Ich schreibe an Martin Schulz und Jean-Claude Juncker

Heri­bert Prantl, Süd­deut­sche Zei­tung, hat wie­der ein­mal den ganz gro­ßen Prü­gel raus­ge­holt. In einer wei­te­ren Kolum­ne zur Flücht­lings­po­li­tik wirft er der EU schwe­res Ver­sa­gen vor und emp­fiehlt, ihr des­halb der Frie­dens­no­bel­preis wie­der abzu­neh­men. Ich fin­de, der Vor­schlag ist gut und – was einen Ein­trag in den Kalen­der recht­fer­ti­gen könn­te – die­se For­de­rung wird ver­mut­lich auch von denen mit­ge­tra­gen, die ich hier nur noch als Men­schen­fein­de bezeich­ne. Tja, dabei hal­ten sie sich doch für die letz­ten klar­den­ken­den und vor allem recht­schaf­fe­nen Deut­schen. Die haben es gar nicht mit uns trot­te­li­gen und links-grün­­ver­­­siff­­ten Gut­men­schen. Vie­len von denen ist es nicht unrecht, wenn mög­lichst vie­le Flücht­lin­ge schon auf dem Meer ster­ben. So betre­ten sie deut­schen Boden erst gar nicht. Für die, die sich über die­se Bemer­kung jetzt auf­re­gen: Ich lese Goog­le+- und Face­­book-Kom­­men­­ta­­re. Da steht das drin. Aber im Hass gegen die EU herrscht ja doch noch so etwas wie eine deut­sche Einig­keit, die einem wie­der­um aus ganz ande­ren Grün­den die Angst in… 

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Heri­bert Prantl, Süd­deut­sche Zei­tung, hat wie­der ein­mal den ganz gro­ßen Prü­gel raus­ge­holt. In einer wei­te­ren Kolum­ne zur Flücht­lings­po­li­tik wirft er der EU schwe­res Ver­sa­gen vor und emp­fiehlt, ihr des­halb der Frie­dens­no­bel­preis wie­der abzunehmen.

Ich fin­de, der Vor­schlag ist gut und – was einen Ein­trag in den Kalen­der recht­fer­ti­gen könn­te – die­se For­de­rung wird ver­mut­lich auch von denen mit­ge­tra­gen, die ich hier nur noch als Men­schen­fein­de bezeich­ne. Tja, dabei hal­ten sie sich doch für die letz­ten klar­den­ken­den und vor allem recht­schaf­fe­nen Deut­schen. Die haben es gar nicht mit uns trot­te­li­gen und links-grün­ver­siff­ten Gutmenschen.

Vie­len von denen ist es nicht unrecht, wenn mög­lichst vie­le Flücht­lin­ge schon auf dem Meer ster­ben. So betre­ten sie deut­schen Boden erst gar nicht. Für die, die sich über die­se Bemer­kung jetzt auf­re­gen: Ich lese Goog­le+- und Face­book-Kom­men­ta­re. Da steht das drin.

Aber im Hass gegen die EU herrscht ja doch noch so etwas wie eine deut­sche Einig­keit, die einem wie­der­um aus ganz ande­ren Grün­den die Angst in die Glie­der fah­ren las­sen könnte.

Sicher wer­den sich jetzt schon wie­der ein paar Leu­te auf den Schlips getre­ten füh­len. Weil ich wie­der so unge­niert pau­scha­lie­re. Pau­schal Beschul­di­gun­gen las­sen schlech­te Lau­ne ent­ste­hen. Ich weiß das, weil mir das sogar jetzt, beim Schrei­ben pas­siert. Aller­dings glau­be ich, dass es gut ist für mich, die Din­ge, die mich quä­len und die ich mit mir her­um­schlep­pe, hier raus­zu­las­sen. Wofür habe ich schließ­lich einen Blog?

Ich habe das Gefühl, dass es viel zu vie­len in unse­rem Land ganz recht ist, wie pas­siv abwar­tend sich unse­re Regie­rung in die­ser Fra­ge verhält.

Ich ver­wei­se in die­sem Zusam­men­hang auf Innen­mi­nis­ter Tho­mas de Mai­ziè­re, der Hilfs­maß­nah­men für Flücht­lin­ge mit dem „Argu­ment“ ablehnt, dass eine EU-See­not­ret­tung des­halb kon­tra­pro­duk­tiv wäre, weil dies nur den Schlep­per­ban­den in die Hän­de spie­len wür­de. Da hat Prantl wie­der Recht. Das ist ein ganz schlim­mer Zynis­mus, den ich ehr­lich gesagt bei einem Mann wie de Mai­zié­re nicht erwar­tet hätte.

Ich erin­ne­re mich noch sehr gut, wie nach der letz­ten Kata­stro­phe im Okto­ber 2013, bei der auch fast 400 Men­schen vor Lam­pe­du­sa ertrun­ken sind, so vie­le Leu­te wach­ge­rüt­telt schie­nen. Der mög­li­che neue Kanz­ler­kan­di­dat der SPD, Mar­tin Schulz, war einer von ihnen.

Aus­schnitt der Rede von Mar­tin Schulz:

Sehr geehr­te Damen und Her­ren, wir haben uns heu­te auf Lam­pe­du­sa ver­sam­melt, damit nicht noch mehr Men­schen ihr Leben ver­lie­ren. Aber unse­re Ver­ant­wor­tung geht noch wei­ter. Wir sind auch den Über­le­ben­den gegen­über ver­ant­wort­lich. 155 Men­schen haben letz­tes Jahr die Tra­gö­die von Lam­pe­du­sa über­lebt. Aber nie­mand spricht über sie. Ges­tern habe ich eini­ge von ihnen getrof­fen. Ihre schreck­li­che Erfah­rung hat mich sehr bewegt, und ich habe ihnen ver­si­chert, wie sehr wir uns geschämt haben und uns immer noch schä­men. Die meis­ten die­ser 155 Über­le­ben­den – fast alle Flücht­lin­ge aus Eri­trea, die ihr Hei­mat­land aus ähn­li­chen Grün­den ver­las­sen haben – sind jetzt über ganz Euro­pa ver­streut. Eini­gen von ihnen wur­de Asyl gewährt. Man­chen wur­de gestat­tet, aus huma­ni­tä­ren Grün­den vor­erst zu blei­ben. Wie­der ande­re wur­den abge­scho­ben. In vie­len Fäl­len war es rei­ne Glücks­sa­che, was mit den Flücht­lin­gen schluss­end­lich pas­sier­te. Aber wir kön­nen doch den Sta­tus und die Rech­te Ein­zel­ner nicht dem Glück über­las­sen. Oder schlim­mer noch: wie­der Schleu­sern. Das ist absurd. Das ist nicht mensch­lich. Wir müs­sen ganz klar eine Mög­lich­keit fin­den, Flücht­lin­ge fair, anstän­dig und gleich­be­rech­tigt zu behan­deln, und zwar unab­hän­gig davon, wo es sie in Euro­pa hin ver­schlägt. Es ist von aller­größ­ter Bedeu­tung, dass wir in der gesam­ten Uni­on die glei­chen Ver­fah­rens­ga­ran­tien haben. LINK
LAMPEDUSA, 3. Okto­ber 2014 – Rede von Mar­tin Schulz, Prä­si­dent des Euro­päi­schen Par­la­ments – Pre­si­dent des Euro­päi­schen Par­la­ments Mar­tin Schulz

Alles vor­bei, wie­der mal ver­pufft. War ja auch eine Feiertagsrede…

Heu­te, zu Zei­ten der Pegi­da, nach Trög­litz und vie­len ande­ren brau­nen Atten­ta­ten in der Repu­blik gilt es für die eta­blier­te Poli­tik, Vor­sicht wal­ten zu las­sen. Man könn­te viel­leicht (rech­te) Wäh­ler ver­prel­len. Viel­leicht weiß man gera­de noch nicht so genau, wie man sich auf das zah­len­mä­ßig stark anwach­sen­de deutsch­na­tio­na­le Spek­trum reagie­ren soll. Ich kann mir das Ver­hal­ten unse­rer Poli­ti­ker nicht anders erklären.

Am Ende tei­len sie die Sor­ge um Deutsch­land mit genau die­sen Heuch­lern. Und schließ­lich sol­len in die­sem Jahr ja auch so noch ein­mal 600.000 Flücht­lin­ge bei uns ankom­men. Angeb­lich geht es dem deut­schen Staat (das sind wir!) so gut wie nie. Aber sol­che Auf­ga­ben kön­nen wir nicht meis­tern. Das über­for­dert uns – aber sowas von total! Was das wohl wer­den wür­de, wenn es uns ähn­lich schlecht gin­ge wie den Griechen?

Das ist kei­ne ver­ant­wor­tungs­vol­le Poli­tik! Deutsch­land spielt den Front­mann in der EU, wenn es um wirt­schafts­po­li­ti­sche Fra­gen geht. Aber wenn wir in ganz ele­men­ta­ren mensch­li­chen Fra­gen Stel­lung bezie­hen soll­ten, ver­sa­gen unse­re Poli­ti­ker gran­di­os. Dafür schä­me ich mich!

Hof­fent­lich lie­ge ich falsch, wenn ich ver­mu­te, dass die „Zurück­hal­tung“ der Poli­tik auf dem Ver­dacht beruht, dass es genau die­se Zurück­hal­tung ist, die die deut­sche Bevöl­ke­rung von ihrer Regie­rung erwar­tet. Die Toten im Mit­tel­meer sind stumm. Wo kein Klä­ger, da kein Richter.

Der kon­se­quent nächs­te Schritt könn­te dar­in bestehen, dass, wie Anfang der 90er Jah­re, das Asyl­recht noch ein­mal ver­schärft wird. Geht das überhaupt?

So vie­le auf­rech­te Bür­ger äußern schließ­lich ihre Sor­gen, es treibt sie sogar auf die Stra­ße. Jetzt hät­ten sie freie Bahn. Nicht mal mehr der Grass ist noch da, der dage­gen pro­tes­tie­ren wür­de. Ande­rer­seits… damals hat das auch kei­nen interessiert.

Ich habe ja jetzt Zeit. Ich schrei­be Anfang der Woche einen Brief an Mar­tin Schulz und an Jean-Clau­de Jun­cker. Wer Ideen für Fra­gen an die bei­den Poli­ti­ker hat, kann die­se ein­fach in den Kom­men­ta­ren hin­ter­las­sen. Ich ver­su­che, sie in mei­nem Brief zu verarbeiten. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.
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