Schiefe Bilder zum Migrationspakt

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Wenn der Cho­co­la­tier in der Fern­seh­wer­bung jede Pra­li­ne ein­zeln bestaunt und sie erst nach per­sön­li­cher Ver­ab­schie­dung für den Ver­kauf frei­gibt, hat das im Hin­blick auf die Glaub­wür­dig­keit auf mich eine ähn­li­che Wir­kung wie die Tira­den, die heu­te der AfD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Dr. Furie zum UN Migra­ti­ons­pakt vom Sta­pel ließ. Ich bin lei­der sicher, dass vie­le dem Cho­co­la­tier eben­so glau­ben wie Dr. Furie.


Die Debat­te, die wohl nie geführt wor­den wäre, hät­te die AfD sie nicht auf die Agen­da geknallt, war nötig. 

Ange­sichts der Auf­ruhr, die der UN-Migra­ti­ons­pakt ent­facht hat, soll­te die geplan­te Unter­zeich­nung am 10./11. Dezem­ber in Mar­ra­kesch ver­scho­ben wer­den. Dabei muss mit bedacht wer­den, dass es für die exis­tie­ren­den Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten noch längst kei­nen Schleif­stein gibt. Die Debat­te war – Ent­schul­di­gung – nicht sehr ergiebig.

Die Rech­ten füh­ren alles in die Debat­te ein, was irgend­wie gegen Migra­ti­on und Flücht­lin­ge anliegt. Das ging vom Miss­brauch der Sozi­al­hil­fe über Mes­ser­män­ner bis hin zur Grup­pen­ver­wal­ti­gung. Dr. Furio über­setz­te einen Aus­schnitt aus dem vie­len zu ein­sei­tig und zu posi­tiv for­mu­lier­ten Pakt, der die Inno­va­ti­ons­leis­tun­gen der Migran­ten beson­ders her­aus­stell­te. Das saß, jeden­falls rhetorisch. 

Die AfD als Speer­spit­ze gegen den Pakt fin­det immer mehr Unter­stüt­zer und Für­spre­cher, die sich mit dem 32-sei­ti­gen UN-Migra­ti­ons­pakt detail­liert aus­ein­an­der­ge­setzt haben und die sub­stan­zi­el­le Beden­ken zum Aus­druck brachten.

Der Text von Ste­fan Aust bei der „Welt“ steht nicht allein auf Haben­sei­te der Kri­ti­ker. Heu­te hat Sar­ra­zin einen län­ge­ren Text zum Migra­ti­ons­pakt ver­öf­fent­licht, der es eben­falls in sich hat. Sar­ra­zin führt ein aus sei­ner Sicht bestehen­des Defi­zit in die Debat­te ein, das bis­her – glau­be ich – so noch nicht the­ma­ti­siert wur­de. Er fragt, wes­halb im UN-Migra­ti­ons­pakt nur bei­läu­fig von den Grün­den für die gestie­ge­ne Migra­ti­on die Rede sei. Der wich­tigs­te Grund wird – so Sar­ra­zin – im Pakt über­haupt nicht erwähnt. 

Völ­lig aus­ge­klam­mert – und das ist eines der größ­ten Defi­zi­te des Migra­ti­ons­pak­tes – wird die wich­tigs­te Ursa­che des Aus­wan­de­rungs­drucks, näm­lich die seit Jahr­zehn­ten anhal­ten­de Bevöl­ke­rungs­explo­si­on in den meis­ten Aus­wan­de­rungs­län­dern in Afri­ka und dem Nahen und Mitt­le­ren Osten. 

Thi­lo Sar­ra­zin, Ach​gut​.com

Vielstimmige Ablehnung

Egal, wem man zuhört. Der AfD, Prof. Her­de­gen, Bene­dict Neff (NZZ), Ste­fan Aust (Welt) oder Thi­lo Sar­ra­zin – es stel­len sich Fra­gen, die nicht ein­fach abge­räumt wer­den können. 

Posi­ti­ve Stim­men zum UN-Migra­ti­ons­pakt gibt es auch. Wie die­ses Inter­view mit dem stell­ver­tre­ten­den UNO-Flücht­lings­hoch­kom­mis­sar, Vol­ker Türk. Aber wel­che auf­ge­leg­ten Fra­gen wer­den dort wirk­lich beant­wor­tet? Ich mei­ne so beant­wor­tet, dass kei­ne Zwei­fel übrig blei­ben oder die bestehen­den wenigs­tens deut­lich ver­klei­nert würden?

Mir bleibt ein gro­ßes Unbe­ha­gen. Und ich mache es mir nicht leicht.

Keine überzeugenden Argumente – nur Unsicherheit

Bei mir sorg­te der Gesamt­ein­druck der heu­ti­gen Bun­des­tags­de­bat­te eher für noch mehr Frust und Skep­sis gegen­über dem Migra­ti­ons­pakt. Vor allem aber gegen­über unse­rer Regie­rung. Sie hat es (wie­der ein­mal) ver­säumt, in einer frü­he­ren Pha­se der Ver­hand­lun­gen Öffent­lich­keits­ar­beit zu leisten. 

Dabei mag Außen­mi­nis­ter Maas durch­aus recht haben, wenn er die man­geln­de Auf­ar­bei­tung durch einen ein­zel­nen AfD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten, den das Aus­wär­ti­ge Amt angeb­lich früh ein­be­zo­gen hat­te, bemän­gel­te. Die AfD setzt halt ihre Prio­ri­tä­ten und es ist auch bei ganz ande­ren The­men so gelau­fen, dass die AfD den „rich­ti­gen Moment“ im Par­la­ment für ihre hin­ter­fot­zi­gen Vor­trä­ge abwar­ten konn­te. Das kann man der Par­tei nicht ein­mal vorwerfen.

Kampf um die eine Wahr­heit, die es auch in die­sem Fall
viel­leicht gar nicht gibt.

Der Regie­rung muss ich ange­sichts der Bri­sanz des Pak­tes den glei­chen Vor­wurf machen, den auch die AfD und ihre Anhän­ger genüss­lich erheben. 

Die Infor­ma­ti­on einer ohne­hin in die­ser Fra­ge kri­tisch ein­ge­stell­ten Öffent­lich­keit wur­de unter­las­sen, viel­leicht sogar bewusst hin­ter­trie­ben. Die­sen Ein­druck konn­ten weder die Regie­rungs­par­tei­en noch die Medi­en wider­le­gen. Denn auch die Medi­en haben das The­ma ver­schla­gen. Da nüt­zen offen­sicht­lich auch inves­ti­ga­ti­ve Recher­che – Netz­wer­ke einen Dreck.

Wahr­schein­lich ist, dass die Regie­rung (wie­der ein­mal) davon aus­ge­gan­gen ist, dass man schla­fen­de Hun­de bes­ser nicht wecken soll­te. Und über­haupt – was soll man auch den Bun­des­tag mit sol­chen „Klei­nig­kei­ten“ behel­li­gen? Ich behaup­te, dass die­se Tak­tik durch die Erfah­run­gen der let­zen Jah­re so etwas von geschei­tert ist. Nun ist sie auf der Tages­ord­nung. Die­je­ni­gen haben sie dort­hin geknallt, weil sie es sehr wohl ver­ste­hen, die damit ent­ste­hen­den Ein­drü­cke für sich und gegen die Demo­kra­tie ein­zu­set­zen. Die dün­ne Argu­men­ta­ti­ons­li­nie der Abge­ord­ne­ten beleg­te das leider.

Stümperhafte Öffentlichkeitsarbeit

Unse­re Regie­rung scheint nicht zu begrei­fen, was sie unse­rem Land mit die­ser stüm­per­haf­ten Öffent­lich­keits­ar­beit erneut ange­tan hat. 

Dass das Par­la­ment sich heu­te mehr­heit­lich für den UN-Migra­ti­ons­pakt aus­ge­spro­chen hat, will ich mal der inne­ren Ein­sicht der Mehr­heit zuschrei­ben. Sicher bin ich nicht. Wahr­schein­li­cher ist, dass die Angst vor der AfD ein­mal mehr zu die­ser Beschluss­la­ge geführt hat. Allein die­ser Ver­dacht ist für mich das Schlimms­te am heu­ti­gen Tag.

Mich beschäf­ti­gen weni­ger die Ent­schei­dun­gen in den USA, Aus­tra­li­en, Ungarn, Öster­reich oder Ita­li­en. Aber das sind nicht alle Län­der, in denen es dies­be­züg­lich rumort. Nur wir Deut­sche spie­len wie­der die folg­sa­men Lämmer. 

Der Bun­des­tag tut das, obwohl gemäß Umfra­gen eine nega­ti­ve Stim­mung in der Bevöl­ke­rung gegen den Pakt vorherrscht. 

Und wie­der wird lus­tig wei­ter an dem Bild gear­bei­tet, dass schon bis­her so „erfolg­reich“ auf- und abge­hängt wur­de: wer den Nut­zen die­ses UN-Migra­ti­ons­pak­tes nicht sehen kann, der ist ent­we­der zu dumm oder er hat ideo­lo­gi­sche Scheu­klap­pen auf.

Menschenfeinden die Bühne bereiten

Mich stellt das eben­so wenig zufrie­den, wie die Tira­den des Dr. Furio von der AfD. Der hat heu­te im Bun­des­tag wie­der nichts ande­res gemacht, als sei­ne Kol­le­gIn­nen es bei vie­len Debat­ten zuvor immer wie­der vor­ge­führt haben. 

Immer alle Vor­ur­tei­le, schlech­ten Bei­spie­le und Angst­sze­na­ri­en aus­brei­ten, um mög­lichst vie­le (Idio­ten) davon zu über­zeu­gen, dass unser Land kom­plett im Arsch ist. Und das gelingt immer noch. Obwohl die Umfra­ge­wer­te der AfD seit Wochen ziem­lich sta­gnie­ren. Immerhin.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Bundestag UN-Migrationspakt

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