Webmasterfriday: Von der Gedanken- zur Meinungsfreiheit

HS230625

Horst Schulte

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Die Mei­nungs­frei­heit ist etwas ganz Selbst­ver­ständ­li­ches für uns. Das geht soweit, dass wir uns manch­mal gar nicht mehr bewusst machen, dass sie ein Fun­da­ment für unse­re offe­ne plu­ra­lis­ti­sche Gesell­schaft darstellt.

Ist die freie Mei­nungs­äu­ße­rung die logi­sche Kon­se­quenz der Mei­nungs­frei­heit oder ist in die­ser Fra­ge ein mög­li­ches Miss­ver­ständ­nis angelegt?

Ich fin­de, die Wir­kung von Mas­sen­me­di­en in den letz­ten Jahr­zehn­ten ins­be­son­de­re in den west­li­chen Demo­kra­tien und die enor­men Ver­än­de­run­gen durch das Inter­net machen eine Dif­fe­ren­zie­rung die­ser bei­den Begrif­fen sinn­voll und auch not­wen­dig. Jeder Mensch ist ver­ant­wort­lich für das was er sagt und tut. Wenn er durch sei­ne Mei­nungs­äu­ße­rung ande­re Men­schen belei­digt (objek­tiv oder sub­jek­tiv) soll­te er sich wenigs­tens des­sen bewusst sein. Aber inter­es­siert uns das heu­te über­haupt noch? So, wie wir auf das Recht zur „frei­en Mei­nungs­äu­ße­rung“ pochen, soll­te das zumin­dest doch der Fall sein.

Meinungsfreiheit und die „freie Meinungsäußerung“

Ich hal­te den Begriff „freie Mei­nungs­äu­ße­rung“ für unprä­zi­se. Ich glau­be, Mei­nungs­frei­heit ist unteil­bar, die freie Mei­nungs­äu­ße­rung stößt jedoch da an ihre Gren­zen, wo sie die per­sön­li­che Inte­gri­tät ande­rer Men­schen ver­letzt. Aber das geschieht per­ma­nent. Auch die Explo­si­on der vie­len Come­dy-For­ma­te zeugt davon. Bedau­er­li­cher­wei­se hat das Kaba­rett die­se Ten­denz teil­wei­se eben­falls übernommen.

Wir schät­zen die Men­schen, die frisch und offen ihre Mei­nung sagen – vor­aus­ge­setzt, sie mei­nen das­sel­be wie wir.Mark Twa­in

Die Grün­de dafür, dass wir so sehr zum Recht­ha­ben (jeder hat das Recht auf mei­ne Mei­nung!) nei­gen, sind ver­mut­lich viel­fäl­tig. Sie rei­chen von der Frus­tra­ti­on über die eige­ne Lage, über blan­ken Voy­eu­ris­mus, bil­li­ge Scha­den­freun­de bis hin zum Ver­such durch die Her­ab­set­zung von Insti­tu­tio­nen und Men­schen, deren Über­zeu­gun­gen einem nicht pas­sen, zu diffamieren.

Rücksichtslose Feldzüge

Ich ver­fol­ge bei­spiels­wei­se die Dis­kus­sio­nen über die soge­nann­te „Lügen­pres­se“ und schwan­ke zwi­schen Sor­ge und Abscheu hin und her. Das ist weder Kri­tik noch Mei­nungs­äu­ße­rung, eher ist es ein „Ver­nich­tungs­feld­zug“. Übri­gens durch­aus auch im Selbst­ver­ständ­nis der Akteu­re. Die wol­len nicht nur spielen.

Foto von ger­alt /​Pix​a​bay​.com

Men­schen wer­den ohne Not ver­letzt. Die­ser Gedan­ken geht mir sogar durch den Kopf, wenn ich die von mir so gelieb­te „Heu­te Show“ im ZDF sehe.

Um kein Miss­ver­ständ­nis auf­kom­men zu las­sen: Wenn unter­schied­li­che Mei­nun­gen auf­ein­an­der­pral­len, muss das nicht fried­lich ablau­fen. Nicht jeder hat ein so unge­sun­des Har­mo­nie­be­dürf­nis wie ich.

Man soll, man darf sich strei­ten, denn das gehört zum Leben dazu. Aber wir soll­ten wis­sen, dass es Gren­zen gibt und die­se auch respektieren.

Streitkultur

Der Begriff Streit­kul­tur fällt mir an die­ser Stel­le ein. Die­se Form des Umgangs mit ande­ren Men­schen lernt man gewöhn­lich bereits als Kind durch die Dis­kus­sio­nen in der Fami­lie, im Kin­der­gar­ten und in der Schu­le, so dass es nor­ma­ler­wei­se nicht zu den Defi­zi­ten und Aus­wüch­sen kom­men dürf­te, die wir heu­te – vor allem im Inter­net – mit wach­sen­dem Unbe­ha­gen beob­ach­ten müssen.

Unter Bloggern

Ich blog­ge schon seit vie­len Jah­ren und ganz bestimmt habe ich an der einen oder ande­ren Stel­le eben­falls übertrieben.

Was ich aller­dings in man­chen ande­ren Blogs heut­zu­ta­ge lesen muss, ist ungleich schlim­mer. Zum Bei­spiel wer­den ganz enorm belei­di­gen­de Begrif­fe für Men­schen ver­wen­det, etwa nur, weil sie eine ande­re poli­ti­sche Rich­tung ver­tre­ten. Und damit mei­ne ich nicht ein­mal seit Jah­ren infla­tio­när ein­ge­setz­te Belei­di­gun­gen wie „Gut­mensch“.

Bei grün-links­ver­siff­tem Gut­men­schen klappt mir schon eher die Kinn­la­de aller­dings her­un­ter. Oder wenn Jour­na­lis­ten als „Maul­hu­ren“ dif­fa­miert wer­den und NS-Begrif­fe wie „Lügen­pres­se“ in den dort übli­chen Pro­test-Jar­gon Auf­nah­me finden.

Ich muss es mir aller­dings auch gefal­len las­sen, dass ich es an der von mir gefor­der­ten Dif­fe­ren­zie­rung eben­falls manch­mal feh­len las­se. Ich gebe zu, für mich sind alle Pegi­da-Teil­neh­mer Nazis. Ich könn­te mich damit ent­schul­di­gen, dass Men­schen, die sich von den Initia­to­ren der Ver­an­stal­tun­gen so ver­ein­nah­men las­sen, es nicht anders ver­dient hätten.

Richtig oder falsch?

Es ist dar­über schon so viel Rich­ti­ges und Fal­sches geschrie­ben wor­den. Die Stand­punk­te ste­hen fest, und eine Bewe­gung der Posi­tio­nen ist nir­gends aus­zu­ma­chen. [alert type=„success“ close=„false“ heading=„“]Das soll­te in einer Demo­kra­tie nicht passieren.[/alert] Aber nun ist es pas­siert, und auch das hat etwas mit dem The­ma des dies­wö­chi­gen Web­mas­ter­fri­day zu tun („Wie frei ist die Meinungsäußerung?“).

Ich habe im Gegen­satz zu vie­len ande­ren Zwei­fel dar­an, dass es sich beim Nach­druck der Char­lie-Heb­do-Kari­ka­tu­ren in vie­len Zei­tun­gen um Soli­da­ri­tät oder das Ein­ste­hen für Pres­se- und Mei­nungs­frei­heit han­del­te. Auf mich wir­ken die­se Aktio­nen mehr wie die Mut­pro­ben von puber­tie­ren­den Jugendlichen.

Ich mag ver­dam­men, was du sagst, aber ich wer­de mein Leben dafür ein­set­zen, dass du es sagen darfst.Vol­taire

wei­te­re Bei­trä­ge zum Thema:

  1. Freie Mei­nungs­äu­ße­rung im Inter­net und anderswo
  2. Web­mas­ter­fri­day: Die Sache mit der Mei­nungs­frei­heit | Jaellekatz
  3. Recht auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung › Saphi­r­as World
  4. Web­mas­ter Fri­day – Blog­ger und die Meinungsfreiheit
  5. Wie frei ist die Mei­nungs­äu­ße­rung? – Blogstories
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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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3 Gedanken zu „Webmasterfriday: Von der Gedanken- zur Meinungsfreiheit“

  1. Hans 21 17. Januar 2015 um 16:37

    Hal­lo Horst,
    was wäre es doch schön, wenn es fried­lich gin­ge, sich zu strei­ten, auch bei unter­schied­li­chen Mei­nun­gen. Auch ein fried­li­cher Streit kann ein guter Streit sein, der für bei­de Sei­ten inso­fern gut aus­geht, dass sich nie­mand als Ver­lie­rer füh­len muss. Ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem ich mei­ne Mei­nung (wei­test­ge­hend) sagen darf. Ich müss­te es viel­leicht noch öfter tun. Manch­mal denk ich dann aber, wem ist gehol­fen, aber ande­rer­seits, wem ist gehol­fen, wenn man die Klap­pe hält?
    Schö­nes Wochen­en­de und HG Hans

  2. Hans 21 18. Januar 2015 um 19:30

    Hal­lo Horst, für mich war es deutlich 😉
    HG Hans

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