und kann man dem nicht Einhalt gebieten, ohne gleich mit Zensurvorwürfen konfrontiert zu werden?

Was wohl in Russland oder China passieren würde, wenn andere Länder vor Ort solche staatszersetzenden Sendungen ausstrahlten? Das wäre schlicht undenkbar. Anders ausgedrückt: Sowas gibt es dort so gut wie nicht, weil alle journalistischen Tätigkeiten, die nicht auf Regierungslinie liegen, mit harter Hand unterbunden werden. Ähnliche Verhältnisse gibt es in der Türkei. Dass hier in Deutschland Millionen von Türken ihre Heimatsender verfolgen, die annähernd zu 100% auf Regierungslinie liegen und deshalb entsprechend in unser Land negativ hineinwirken, finde ich persönlich kritisch. Die Wirkung einseitigen Informationen erkennt man leider auch daran, wie schwer es manchmal ist, im Netz mit Türken “ins Gespräch” kommt.

Eine Demokratie muss auch in der Lage sein, sich mit adäquaten Mitteln gegen ihre Feinde zu wehren und darf keine Angst davor haben, von deren Anhängern wegen irgendwas Undemokratischem bezichtigt zu werden!

Querfront der Werte…

Nun, was ich von der AfD halte, braucht ich hier nicht aufzuwärmen. Dass die Linke – und es ist nicht nur Gysi – sich Pro-Putin äußerst, ist nicht neu. Weitere Verschwörungstheorien angesichts der ungeklärten Vorgänge um Nawalny sind allerdings wenig hilfreich. Aber Gysi verfolgt eben andere Motive. Das sollte SPD und Grünen sehr zu denken geben, was eine theoretische Koalition mit dieser Partei nach den Wahlen im nächsten Jahr angeht. Es stimmt, dass die Linke außenpolitisch, na sagen wir, eine mitunter etwas merkwürdige Linie vertritt.

Ich hatte nicht ohne Grund davor gewarnt, dass die deutsche Regierung und Teile der Union so eindeutig gegen die Russen Stellung beziehen und ohne Klärung der Hintergründe nach harten Sanktionen rufen.

Dass das North Stream 2 – Projekt einer der wenigen erfolgversprechenden Hebel gegen Putin und seine Verbündeten ist, steht außer Frage. Inzwischen hat sich auch die französische Regierung zu dem Vorwurf geäußert, so dass auf europäischer Ebene allmählich doch so etwas wie eine geschlossene Front gegen Putin zu entstehen scheint. Die Franzosen hat in dieser Hinsicht eine Sonderrolle (eher freundlich gegen Russland) innerhalb der EU eingenommen.

Für wie dumm halten westliche Politiker Putin?

Ich erinnere mich, dass auch bei einem anderen Vergiftungsfall gleich die Vorwürfe in Richtung Kreml laut wurden. Damals wie heute lautete ein Gegenargument, wie es denn wohl um die Logik dieser Beschuldigung bestellt sei.

Wieso sollten Putin oder seine Leute ausgerechnet ein Gift für einen solchen Anschlag wählen, das eindeutig auf den Urheber schließen lasse? Wäre es nicht viel klüger und läge das nicht 100%ig im Spektrum der Möglichkeiten der infrage kommenden Leute, wenn ein gar nicht nachweisbares Gift (die es natürlich auch gibt) eingesetzt worden wäre? Man hat versucht, Nawalny durch einen anonymen Killer ausschalten zu lassen? Warum gerade jetzt? In Russland stehen zwar Kommunalwahlen an, die einiges zum Nachteil Putins verändern könnten, hörte ich.

Andererseits frage ich mich, ob die Arbeit Nawalnys nicht schon immer eine ziemliche Bedrohung für Putin gewesen ist. Warum sollte er ausgerechnet jetzt zum Äußersten greifen? Nur wegen möglicher Nachteile bei irgendwelchen Kommunalwahlen?

Andererseits ist der Druck auf die Pipeline immer stärker angestiegen. Auch die US-Amerikaner, allen voran ihr komischer Präsident, haben sich immer wieder kritisch dazu geäußert. Wer sagt, dass es nicht die CIA oder ein anderer Geheimdienst der Amis war, der Nawalny mit russischem Nervengas vergiftet hat? Gelegen käme das den Amis auch in wirtschaftlicher Hinsicht und wir wissen, dass die für solche Vorteile so einiges tun.

Wem nutzt es?

Das ist zu abenteuerlich und klingt sehr US-feindlich? Ja, das ist es natürlich. Genauso wie die unbewiesenen Vorwürfe gegen Putins Russland.

Dass North-Stream 2 nicht im Sinne vieler EU-Staaten (vor allem der im Osten) ist, war längst hinlänglich diskutiert. Jetzt geht es um 150 km und um Milliarden, die bereits in diese Pipeline investiert wurden. Ungefähr die Hälfte der 9 Mrd., die das Ding bisher gekostet hat, geht zu Lasten der Deutschen. Der Bewerber um den EU-Kommissionschefsessel, Manfred Weber, sagte gestern, man müsse diese Kosten abschreiben, weil es um etwas Größeres gehe als um Geld. Das sagt sich leicht, wenn es einem nicht gehört. Ich finde diese Aussage abgeschmackt und ziemlich dreist von diesem Mann, der ständig über die Werte der EU quatscht und dabei bestimmt selbst längst nicht mehr weiß, um welche es sich da eigentlich handelt.


Werte der EU

Gestern las ich einen erschüttenden Artikel über diese angeblich von der EU so hochgehaltenen Werte. Die Migrationsforscherin Hess sagte in einem Interview mit der Tagesschau:

Denn es sind schwarze Körper, die an der EU-Außengrenze drastisch abgewehrt werden und sterben. Nicht nur im Mittelmeer, sondern auch entlang der türkisch griechischen Grenze, zwischen Bosnien und Kroatien werden immer wieder Tote aufgefunden. Man könnte auch von einer Politik des Sterbenlassens sprechen.

Pocket – Migrationsforscherin: “Politik des Sterbenlassens” an EU-Grenzen

Am Abend sah ich in der schweizerischen TV-Sendung 10vor10 diesen Beitrag, der ebenfalls viel über diese so genannten Werte der EU aussagte. Da werden lebende Tiere von Europa nach Nordafrika verschifft, damit sie dort “halal” geschlachtet werden können. Damit, dass ich diese ekelhafte Schlachttechnik erwähne, richtige ich mich nicht gegen die Sitten und Gebräuche in anderen Ländern, sondern vielmehr gegen die schreckliche Skrupellosigkeit westlicher Geschäftsleute und natürlich der sie unterstützenden Politiker. So etwas geschieht im Namen der EU und ihre Vertreter wollen uns etwas von irgendwelchen Werten erzählen. Da möchte ich laut losschreien.

Warum wird von deutschen Leitmedien Merkels Empfehlung als Forderung an Erdogan verkauft?

Merkel hat in einem Telefongespräch von Erdogan die “umgehende Beendigung” der Syrienoffensive gefordert. Die türkische Offensive ist längst ein grausamer Krieg – auch gegen Zivilisten!

Von einer Forderung Merkels schreiben Spiegel und andere.

Sich für etwas auszusprechen – und mehr hat Merkel nicht getan – ist keine Forderung. Das sollte man den Journalisten, die das geschrieben haben, wirklich mal sagen!

Im Artikel erfährt man, dass die Initiative zu diesem Telefonat von den Türken ausging. Außerdem lesen wir, dass eine Regierungssprecherin berichtet habe, dass sich Merkel in diesem Telefongespräch für eine umgehende Beendigung der Militäroperation ausgesprochen habe.

Viele wünschen sich, dass unsere Regierung klare Ansagen in Richtung Türkei macht. Sie tut es nicht! Dafür machen das jetzt unsere Medien. Fast alle behaupten, Merkel habe “gefordert”, dabei hat sie sich lediglich für eine Beendigung der Militäroperation ausgesprochen.

Ich finde, eine Forderung ist etwas anderes, als sich “für etwas auszusprechen”. Nun kennen wir Erdogans Reaktionen inzwischen ein bisschen. Zugegeben, die Beschreibungen in deutschen und anderen europäischen Medien sind ein bisschen parteiisch und die türkischen Medien berichten über derartige politische “Aussprachen” etwas anders.

Ich will nicht drumherum reden: es kotzt mich an wie Erdogan mit uns Europäern redet. Seine Gestik, seine Wortwahl sind keinen Deut besser als jene des amerikanischen Präsidenten. Offenbar lassen unsere viel beschworenen Werte nicht zu, dass klare Positionen ausgesprochen werden und zur Abwechslung einmal zu Maßnahmen gegriffen wird, die die Türken tatsächlich treffen. Und diese gibt es durchaus!

Wertekanon der EU

Die Beschreibung im “Spiegel” passt ja zu dem immer wieder erwähnten, nur leider wenig überzeugenden Wertekanon, der aus der EU und aus Deutschland nach Ankara hinüberschallt.

Nicht weniger überzeugend kommen auch die warmen Worte von Donald – das Genie – Trump – in Richtung der kurdischen YPG-Milizen in Nordsyrien. Sie mögen sich angesichts der militärischen Offensive aus der Region “zurückziehen”.

Von Sanktionen und von völliger Vernichtung der türkischen Wirtschaft hatte Trump in einem Tweet gefaselt. Welche Sanktionen aus den USA und der EU auf die Türken zukommen? Erfahrungsgemäß wohl härtere als die aus Europa.

Aber wir kennen die Wirkung der Maßnahmen aus anderen Konfliktlagen. Fakt ist, dass der völkerrechtswidrige Krieg der Türken viele Opfer kostet. Inzwischen hören wir, dass ca. 140.000 Menschen aus der Region hauptsächlich ins Landesinnere geflohen sind. Die Zahl der Toten variiert je nach Quelle.

Fluchtursachenbekämpfung

Und was tut die deutsche Regierung? Sie hält sich deutlich zurück. Man darf wohl sagen: es ist wie immer.

Dabei hätte sie wesentlich mehr Spielraum, um Erdogans Regime richtig weh zu tun. Dazu gehört z.B., dass VW kein Werk in der Türkei baut!

Aber das möchte die Regierung nicht, weil sie vermutlich darauf hofft, dass der Konflikt schnell beendet ist und die Wirkung von Erdogans visionärem Wohnprojekt in der Sicherheitszone von 38 x 480 Kilometern, bald segensreiche Wirkung entwickelt. 140 Dörfer und zehn Städte mit Schulen, Krankenhäusern und Moscheen sollen in der Zone erbaut werden. Dorthin werden dann viele der ca. 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge, die sich heute in der Türkei befinden, umgesiedelt. Das sorgt in der Türkei für etwas Ruhe. Denn dort sind die Einheimischen von den Problemen seit Jahren stark gefordert. Zum anderen kann Erdogan seine am Boden liegende Bauindustrie auf Kosten der Europäer aufpäppeln.

Hoffnungsvolles Projekt…

Ob die Europäer dieses Projekt, das wir natürlich auch bezahlen dürfen (24,4 Milliarden Euro!) als hoffnungsvolles Modell betrachten, in die Kategorie “Fluchtursachenbekämpfung” einordnen? Zynisch genug wären unsere Politiker.

Nochmals zur Klarstellung: Deutschland tut gar nichts. Deutschland lässt den Despoten sein Werk verrichten, die Kanzlerin reagiert mit einer “Empfehlung” an Erdogan. Unser Außenminister droht mit Sanktionen und die Türken lachen sie derweil kaputt über die EU und über Deutschland. Es ist wie immer.


Würde der Krieg durch Sanktionen des Westens beendet werden, könnten die Europäer ihr Geld sinnvoll für das von Erdogan erfundene (sic?) Projekt einsetzen und in Nordsyrien eine Sicherheitszone einrichten. Wenn Erdogan das schafft, sollten wir es (ohne Blutvergießen und im wohlverstandenen eigenen Interesse) auch schaffen.

Zwei Klubs, eine EU?

Wer steht im Moment noch zur EU? Gut, ein paar Leute finden es ja gut, dass von der Leyen Kommissionschefin werden soll. Weil sie deutsch und weil sie eine Frau ist. Als Empfehlung scheint das offenbar auszureichen.

Mein Gefühl ist, dass die EU in all ihrer Zerrissenheit, in der sich gerade befindet, sie nicht zukunftsfähig ist!

Dabei haben wir WählerInnen unseren Stiefel dazu beigetragen, dass in Brüssel und Straßburg vernünftig weitergearbeitet werden kann und nicht die Zerstörer Europas dominieren.

Das Personalgeschacher, das uns gegenwärtig vorgeführt wird, erschüttert viele Anhänger der EU und lässt sie an ihrer positiven Einstellung zweifeln. Das Gefühl habe ich nicht nur, wenn ich Rolf-Dieter Krauses Frustvortrag in der Phoenix-Runde oder im Podcast von Gabor Steingart in Betracht ziehe. Der Mann ist mir als glühender Anhänger der EU in Erinnerung. Er stellte die Frage der Fragen in dieser Woche gleich zweimal: “Wieso soll man da noch zur Wahl gehen?”

In dieser Krise springt ein deutscher Wissenschaftler in die Bresche, der der neuerdings von mir gar nicht mehr so geschätzten “NZZ” ein paar alternative Ansätze für eine Zukunft der EU anbietet, die für nationalistische Schweizer ebenfalls sehr genehm wären.

Gabriel Felbermayr ist der neue Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Neue Besen kehren gut. Und Felbermayr hat gleichzeitig den Staubsauger eingeschaltet.

Er schlägt, nicht ganz neu!, eine Teilung der EU in zwei Bereiche vor.

Man ahnt, was jetzt kommt. Nicht das Europa der zwei Geschwindigkeiten – das wäre ein zu positives Bild.

Er schlägt zwei Klubs vor, einen inneren und einen äußeren. Der Innere wäre derjenige, der die europäische Integration weiter vorantreibt und der andere Klub wäre derjenige, der sich auf die wirtschaftlichen Vorzüge eines losen Staatenbundes stützt. Das wäre was für Großbritannien und die Schweiz, meint die NZZ.

Dass, was in der EU so gern als die gemeinsamen Werte betont wird, also beispielsweise die Personenfreizügigkeit, wäre dann für den Klub fehlbermayrischer Prägung kein Thema mehr. Was könnte man sich da für Geld und Ärger sparen?! Und – er hats untersucht und herausgefunden:

«Auch ohne Personenfreizügigkeit erreicht man laut unseren Schätzungen mit dem freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr 80 bis 85% der Wohlfahrtsgewinne.»

[…] Dass man den Briten androht, sie müssten auf die anderen drei Freiheiten verzichten, wenn sie die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht akzeptieren, ist falsch.

EU ohne Briten zentralistischer: Gabriel Felbermayr im Interview

Nur maximal 20% mehr Wohlfahrtsgewinn durch Personenfreizügigkeit? Dafür haben wir also diesen hochgehaltenen EU-Wert Personenfreizügigkeit mit all den negativen Begleitumständen in Kauf genommen? Das hätte man mal vorher wissen müssen!

Noch ein bisschen deutlicher wird es hier:

Wenn man sagt, die EU-Bürger sollen dort arbeiten können, wo sie wollen, ist das etwas anderes, als wenn man gleichzeitig den vollen Zugang ins jeweilige Sozialsystem fordert. Die Kritik entzündet sich in Grossbritannien oder auch in der Schweiz vor allem an Letzterem. Wenn Migration durch die Grosszügigkeit des Sozialsystems ausgelöst wird, schafft dies keinen Mehrwert.

EU ohne Briten zentralistischer: Gabriel Felbermayr im Interview

Die Migration in die Sozialsysteme. Diese Position ist ja nicht ganz unbekannt.

Bei der NZZ hört man sowas gern, weil es dem Credo von Weltwoche und NZZ so viel eher entspricht.

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