Lebensabend – Lebensmüh – Lebenspein

So gern ich manch­mal über das Angebot von ZDF und ARD schimp­fe, in den letz­ten Tagen habe ich zwei Filme gese­hen, die mich län­ger beschäf­ti­gen wer­den. Ich betrach­te das als Qualitätsmerkmale

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So gern ich manch­mal über das Angebot von ZDF und ARD schimp­fe, in den letz­ten Tagen habe ich zwei Filme gese­hen, die mich län­ger beschäf­ti­gen wer­den. Ich betrach­te das als Qualitätsmerkmale die­ser TV-​Filme. Claudia ist es ja viel­leicht auch ein biss­chen so ergan­gen.

Über den frag­wür­di­gen Umgang mit alten und kran­ken Menschen reden wir schon viel zu lan­ge ohne, dass sich bis­her etwas Wegweisendes geän­dert hät­te. Wir glau­ben uns bes­tens im Bilde, was die Gründe für die anhal­ten­de Misere anlangt. Das System ver­fügt jähr­lich über Milliardenmittel. Dennoch fällt mensch­li­che Zuwendung dem mör­de­ri­schen Kostendruck zum Opfer. Daraus wie­der­um resul­tiert eine zusätz­li­che see­li­sche Belastung für das Personal im Krankenhaus und in der Altenpflege. Hinzu kommt die unge­rech­te Bezahlung der Menschen, die sich die­ser so wich­ti­gen und schwe­ren Arbeit ver­schrie­ben haben.

Ich sehe es so, dass wir bei die­ser satt­sam bekann­ten Analyse unse­re eige­ne Verantwortung an den Zuständen über­se­hen. Wie stark ist Ihre per­sön­li­che Wertschätzung für die Leistung von Krankenschwestern, Pfleger und Altenplegerinnen und ‑Pfleger tat­säch­lich ent­wi­ckelt? Bevor Sie die­se Frage empört zurück­wei­sen: Ist es nicht eher so, dass Sie es eben­so hal­ten wie Sie es unse­ren Politikern ver­mut­lich all­zu gern vor­hal­ten? Vergessen Sie die­se unver­schäm­te Unterstellung. Ich ent­schul­di­ge mich dafür!


Die Stimmen, die nach Verbesserungen rufen, wer­den hör­bar viel­stim­mi­ger und lau­ter. Leider hat sich bis­her aber nichts Konkretes ver­än­dert? Oder mich haben Nachrichten über posi­ti­ve Entwicklungen aus Voreingenommenheit oder Nichtsnutz nicht erreicht. Meine per­sön­li­chen Erfahrungen sind in die­ser Hinsicht jeden­falls nicht ermutigend.

Dabei gibt es doch Empathie in Hülle und Fülle. Wir emp­fin­den Mitgefühl, Trauer, Schmerz, Hilfsbereitschaft. Und das nicht nur, wenn wir oder unse­re nächs­ten Verwandten und Bekannten per­sön­lich betrof­fen sind.


Zwischen den bei­den Liedern, deren Texte ich unten auf­ge­führt habe und die vie­le von Ihnen viel­leicht ken­nen wer­den, lie­gen eini­ge Jahre. Die Coverversion des Pur – Hits „Wenn sie die­sen Tango hört” von 1991 von Daniel Wirtz sorg­te 2015 für Furore. Solche Texte errei­chen die Menschen. Ganz unab­hän­gig davon, wie jung oder alt sie sind.


Matthias Brandt spiel­te im letz­ten Polizeiruf 110 wie­der ein­mal den Kriminalhauptkommissar Hanns von Meuffels.

Unter dem Titel „Nachtschicht” ent­wi­ckel­te sich eine zunächst skur­ril anmu­ten­de Geschichte, die sich mehr und mehr zu einer Tragödie mit bedrü­cken­der Botschaft entwickelte.

Matthias Brandt über­nahm in die­sem Krimi die Rolle des Vermittlers zwi­schen der Gesellschaft und den grau­en, „unsicht­ba­ren” Bewohnern eines die­ser furcht­bar trau­ri­gen Altenheime, in dem sich sicher vie­le von uns kei­nen Familienangehörigen und kei­nen Freund vor­stel­len können.

Der Film spielt wäh­rend der Nachtschicht. Es scheint, als herr­sche im Altenheim nicht nur auf­grund des Todesfalles eines der Bewohner eine eigen­ar­ti­ge Betriebsamkeit. Von Meuffels alar­miert auf­grund der Aussage einer Dame mit fort­ge­schrit­te­ner Demenz einen Stab von Kollegen und Gerichtsmedizinern, die Meuffels Engagement in die­sem Fall kopf­schüt­telnd quit­tie­ren. Im Gegensatz zu ihm folg­ten sie der offi­zi­el­len Version, die im Altenheim kur­sier­te. Danach soll­te der unbe­lieb­te Bewohner einem unglück­li­chen Sturz zum Opfer gefal­len sein.

Die Zustände im Altenheim wirk­ten alles in allem selt­sam ver­traut, soweit man das als abso­lut Außenstehender so über­haupt sagen kann. Die per­ma­nen­te Überlastung des Personals (2 Männer, 1 Frau) war so prä­sent, wie das abge­stumpf­te Dahindämmern der Bewohner, die im Film eine Rolle spielten.

Von Meuffels begeg­net im Lauf sei­ner Ermittlungsarbeit dem Bewohner Claus Grübner, der von dem von mir ver­ehr­ten groß­ar­ti­gen Schauspieler Ernst Jacobi dar­ge­stellt wur­de. Dieser war frü­her eben­falls Polizeibeamter. Grübner war Scharfschütze in einer SEK-​Einheit. Der Mann galt im Altenheim nicht nur beim Personal als Querulant, weil er sich fort­lau­fend über die dor­ti­gen Zustände beschwer­te, son­dern weil er ver­sucht hat, sei­ne Mitbewohner für sei­nen „ein­sa­men Kampf” zu aktivieren.

Von Meuffels ermit­tel­te mit­hil­fe der alten Dame, zu der er in die­ser Nacht eine fast freund­schaft­li­che Beziehung auf­bau­en konn­te, dass das Opfer von einer Altenpflegerin in Notwehr getö­tet wur­de. Der Mann hat­te sich der Frau zuvor bereits mehr­fach sexu­ell genä­hert. Somit hat­te es den Anschein, dass die­ser Polizeiruf auch auf­grund der hart­nä­cki­gen Ermittlungsarbeit des Herrn Hauptkommissar von Meuffels ein nicht uner­war­te­tes Ende gefun­den hat, was aber mit­nich­ten der Fall war.

Grübner hat, viel­leicht auf unheim­li­che Art und Weise inspi­riert durch den vor sei­nen Augen ablau­fen­den Kriminalfall, eine ent­setz­li­che Möglichkeit gefun­den, in sei­nem „ein­sa­men Kampf” ein grau­en­haf­tes Fanal gegen die kras­sen Zustände in sei­nem Altenheim zu set­zen. Und zwar eines, das von der Gesellschaft so schnell nicht ver­drängt oder über­se­hen wer­den konnte.

Er töte­te fast zwei Dutzend Heimbewohner und schließ­lich sich selbst.

Mit die­sem Horror ent­ließ der Regisseur die Zuschauer in die Nacht. Sicher wer­den vie­le die­sen Film nicht sobald ver­ges­sen. Vielleicht sind dras­ti­sche Fiktionen wie die­se eine Möglichkeit, unse­re Gesellschaft wachzurütteln?!

Zwei nach­denk­li­che Liedtexte

Liedtexte, die aufs Gemüt wirken

Wenn sie diesen Tango hört

von: PUR – 1991

Sie sitzt auf ihrem alten Sofa
aus der Wirtschaftswunder-Zeit.
Zwei Glückwunschkarten auf dem Tisch,
Dallas ist längst vorbei.
Alles Gute zum Einundsechzigsten
lie­be Omi, Tschüss, bis bald.
Die Kinder sind jetzt groß und außer Haus
Die Wohnung ist oft kalt.

Irgendwas hat sie immer zu tun,
sie teilt sich die Hausarbeit ein
und jeden Abend schal­tet sie ab
und das Fernsehen ein.
Das war nicht immer so
erst seit sie allein ist,
seit ihr Mann starb,
den sie mit feuch­ten Augen vermisst.

Sie hat so gern getanzt mit ihm
und manch­mal, wenn es zu sehr weh tut,
legt sie ihre alte Lieblingsplatte auf
und tanzt ganz für sich.

Wenn sie die­sen Tango hört,
ver­gisst sie die Zeit.
Wie sie jetzt lebt ist weit, weit entfernt,
wie ein längst ver­glüh­ter Stern

Aus der Heimat ver­jagt und vertrieben,
nach Hitlers gro­ßem Krieg.
Sie hat kräf­tig mitbezahlt
für den deut­schen Traum vom Sieg.
Dann der lan­ge, har­te Wiederaufbau
für ein klei­nes Stückchen Glück
Das lang ersehn­te Eigenheim
und Kinder für die Republik.

Die sollten’s spä­ter bes­ser haben,
des­halb pack­te sie flei­ßig mit an.
So blieb ihr oft zu wenig Zeit
für sich und ihren Mann.
Ein gan­zes Leben lang zusammen,
gelit­ten, geschuf­tet, gespart.
Jetzt wär’ doch end­lich Zeit für mehr,
jetzt ist er nicht mehr da.

Sie hat so gern getanzt mit ihm
und manch­mal, wenn es zu sehr weh tut
legt sie ihre alte Lieblingsplatte auf
und tanzt ganz für sich.

Wenn sie die­sen Tango hört,
ver­gisst sie die Zeit.
Wie sie jetzt lebt ist weit, weit entfernt,
wie ein längst ver­glüh­ter Stern 

Der alte Herr

von: Stephan Sulke – 1976

Der alte Herr im fünf­ten Stock ganz links
Der immer sol­che Mühe hat beim Gehn
Der aIte Herr im fünf­ten Stock ganz links
Kann auch mit sei­ner Brille nicht viel sehn

Der sitzt dort oben ganz allein
Mit ein paar Photos aus ner andern Welt
Das wird wohl sei­ne Tochter sein
Die ihren JÜngsten in den Armen hält
Und die lebt irgend­wo in Südamerika
Und schickt nen „Lieber Papi” Brief ein­mal im Jahr

Worauf war­tet der denn bloss
Worauf war­tet der denn bloss
Worauf war­tet der denn bloss

Der alte Herr im fünf­ten Stock ganz links
Der immer freund­lich grüsst im Treppenhaus
Der alte Herr im fünf­ten Stock ganz links
Der setzt sich manch­mal an die Sonne raus-

Dort lebt der lei­se vor sich hin
Raucht Zigaretten, die er sel­ber dreht
Macht ein paar Schritte ohne Sinn
Und fragt die Turmuhr, ob der Tag vergeht
Und in der Abendzeitung liest er ganz bestimmt
Zuerst mal nach, von wem man Abschied nimmt

Worauf war­tet der denn bloss
Worauf war­tet der denn bloss
Worauf war­tet der denn bloss

Der alte Herr im fünf­ten Stock ganz links
Der ges­tern in nem Kasten runterkam
Der alte Herr im fünf­ten Stock ganz links
Und heu­te schaut der mich im Spiegel an


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11 Gedanken zu „Lebensabend – Lebensmüh – Lebenspein“

  1. … ein Krimi der eigent­lich kein Krimi war.
    Sehr beklem­mend und düs­ter und sicher­lich sehr nahe an der Wirklichkeit. Vielleicht ein wenig über­spitzt (manch­mal), aber es war ja ein Film der unter­hal­ten sollte.
    Selten hat mich ein Film im Nachgang so sehr beschäf­tigt. Ich hat­te ihn noch nicht ein­mal am Sonntag gese­hen, nur eine Notiz auf einer Nachrichtenseite brach­te mich dazu, ihn in der Mediathek anzu­schau­en. Ich habe es nicht bereut!
    Ein gesell­schafts­kri­ti­scher Film mit sehr viel Tiefgang und wie bereits erwähnt – das Graue, das Düstere (was nicht an der Nacht im Krimis lag), die­ses merk­wür­di­ge Gefühl wel­ches sich immer mehr in der Magengrube ausbreitete.
    Vielen Dank für die­sen gelun­ge­nen Beitrag.
    Gruß
    Ede

  2. Ich schaue nicht mehr TV. Im Grunde seit den spä­ten Neunzigern.
    Vorher war ich reger Konsument der TV-​Programme, WDR, ARTE, SWR ect. , hat­te 380 VHS-​Kassetten, akri­bisch ver­wal­tet und immer wie­der upge­da­tet, wenn ein fest­ge­hal­te­ner Beitrag es mir nicht mehr wert war.

    Das Schauen fin­det heu­te bei uns im Arthouse-​Kino statt. Da ist man zudem aus­ser Haus, was deut­lich erfri­schend wirkt.
    Daher kann ich wenig zum Pflegedilemma des TV-​Beitrags sagen.

    Mein Vater war vor über 15 Jahren in einem Heim. Er konn­te sich nicht einbringen/​kam nicht klar, obwohl ich ihn oft besuchte.
    gera­ten. Aber: Was bleibt einem übrig? Wenn man es nicht „schafft”, nicht dement zu wer­den, dann gibt es wohl nur die­se Einbahnstrasse.
    Leute! Das Leben ist kein Zuckerschlecken. Vielleicht hat man auch zuviel Erwartungen, am geeig­nes­ten soll das Leben voll­kom­men abge­fe­dert sein gegen alle Widrigkeiten. Da hat­ten frü­he­re Generationen ganz ande­re Erfahrungen. Deren Leben war ein Flickerlteppich, to say the least.

    Das nur dazu. Letzlich nur ein emo­tio­na­les Statement.

  3. Mehrgenerationenhäuser.
    Da den­ke ich, daß jemand, der zu den Jüngeren einer sol­chen Wohngemeinschaft gehört, die Bürde der Versorgung hat. Ob „hin­ter ihm” neue hin­zu­kä­men, das wäre nicht gewiss. Kann sein, daß er das Schlußlicht bleibt. Wer wür­de denn dafür sor­gen, daß die Bewohnung stets im Fluß bleibt? Wer wür­de da so ohne wei­te­res als jun­ger Mensch ein­zie­hen wollen?
    Ich ken­ne jeman­den, der an die 30 (!) Jahre gepflegt hat, immer im Verwandschaftskreis. Reihum sozusagen.

  4. Ohne TV hät­te ich deut­li­che Defizite in Sachen Weiterbildung /​Allgemeinbildung. Die vie­len Dokus zur Geschichte, zu den Erkenntnissen der Wissenschaften (von Archäologie bis Quantenphysik), zur Entwicklung unse­res Weltverständnisses und die Sendungen über das, was in der Welt /​vie­len ande­ren Ländern vor­geht – also das könn­te und möch­te ich mir nicht am PC-​Screen zusam­men klau­ben müssen.
    Oft den­ke ich ange­sichts einer ange­kün­dig­ten Doku: Ach, kenn ich schon, alles schon gese­hen – um dann erstaunt fest­zu­stel­len, dass es ein deut­li­ches Update in den Erkenntnissen gege­ben hat.
    Früher war ich auch mal TV-​Gegnerin und hab Jahre lang fast gar nicht geschaut – heu­te möcht ich nicht mehr ohne! So ändern sich die Haltungen…

  5. Es ist ja schön und gut, wenn Missstände in Filmen the­ma­ti­siert wer­den. Damit erreicht man gera­de bei Formaten wie „Polizeiruf 110” eine brei­te Öffentlichkeit.
    Aber bringt das wirk­lich so viel? Im „Tatort” wur­de ja auch sehr häu­fig Ausländerfeindlichkeit und Rassismus the­ma­ti­siert, aber die Problematik ist geblieben.
    LG
    Sabienes

  6. Hallo,
    eine tol­le Erzählung! Ich mag Krimi, und die­se hat mir gut gefal­len. Danke und viel Spaß beim Schreiben!
    LG Andreas!

🚪 Kommentiert gern – aber bitte mit Herz.

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