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Was könnte politische Parteien ersetzen?

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Die Zeiten ändern sich. Dieser Beitrag scheint älter als 7 Jahre zu sein – eine

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Die Zeiten ändern sich.

Dieser Beitrag scheint älter als 7 Jahre zu sein – eine lange Zeit im Internet. Der Inhalt ist vielleicht veraltet.

Läge es nicht allein aufgrund der heute schon zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel (Digitalisierung) im Bereich des Möglichen, dass gut vernetzte Menschen und organisierte Gruppen von Menschen (NGOs, Lobbyorganisationen) die Funktionen von politischen Parteien übernehmen?

Gibt es dafür irgendwo auf der Welt Beispiele? Ich glaube nein.

Der grassierende Lobbyismus böte in diesem Gedankenspiel einen starken Teil. In meiner Sicht repräsentiert er (anders als in der Gegenwart) den leicht identifizierbaren „Feind“. Warum sollen Lobbyisten den umständlichen und teuren Weg über die Entscheider in der Politik nehmen? Der Counterpart ist leicht auszumachen: Es sind die NGOs, die in großer Zahl ihrerseits bestimmte Interessen vertreten. Wessen Interessen das sind, muss vielleicht auch noch hinterfragt bzw. geklärt werden! NGOs werden von vielen Menschen vertreten. Sie sind längst eine internationale Macht. Wir denken an AI, attac, Ärzte ohne Grenzen aber auch an die Caritas oder die Diakonie, obwohl letztere ja kirchliche Organisationen sind und im engeren Sinn vielleicht nicht als NGO zählen.

Lobbyisten und NGOs

Eigentlich stößt man an dieser Stelle schon an die Grenzen solcher Überlegungen. Es geht schließlich nicht „nur“ um die Verantwortung für das große Ganze. Wie könnte die Organisation auf Landes- oder auf kommunaler Ebene aussehen?

Was würden wir gewinnen, wenn politische Parteien durch anders benannte Interessenvertreter abgelöst würden? Ideologische Unterschiede würde es zweifellos weiterhin geben, und ein Funktionärswesen dürfte auch in gemeinnützigen Organisationen nicht überflüssig bzw. vermeidbar sein. Schließlich braucht jeder Verein z.B. Vorstand und Kassierer und wenn es dabei nur um „einfache“ organisatorische Aufgaben geht.

Darüber, wie sich Lobbyisten finanzieren, müssen wir nicht lange nachdenken. Ihre Auftraggeber verfügen über ausreichende Mittel und die auf klar umrissenen Interessen beruhende „Politik“ stünde für sich genommen für Transparenz. Wäre das auf der Seite der NGOs auch der Fall? Dazu müsste man sich etwas einfallen lassen. Allein aus Spenden werden sie ihre Arbeit nicht erfolgreich verrichten. Der Staat ist im Boot, demnach müssen Regeln geschaffen und deren Einhaltung geprüft werden.

In den Bundestag ist im September die AfD eingezogen wie in 14 Landesparlamenten davor. Die FDP ist in den Bundestag zurückgekehrt und die GroKo-Parteien haben schwere Verluste erlitten (beide zusammen ca. 14%).

Angesichts der Art der Auseinandersetzungen über verschiedene Themen, die stärker als früher im Fokus der Öffentlichkeit stehen, sind Veränderungen der Stimmenanteile normal. Wir sehen diese Phänomene nicht nur in Deutschland.

Ist die Demokratie in Gefahr?

Auch wenn es mir persönlich nicht passt, letztlich ist es gut für die Demokratie, dass die Leute, die sich in den etablierten Parteien längst nicht mehr vertreten gesehen haben, nun eine Stimme in den Parlamenten haben. Die Auseinandersetzungen über Standpunkte und Inhalte von Parteiprogrammen können jetzt in den Parlamenten geführt werden.

Leider bedeutet das aber nicht, dass sie deshalb nicht mehr außerparlamentarisch – z.B. in den Social Media Kanälen – geführt werden. Das Gegenteil scheint richtig zu sein.

Die Art der Diskussionen, die meines Erachtens weniger im Kollegen, Bekannten- oder Freundeskreisen geführt werden, sondern im virtuellen Raum oder in Talkshows im Fernsehen, belegen nicht nur die Entfremdung von dem, was die AfD als Alt- oder Systemparteien bezeichnet. Soziologen sprechen von Polarisierung der Gesellschaft(en).

Einleuchtende Erklärungen für die Entwicklung habe ich bisher kaum gehört. Klar ist, dass eine Menge Leute sehr unterschiedlich über die Flüchtlingspolitik Merkels denken und dass es im Zeitablauf seit 2005 zu Meinungsänderungen gekommen ist.

Die Einstellung zu Geflüchteten hat sich durch Berichte in den Medien und durch eigene Erfahrungen bei vielen Leuten gewandelt. Es gibt viele, deren Gefühle von Ablehnung bis Hass nicht nur gegen Geflüchtete, sondern auch gegen alle gerichtet sind, die anders denken. Dass es sich bei vielen dieser Leute um die handelt, die am 24.9. die AfD gewählt haben, steht für mich fest. Aber natürlich ist die Geschichte komplex. Die Gründe für den Rechtsruck in unserem Land sind nicht monokausal.

Die zentralen Punkte, die bei mir als Gründe für die Wut von Menschen hängengeblieben sind, sind Angst und Unsicherheit.

Es ist eine Binsenweisheit, dass Angst kein guter Ratgeber ist. Aber nicht nur diejenigen, die selbst schon existenzielle Not gespürt haben, können nachvollziehen, was das heißt in eine scheinbar ausweglose Lage zu geraten. Angst kann aggressiv machen. Und vermutlich ist das ein Teil der Erklärung, warum Diskussionen im Internet so schnell in gegenseitige Beschimpfungen ausarten. Keiner weiß vom anderen, in welcher Lage er sich befindet. Trotzdem beurteilen wir wechselseitig unsere Standpunkte zu verschiedenen Themen mit einer hohen Grundaggressivität.

Schon auf Kleinigkeiten reagieren viele von uns mit krasser Ablehnung, ja oftmals bis hin zu justiziablen Beleidigungen. In manchen Fällen sind es sogar Drohungen mit denen wir konfrontiert sind.

Das Internet hat ein hohes Zerstörungspotenzial

Die Anonymität im Netz spielt eine Rolle. Denn auch diejenigen, die unter ihren Klarnamen posten, kennen ihr Gegenüber meistens nicht persönlich. Von daher ist der „Fight“ anonym. Es steht nicht zu befürchten, dass dieser morgen an die Tür klopft.

Ich sehe das als wahrscheinlichste Erklärung für die Verhaltensänderungen, die im Web besonders häufig und krass zutage treten.

„Merkel muss weg“ ist ein Wunsch, den vor allem die AfD-Wähler gern äußern. Es mag auch unter den Anhängern anderer Parteien Leute geben, die diesen Wunsch verspüren. Aber die Rechten gehen natürlich weiter. Für sie wäre es nicht damit getan, wenn die Kanzlerin ihr Amt aufgeben würde. Sie fordern, dass Merkel und die anderen federführenden Leute der „Alt-Parteien“ vor Gericht gestellt werden. Dass Pegida-Mitläufer Galgen mit sich führen passt dazu.

Das Gesamtbild sollte jedem klar machen, was die Uhr geschlagen hat. Menschen, die solchen Phantasien frönen, sind vielleicht für die Demokratie verloren. Jedenfalls stehen sie ganz bestimmt nicht mehr für Diskussionen über den richtigen Weg zur Verfügung. Sie haben wie es scheint, ihre Entscheidung getroffen. Wenn Sarrazin schreibt: „Deutschland schafft sich ab“ würde ich behaupten, dass seine Fans, die mit den Anhängern von Pegida und der AfD identisch sein dürften, das Deutschland, das wir kennen und lieben, abschaffen wollen. Diesen Unterschied wollen sie nicht sehen, weil sie dann nämlich zugeben müssen, dass sie die Demokratie aufgegeben haben.

Was folgt auf die Demokratie?

Manche Journalisten und sogar Politikwissenschaftler finden, dass nie so viele Menschen wie es gegenwärtig der Fall ist, sich für Politik interessieren würden. Sie bewerten dies als positiv. Ich sehe es anders. Viele Leute befassen sich nicht mit Politik. Ihnen ist dieses Thema fremd, und sie halten den Bundestag im besten Fall für eine „Quasselbude“, in der im Wesentlichen ihr hart erarbeitetes Geld verbraten wird.

So lassen sich die Politiker fast permanent verächtlich machenden Kommentare in den sozialen Netzwerken erklären.

Diesen „Quasselsprippen“ geht es nicht darum, ein gutes, überzeugendes Programm zu erkennen, zu unterstützen und im Rahmen einer Koalitionsregierung umzusetzen. Es geht um die Zerstörung eines Systems. Eines Systems, Demokratie genannt, das viele zu viele Leute meiner Ansicht nach bis heute nicht kapiert haben. Anders kann ich mir die brutale Ablehnung demokratischer Grundsätze nicht erklären.

Hoffentlich erleben wir nicht jene Zeitenwende, nach der die brutale Nichtachtung unserer demokratischen Errungenschaften all das kaputtmacht, was uns in den letzten siebzig Jahren heilig geworden sein sollte.


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Ich kann die Leute nicht ändern, aber meinen Blick auf sie.

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