Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben…

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Es gibt Familien, für die bei ihren Treffen bestimm­te Themen tabu sind. Beispiel: «Über Politik wird bei uns nicht gespro­chen, weil Reiner und Klaus sich dann näm­lich frü­her immer an die Gurgel gingen.» Der Trick ist alt. Aber er scheint zu funktionieren. So sehr ich es auch bedau­ern wür­de, mei­ne Meinung zu tages­ak­tu­el­len Fragen der…

Es gibt Familien, für die bei ihren Treffen bestimm­te Themen tabu sind. Beispiel: «Über Politik wird bei uns nicht gespro­chen, weil Reiner und Klaus sich dann näm­lich frü­her immer an die Gurgel gingen.»

Der Trick ist alt. Aber er scheint zu funktionieren.

So sehr ich es auch bedau­ern wür­de, mei­ne Meinung zu tages­ak­tu­el­len Fragen der Politik für mich behal­ten zu müs­sen, ich könn­te mich damit anfreun­den, mich an das Tabu zu hal­ten. Schließlich hät­te ich immer noch Facebook.

Dort gibt es gene­rell fast kein Halten mehr. Gerade am Wochenende ging es wie­der rich­tig rund – wegen dem Klimacamp mit all die­sen Linksextremisten. Früher nann­ten wir sie Umweltschützer oder Idealisten, heu­te Linksextremisten. Für vie­le sind die Grünen, für RWE Mitarbeiter ganz beson­ders, Öko-Faschisten. Diese Begriffe sind bei Facebook gera­de­zu infla­tio­när im Umlauf.

Es ist wie ich immer sage: Früher ™ war alles besser!


Angeblich hat sich die tür­ki­sche Community stark pola­ri­siert. Das heißt unge­fähr, die einen fin­den Erdogan toll, die ande­ren kön­nen ihn nicht lei­den. Es soll auch vor­kom­men, dass Familienangehörige nicht mehr mit­ein­an­der spre­chen, weil sie sich auf die bei­den Lager aufteilen.

Das gibt es bei uns genau­so. Flüchtlinge sind ein sol­ches Reizthema.


An die­sem Wochenende erhitzt das Klimacamp die Gemüter. Nicht nur die Polizei und RWE-Angestellte, waren dar­um bemüht, die Ordnung auf­recht­zu­er­hal­ten. Sie sind im Dauereinsatz. Keiner kann anhand der Berichte behaup­ten, dass dies zu 100% gelun­gen sei. Trotz aller Anstrengungen, kam es zu ein­zel­nen Straftaten.

Klimacamp 2017: 3000 Klimaschützer for­men Menschenkette am Tagebau Hambach | Quelle

Es spielt kei­ne Rolle, in wel­cher Absicht die über­wie­gen­de Zahl der Aktivisten in unse­re Region gekom­men sind. Entscheidend ist, dass sich eini­ge von ihnen ver­schie­de­ner Straftaten schul­dig gemacht haben. Diese Menschen wer­den (hof­fent­lich) für ihre Gesetzesüberschreitungen belangt und ver­ur­teilt wer­den. Dass sich die meis­ten Leute fried­lich ver­hal­ten haben, hilft nicht dabei, die Bilder und Berichte unge­sche­hen zu machen. Sie ver­fes­ti­gen lei­der den ober­fläch­li­chen Eindruck, den sich die über­wie­gen­de Zahl neu­tra­ler Beobachter gemacht haben wer­den. Nach den G20 Ausschreitungen von Hamburg waren schnell Parallelen gezogen.

Deshalb nutzt es den Aktivisten ver­mut­lich wenig, dass man­che Medien über­aus wohl­wol­lend viel­leicht etwas zu wenig objek­tiv über die Veranstaltungen berich­tet haben. Ich mei­ne die Berichterstattung in der ARD. Aber auch dort ist man inzwi­schen aufgewacht.

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Persönliche Bezüge

Ich bin gebür­ti­ger Bedburger. Auf der Bahnstraße (1a) bin ich gebo­ren, hab im Hirtenend (Blerichen), auf dem Sonnenhof (Bergheimer Straße Richtung Glesch), im Akazienweg in Blerichen, auf dem Leitweg in Blerichen, auf der Langemarckstraße mit­ten in Bedburg gewohnt. Jetzt leben mei­ne Frau und ich schon seit 1995 in Königshoven auf der Brunnenstraße. Meine Frau stammt auch aus der Region. Sie wur­de in Glesch gebo­ren und hat, bevor wir uns tra­fen, jahr­zehn­te­lang in Quadrath-Ichendorf gewohnt.

Uns sind die Gefühle nicht fremd, die mit dem Verlust von gelieb­ten und ver­trau­ten Orten ver­bun­den sind. Die Stellen, an denen wir unse­re Kindheit erlebt haben, sind ein für alle Mal ver­lo­ren. Die Notwendigkeit für die Gewinnung von Braunkohle wur­de über Jahrzehnte nicht bestrit­ten. Es herrsch­te ein gesell­schaft­li­cher Konsens.

Seit der Genehmigung von Garzweiler II im Jahre 1995, so ist mei­ne Wahrnehmung, hat sich die Haltung zur Braunkohle ver­än­dert. Vermutlich hat­te die­se Veränderung mit dem Eintritt der Grünen in die Landesregierung im glei­chen Jahr zu tun.

Zu die­ser Zeit nahm ich eine zuneh­mend ableh­nen­de Einstellung des vom Tagebau betrof­fe­nen Bevölkerungsteiles wahr, die ich bis zu die­sem Zeitpunkt höchs­tens punk­tu­ell, zum Bespiel nach den Beschlüssen zum Tagebau Hambach, Ende der 1970 Jahre gespürt hatte.

Das Bewusstsein der Menschen hat­te sich ins­ge­samt ver­än­dert. Das fand sei­nen Ausdruck auch im erst­ma­li­gen Einzug der Grünen in den Bundestag bei den Bundestagswahlen vom 6. März 1983. Die Umwelt NGO’s Greenpeace und BUND wur­den 1971 bzw. 1975 gegrün­det und spä­ter – 1982 – Robin Wood.

Seit den 1970er Jahren rück­ten ver­stärkt Umweltthemen wie die Folgen der «Atomenergie» oder das «Waldsterben» in den Fokus der Politik. Es ent­wi­ckel­te sich der Wunsch und das Bewusstsein in Teilen der Bevölkerung, dass wir unse­ren Ressourcen spar­sa­mer bzw. ver­ant­wort­li­cher umge­hen müssen.

Die gesam­te Entwicklung ent­fach­te manch­mal bei vie­len Menschen, vor allem bei denen, die sich per­sön­lich für die neu­en Ziele enga­gier­ten, eine gewis­se Militanz. Die Bedeutung der (neu) auf­ge­wor­fe­nen Fragen, denen wir lan­ge Zeit bes­ten­falls eine eher unter­ge­ord­ne­te Priorität gaben, wur­de immer stär­ker. So kam es, dass die Anliegen der Grünen in den fol­gen­den Jahrzehnten von allen ande­ren poli­ti­schen Parteien in gewis­sen Abstufungen über­nom­men wurden.

Mit den Protesten gegen Hambach und spä­ter gegen Garzweiler II geschah etwas, was ich so in mei­ner Heimatregion bis dahin nicht gekannt hat­te. Es wur­den kri­ti­sche Fragen an RWE (frü­her Rheinbraun, spä­ter RWE Power) gestellt. Ich erklär­te mir das nicht nur mit dem gestie­ge­nen Bewusstsein für Umweltfragen, son­dern damit, dass Menschen aus unse­ren direk­ten Nachbarregionen eine viel kri­ti­sche­re Haltung zum Braunkohletagebau ein­nah­men als wir. Vielleicht taten sie das, weil nicht so vie­le Menschen bei RWE beschäf­tigt und exis­ten­zi­ell von die­sem Riesenunternehmen abhän­gig waren.

Aus der Perspektive der Beschäftigten dürf­te klar sein, für wel­che Seite sie sich ent­schei­den, wenn wäh­rend der aktu­el­len Proteste gegen den Braunkohleabbau sozu­sa­gen die Drähte in den sozia­len Netzwerken glühen.

Ich habe in den letz­ten Monaten mit Freunden und Bekannten, die für RWE in ver­schie­de­nen Funktionen arbei­ten, über die Form der «Auseinandersetzung» mit Aktivisten gespro­chen. Einige von ihnen nen­nen ihre Gegner nicht Aktivisten, son­dern als Verbrecher oder Extremisten. Es gibt über die­se per­sön­li­chen Schilderungen hin­aus Medienbeiträge, die von dem mili­tan­ten, gefähr­li­chen Vorgehen eini­ger Aktivisten berichten.

Ich ver­su­che, die Lage so vor­sich­tig wie mög­lich ein­zu­schät­zen. Übertreibungen hat es ver­mut­lich auf bei­den Seiten gegeben.

Die Veranstaltungen der Braunkohlegegner führ­ten in den sozia­len Netzwerken zu hef­ti­gen Meinungsäußerungen. Dabei waren Politiker unse­rer Region eben­so invol­viert wie zahl­rei­che Bürgerinnen und Bürger.

Mir ist ein­mal mehr unan­ge­nehm auf­ge­fal­len, wie aggres­siv und streit­süch­tig die Grundhaltung vie­ler Teilnehmer in den unter­schied­li­chen Threads man­cher Facebook Gruppen ist. Da ver­geht mir die Lust zum diskutieren. 

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