Das Wandern als Teambuilding Maßnahme

An man­che Erleb­nis­se erin­ne­re ich mich immer wie­der gern, an ande­re weni­ger. Wenn mich beim Lau­fen mei­ne Füße pla­gen, kommt mir ein Tag in den Sinn, den ich aus heu­ti­ger Sicht auf ande­re Art gestal­ten wür­de. Mit der Klei­dung geht es los. Man­che behaup­ten, es gebe kein schlech­tes Wet­ter, nur schlech­te Klei­dung. Mein dama­li­ger Chef war zwei Jah­re im Amt und heck­te mit sei­ner Assis­ten­tin einen Plan aus, des­sen Trag­wei­te ich in die­ser Pha­se noch nicht ein­schät­zen konn­te. Viel­leicht hät­te ich pro­tes­tiert. Im Rah­men des soge­nann­ten Bud­get­pro­zes­ses waren wir bei einem der letz­ten Ite­ra­ti­ons­schrit­te ange­langt. In des­sen Ver­lauf stell­ten wir die Ein­zel­bud­gets jedes Key-Account Mana­gers erneut auf den Prüf­stand. Klei­ner wur­den die Umsatz­zie­le dabei nie 😆 . Die­se Sit­zun­gen wur­den ein­ge­bet­tet in Team­­­buil­­ding-Maß­­nah­­men unter­schied­li­cher Art. In die­sem Fall bestand ihr Kern in einer Wan­de­rung. Eine Wan­de­rung! Kein Spa­zier­gang. Unse­re Grup­pe (schät­zungs­wei­se 10/​12 Leu­te) ver­teil­te sich auf meh­re­re PKW’s. Das Aben­teu­er Rhön begann. Ich weiß nicht, was mich gerit­ten hat. Wan­dern war nie mein Ding und war­um sollte… 

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An man­che Erleb­nis­se erin­ne­re ich mich immer wie­der gern, an ande­re weni­ger. Wenn mich beim Lau­fen mei­ne Füße pla­gen, kommt mir ein Tag in den Sinn, den ich aus heu­ti­ger Sicht auf ande­re Art gestal­ten würde.

Mit der Klei­dung geht es los. Man­che behaup­ten, es gebe kein schlech­tes Wet­ter, nur schlech­te Kleidung.

Mein dama­li­ger Chef war zwei Jah­re im Amt und heck­te mit sei­ner Assis­ten­tin einen Plan aus, des­sen Trag­wei­te ich in die­ser Pha­se noch nicht ein­schät­zen konn­te. Viel­leicht hät­te ich protestiert.

Im Rah­men des soge­nann­ten Bud­get­pro­zes­ses waren wir bei einem der letz­ten Ite­ra­ti­ons­schrit­te ange­langt. In des­sen Ver­lauf stell­ten wir die Ein­zel­bud­gets jedes Key-Account Mana­gers erneut auf den Prüf­stand. Klei­ner wur­den die Umsatz­zie­le dabei nie 😆 .

Die­se Sit­zun­gen wur­den ein­ge­bet­tet in Team­buil­ding-Maß­nah­men unter­schied­li­cher Art. In die­sem Fall bestand ihr Kern in einer Wan­de­rung. Eine Wan­de­rung! Kein Spaziergang.

Unse­re Grup­pe (schät­zungs­wei­se 10/​12 Leu­te) ver­teil­te sich auf meh­re­re PKW’s. Das Aben­teu­er Rhön begann.

Ich weiß nicht, was mich gerit­ten hat. Wan­dern war nie mein Ding und war­um soll­te ich mir dafür eigens geeig­ne­tes, sprich neu­es Schuh­werk zule­gen? So hielt sich mei­ne Vor­be­rei­tung in Gren­zen. Das war mei­ner Frau zu ver­dan­ken. Sie muss­te mich dazu nöti­gen, für die­se Wan­de­rung ein neu­es Jäck­chen zu kau­fen – ich soll­te es ja schön kusche­lig haben. Immer­hin hat­ten wir schon Herbst. In dem glei­chen Geschäft gab es auch super­tol­le Wan­der­schu­he. Ach, hätte ich doch …

Mei­ne Halb­schu­he wer­den es schon tun, dach­te ich. Men­tal war ich vor­be­rei­tet, kör­per­lich – nun ja. Ich wür­de das schon schaf­fen. Hat­te ich das schon gesagt? Wan­dern ist nicht so meins!

Nach unse­rer Ankunft ging es zunächst an die Arbeit. Das Bud­get war­te­te auf den End­schliff. Wir erleb­ten einen net­ten gemein­sa­men Abend, und am nächs­ten Mor­gen ging die Wan­de­rung los.

Ich war etwas über­rascht, wie pro­fes­sio­nel­le mei­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen aus­ge­stat­tet waren. Sie tru­gen der Jah­res­zeit ent­spre­chen­de Klei­dung. Bei der Klei­dung konn­te ich noch mit­hal­ten. Aber beim Blick auf die Schu­he der ande­ren, wur­de mir schlag­ar­tig klar, einen ziem­li­chen Feh­ler gemacht zu haben. Die­se Schu­he …, das wür­de etwas werden.

Wir nah­men einen lan­gen Ein­blick in die Routenkarte.

Lang­sam mach­te sich bei mir Ent­set­zen breit. Was für eine lan­ge Stre­cke und die Topo­gra­fie hat­te es in sich. Ich behielt mei­ne Gedan­ken für mich. Wer will schon den Spiel­ver­der­ber geben. Also, jetzt bloß nicht herumnörgeln.

Der Team­buil­ding-Gedan­ke könn­te ansons­ten noch Scha­den neh­men, bevor es rich­tig los­ge­gan­gen war.

Es han­delt sich um eine mit­tel­schwe­re Rou­te, teil­te man uns mit. Und ich hat­te gedacht, wir gin­gen eine Weile spa­zie­ren.

Aber nein! Der Weg ver­lief über die Was­ser­kup­pe (die höchs­te Erhe­bung in der Rhön – 950 m), ging wie­der run­ter und wie­der rauf (weiß der Teu­fel, wie der zwei­te „Berg“ gehei­ßen hat).

Ich dach­te: jetzt wäre der rich­ti­ge Zeit­punkt zum Sterben.

Zuerst ging es noch bes­ser als gedacht. Ich hat­te Anschluss und konn­te mich – wenn der Anstieg nicht ganz so steil war, sogar noch an der Unter­hal­tung betei­li­gen. Mei­ne Füße began­nen schon nach weni­gen Kilo­me­tern wehzutun.

Eini­gen stei­len Auf­gän­gen folg­ten eben­so stei­le Abgän­ge. Die Abgän­ge emp­fand ich spä­ter als noch schmerz­haf­ter als die Auf­stie­ge. Nicht die Bei­ne, nicht die Waden, son­dern die Schmer­zen an mei­nen Füßen lie­ßen alle ande­ren mög­li­chen Qua­len ver­ges­sen. Das kann man ein biss­chen ver­glei­chen mit dem Schmerz, den man spürt, wenn man sich die Fin­ger in der Auto­tür ein­klemmt. In dem Moment sind alle ande­ren Weh­weh­chen, mit denen man viel­leicht zu tun hat, für kur­ze Zeit wie weggeblasen.

Als wir gegen Mit­tag auf der Was­ser­kup­pe ange­kom­men waren, ver­spür­te ich den Wunsch, mir ein Taxi zu neh­men und den Ort die­ser Prü­fung schnells­tens zu ver­las­sen. Taxi? Schö­ne Illu­si­on. Hier sag­ten sich Hase und Igel gute Nacht.

Viel­leicht soll­te ich einen Ret­tungs­hub­schrau­ber anfor­dern … Han­dy hat­te ich dabei.

Aber da war ja noch ein Rest von Ehr­ge­fühl. Ich woll­te mich doch nicht zum Affen machen. Die meis­ten Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen waren etli­che Jah­re jün­ger als ich. Aber da gab es doch mei­nen Chef und eine Kol­le­gin, die sogar noch ein Jahr älter war als ich. Bei­de waren top­fit und schie­nen rich­tig in ihrem Ele­ment. Die­se Blö­ße woll­te ich mir also nicht geben!

Ich frag­te, wie es denn von der Was­ser­kup­pe aus wei­ter­gin­ge? Mein Chef ganz eupho­risch: Zuerst ein­mal gehen wir von der Was­ser­kup­pe her­un­ter und dann – sehen sie den Berg dort hin­ten? – dort hin­auf­ge­hen wir als Nächs­tes. Ich bin tot!

Allein die Ent­fer­nung zwi­schen der Was­ser­kup­pe und die­sem „Berg“ dort hin­ten betrug ja schon per Luft­li­nie etli­che Kilo­me­ter. Wie furcht­bar wür­de die­se Lauf­stre­cke erst wer­den? Run­ter und wie­der rauf und das unter erschwer­ten Bedin­gun­gen. Man soll­te mei­nen, dass die lädier­ten Füße nicht mehr schmer­zen wür­den. Von wegen. Die Bla­sen, das Scheu­ern durchs Herabgehen.

Es half nichts. Ich biss die Zäh­ne zusam­men. Kei­ner der ande­ren hat­te geme­ckert oder geklagt. Dabei hät­te ich schwö­ren kön­nen, auch bei eini­gen ande­ren eine gewis­se Müdig­keit erkannt zu haben.

Eini­ge Kol­le­gen waren der­art schnell und frisch bei der Sache, dass ich zwi­schen­drin dar­über nach­grü­bel­te, wie doof es doch ist, alt zu wer­den. Frü­her habe ich Fuß­ball und eine Wei­le Ten­nis gespielt. Kon­di­ti­ons­pro­ble­me kann­te ich lan­ge über­haupt nicht. Aber da war ich auch noch kei­ne 40 Jah­re alt.

Inzwi­schen war ich Ende 50 und außer ein biss­chen Rad­fah­ren war da nichts mehr an sport­li­chen Akti­vi­tä­ten. Dazu kamen noch mei­ne Gewichts­pro­ble­me. Zum Glück hat­te ich vor Jah­ren mit dem Rau­chen auf­ge­hört. Aber das half mir jetzt auch nicht weiter.

Ich war so fertig.

Am frü­hen Abend erreich­ten wir unse­re Her­ber­ge auf dem zwei­ten Berg. Eine Kol­le­gin hat mir echt gehol­fen. Statt vorn mit­zu­lau­fen, was sie kon­di­tio­nell ohne Wei­te­res hät­te machen kön­nen, hat sie sich sehr nett um mich gekümmert.

Vor allem gegen Ende unse­rer Wan­de­rung war das wirk­lich nötig. Vor ihr woll­te ich mir zwar noch weni­ger eine Blö­ße geben als vor allen anderen. 

Aber mei­ne Erschöp­fung war bestimmt für alle sicht­bar. Und ich nei­ge nicht dazu, den Hel­den zu spielen.

Die­ses Event soll­te dem Team­buil­dung die­nen. Bei mir das es das Gegen­teil bewirkt. In die­sem Team fühl­te ich mich bis zum Schluss wie ein Fremd­kör­per und wer weiß, ob das nicht auch etwas mit die­ser ein­zig­ar­ti­gen Erfah­rung zu tun hatte?

Nach dem Abend­essen bin ich sofort schla­fen gegan­gen. Mei­ne Füße waren so im Eimer, dass mir im Lauf der fol­gen­den Wochen ein paar Zeh­nä­gel abfie­len. Ich habe bis heu­te gro­ße Pro­ble­me bei län­ge­ren Spaziergängen.

Für etwa­ige wei­te­re (pri­va­te!) Wan­de­run­gen habe ich mir damals tol­le neue Schu­he gekauft. Die zie­he ich heu­te immer dann an, wenn ich ahne, dass der Spa­zier­gang etwas län­ger dau­ern könnte.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.
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11 Gedanken zu „Das Wandern als Teambuilding Maßnahme“

  1. Wer denkt sich das nur immer aus… Wahr­schein­lich war die ein­zi­ge, fürs Team wich­ti­ge Erfah­rung: Ich zei­ge mög­lichst nichts von dem, was wirk­lich in mir vor­geht. Heu­chel, heuchel…
    Oder es soll­te wirk­lich der mit dem kür­zes­ten Atem her­aus­ge­fun­den werden…
    In mei­nen Jung­leh­re­rin­nen­zei­ten, vol­ler Weis­heit der Alma Mater, bin ich in den Beruf in einer Schu­le gestar­tet, die das Team-Klein­grup­pen­mo­dell erfun­den & ent­wi­ckelt hat. Das Wich­tigs­te, was mir bis heu­te davon blieb, ist mein Ehe­mann. Der Rest war therapiewürdig.
    GLG

  2. Tol­le Sto­ry, hab ich gern gele­sen – berührt viel mehr als dei­ne Kritik-Artikel!
    Ist doch klar, dass du als kom­plett Unge­üb­ter da extre­me Schwie­rig­kei­ten hat­test – blöd auch, dass nicht vor­her zwin­gend „Wan­der­schu­he“ ange­sagt wur­den. Schließ­lich haben nicht alle so eine Rou­ti­ne. Ich hab’ beim Lesen rich­tig mit­ge­lit­ten, es muss furcht­bar gewe­sen sein… und echt scha­de, dass dir auf die­se Wei­se das Wan­dern ver­lei­det wurde!

  3. Dan­ke für dei­nen Erfah­rungs­be­richt. Ich fin­de es immer scha­de, wenn sol­che viel­leicht gut gemein­ten Aktio­nen nach hin­ten los­ge­hen und das in zwei­er­lei Hin­sicht. Zum einen gibt es so schö­ne Team­buil­ding-Maß­nah­men, die auch Spaß machen. Zum ande­ren macht Wan­dern auch Spaß – außer natür­lich man wird dazu gezwun­gen, gleich bei der ers­ten über sei­ne Gren­zen hin­aus­ge­hen zu müssen.
    Respekt, dass du nicht auf­ge­ge­ben hast.
    Vie­le Grüße

  4. Schö­ne Geschich­te, ich muss­te ziem­lich lachen. Ich konn­te mir die Wan­de­rung bild­lich vorstellen 🙂

  5. Dann hab ich sie ja gut erzählt.Danke.

  6. Juri Nello 1 24. November 2023 um 10:39

    Es hät­ten auch Kin­der­spie­le sein kön­nen, also das was man frü­her so beim Jugend­grup­pen­lei­ter­schein mit gelernt hat.
    Grund­sätz­lich ist da Wan­dern nicht übel, aber es hàngt halt von den Leu­ten in der Grup­pe ab. Natür­lich hast Du in Büro­jobs auch öfter Leu­te dabei, die nicht so gut zu Fuß sind. Das soll­te ein Pla­ner da vor­her ermit­teln und – je nach dem – das Pro­gramm umstel­len, bzw. anpassen.

    Noch bes­ser wäre es, auch kurz­fris­tig das Pro­gramm umzu­stel­len, damit die Leu­te mög­lichst unvor­be­rei­tet in die Situa­ti­on kom­men, damit eben nicht die mit­ge­brach­te Aus­rüs­tung einen Unter­schied machen kann.

  7. Juri Nello 470 25. November 2023 um 08:40

    Das ist nicht so schlimm, wie es sich anfühlt. Die Meis­ten fūh­ren ein Leben mit viel Wür­de und Hät­te und Könnte.

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