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Angriff der Milchkühe

Meine Kostümierung war ein Überbleibsel von Karneval. Mich hat­ten die Funkenmariechen so beein­druckt in ihren hüb­schen Uniformen, dass ich mit Nachdruck die Utensilien beschaff­te, an die ich kom­men konn­te. Meine Eltern muss­ten ran. So kamen ich an die­sen wun­der­schö­nen Hut und die Kiste mit Trageband.

Statt der Kamelle hat­te ich ein paar Steine gela­den und ver­teil­te sie bei pas­sen­den und unpas­sen­den Gelegenheiten in der Umgebung.

Meine Schwester war noch nicht auf der Welt. Aber ich wuss­te, es wur­de ein Mädchen. Klar, dass ich ganz aus dem Häuschen war, wenn ich dran dach­te, bald ein eige­nes Funkenmariechen zum Spielen zu haben.

Auf die Teile der Karnevalsmontur moch­te ich eine gan­ze Weile lang nicht ver­zich­ten. In ihr streif­te ich täg­lich durchs Gebüsch und die Wege, die auf dem Sonnenhof zu mei­nem und Fredis Territorium gehör­ten. Das umzäun­te Gelände war rie­sig und für uns Kinder frei von Gefahren, die woan­ders wegen der Straßen auch schon damals bestan­den haben.

Bei ande­rer Gelegenheit habe ich davon erzählt, dass ich abends unse­re täg­li­che Milch in der so genann­ten Milchküche abho­len ging. Was ich nicht erwähnt habe, war mein Interesse an unse­ren Milchkühen, pri­mär dann, wenn Nachwuchs gekom­men war. Ein Herr Schwieren war für die Pflege unse­rer Kühe zustän­dig. Er hat­te den Beruf oder jeden­falls die Stellung des Schweizers auf dem Sonnenhof.

Meistens ging ich von der hin­te­ren Seite des Haupthauses in den im Seitentrakt befind­li­chen Stall. Im Winter waren dort die zum Betrieb gehö­ri­gen 4 oder 5 Kühe (ich weiß es nicht mehr) unter­ge­bracht. Sie stan­den neben­ein­an­der und wur­den mor­gens und abends gemol­ken. Wenn ich zufäl­lig zur glei­chen Zeit wie Herr Schwieren im Stall war, pas­sier­te es regel­mä­ßig, dass er mich wäh­rend des Melkens mit Milch bespritz­te. Ich fand erstaun­lich, wie weit die Milch direkt aus dem Euter einer Kuh sprit­zen kann – jeden­falls wenn der Melker ein Könner sei­nes Fachs ist.

Im Sommer hat­ten sie zwei gro­ße, mit­ein­an­der ver­bun­de­ne Weiden zur Verfügung. Immer Sommer gab es fri­sches Weidegras satt und im Winter gab es über­wie­gend Heu. Die Umstellung des Futters hat­te oft erheb­li­che Auswirkungen auf die Verdauung der Tiere.

Davon kann ich aus eige­ner, leid­vol­ler Erfahrung berichten.

Ich war also in mei­ner Rest-​Fastelovend-​Montur unter­wegs und betrat den Kuhstall. In die­sem Fall war mei­ne Aufmerksamkeit rund­um auf das klei­ne Kälbchen gerich­tet, das sich gegen­über der Reihe mit den ande­ren Kühen in einem abge­sperr­ten Gatter befand. In der Hand trug ich einen alten Wecker, der zwar mit Fastnacht nichts zu tun hat­te, der aber in die­ser Zeit eben­falls zu mei­ner Abenteurer-​Grundausstattung gehört hat.

Ich weiß nicht mehr, ob ich den Wecker abge­stellt hat­te oder ob ich ihn in der Hand behal­ten hat­te. Jedenfalls kraul­te und strei­chel­te ich unse­ren klei­nen Liebling eine Weile. Das für eine gan­ze Weile mein all­täg­li­ches Ritual. Ich mei­ne mich zu erin­nern, dass Herr Schwieren mich auf die Durchfälle auf­merk­sam gemacht hat­te, mit denen unse­re Kühe zu die­ser Zeit zu kämp­fen hat­ten. Mir fehl­te aller­dings die Fantasie, was man sich exakt dar­un­ter vor­zu­stel­len hat­te. Das Leben ist bekannt­lich der bes­te Lehrmeister.

Während ich mich inbrüns­tig, voll kon­zen­triert dem Streichzoo im eige­nen Haus zuge­wandt hat­te, befiel eine unse­rer Kühe eine Attacke. Ich habe es nicht mit­be­kom­men. Aber tech­nisch gese­hen dürf­te die­ser Vorgang wohl so aus­ge­se­hen haben: Sie hob ihren Schwanz und eine Fontäne von Kuhscheiße durch­quer­te den Raum. Leider war im Zielkreises die­ses Geschehens posi­tio­niert. Meine Rückseite, mein Wecker, mein Hut – nicht zu ver­ges­sen mei­ne kom­plet­te Rückseite war mit grü­ner Kuhscheiße bedeckt.

Ich war echt bedient und augen­blick­lich zur Heulsuse mutiert. Mein Vater hat mich aus­ge­lacht, was die Sache nicht leich­ter für mich mach­te. Auf mei­ne Mutter war Verlass. Sie spen­de­te mir den Trost, den ich von mei­ner gesam­ten Umgebung erwar­te­te. Aber wir wis­sen ja alle, wie selek­tiv Menschen mit Trost bei der­ar­ti­gen Gelegenheit umzu­ge­hen pflegen.

Wecker, Hut und sons­ti­ge Utensilien wur­den ent­sorgt. Irgendwie moch­te ich sie plötz­lich nicht mehr so gern. Nicht, dass sie auch gerei­nigt und danach nicht wie­der ein­satz­be­reit gewe­sen wären. Aber die Erinnerung…


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