In unseren Medien wird Angela Merkel für ihre Rede vor „Harvard“ – Absolventen überschwänglich gefeiert. Die adäquate Hofberichterstattung kam von Claus Kleber im „Heute Journal“. Da kommen Assoziationen auf, die die AfD-Trollarmee zu leicht für ihre hinterlisten Zwecke benutzen kann.
Merkels CDU steht unter Beschuss und nicht wenige schreiben diese Tatsache der Chefin zu. Annegret Kram-Karrenbauer ist insofern höchstens das Bauernopfer, das die Medien sich als Stellvertreter der eigentlichen Chefin auserkoren haben.
In jener Woche, da Deutschland in einem internationalen Wettbewerbsfähigkeitsranking auf den 17. Rang durchgereicht wurde und in einer Liste der attraktivsten Standorte für zuwandernde Fachkräfte nur noch Rang 12 belegte; in jenem Monat, da das polizeiliche Lagebild zur ausufernden Clan-Kriminalität in Nordrhein-Westfalen vorgestellt wurde; in jenem Jahr, da bekannt wurde, dass deutlich mehr Deutsche Opfer werden von Gewalttaten durch Migranten als umgekehrt – Ende Mai 2019 also machte sich die studierte Physikerin und derzeitige Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Angela Merkel, auf über den Großen Teich, um an der Harvard-Universität eine ihrer besseren Reden zu halten. Die Rede mündete in ein weitreichendes Bekenntnis: „Ich glaube, dass wir immer wieder bereit sein müssen, Dinge zu beenden“.
Frau Merkel beendet Dinge – Dr. Alexander Kissler
Untergetaucht
Frau Merkel tritt in Deutschland (selbst im EU-Wahlkampf) kaum mehr in Erscheinung. Man könnte glauben, sie übe deshalb diese Abstinenz, um uns die Chance zu geben, Verlustängste zu entwickeln. Aber so eitel ist Merkel nicht, denke ich.
Charisma und Exzellenz
Wir kennen viele bewegende und staatstragende Reden von PolitikerInnen. Mir fällt keine solche ein, die Angela Merkel je gehalten hätte oder die mir in Erinnerung geblieben wäre. Ich meine das nicht böse oder despektierlich!
Es gab große Reden von John F. Kennedy, Barack Obama, Richard von Weizsäcker, Martin Luther King, Winston Churchill. Viele wurden ins Deutsche übersetzt und fanden weltweit Beachtung fanden. Umstritten waren all diese Persönlichkeiten dennoch. Das teilen sie mit Angela Merkel der Gegenwart oder sagen wir seit 2015.
Angela Merkel dürfte, wenn sie bis zur Legislaturperiode (Herbst 2021) als Kanzlerin durchhält, den bisherigen Rekord der Amtszeit deutscher Bundeskanzler einstellen und mit 16 Jahren mit Helmut Kohl gleichziehen. Erst danach folgt Konrad Adenauer mit 14 Amtsjahren.
Wenn wir diese Jahre heute Revue passieren lassen – viele Journalisten haben das längst und nicht nur einmal gemacht – spielt uns das Gedächtnis einen Streich. Viele tun so, als sei Merkels Amtszeit von Fehlleistungen und Versäumnissen geprägt (Rezo).
Dabei lag beispielsweise ein erheblicher weltweiter Sympathiezugewinn Deutschlands in dieser langen Amtszeit Merkels. Die Arbeitslosigkeit ist auf einen Rekordwert gesunken und die Wirtschaft floriert. Sie legen eine Energiewende hin, die – mit Verlauf – nicht allein auf Merkels Mist gewachsen ist. Ich erinnere an die großen Zustimmungswerte für den Atomausstieg! Nur – daran will sich heute keiner mehr erinnern. Die Energiewende hat den Nachteil, dass sie schrecklich teuer ist. Wir lesen unsere Stromrechnung und werden sauer. Gleichzeitig verlangen wir den sofortigen Kohleausstieg. Viel Spaß kann ich da nur sagen.
Teile dieser Gesellschaft tun so, als könnte oder sollte man (egal, welche Folgen es auch hätte) den nach Fukushima beschlossenen Verzicht auf Kernenergie und den heute geforderten unverzüglichen Ausstieg aus der Kohleverbrennung ökonomisch verkraften. Dabei sind die CO2 Emissionen hauptsächlich deshalb nicht gesunken, weil wir den Ausfall der Atomenergie zu kompensieren haben. Ich denke, diese Aussage lässt sich durch irgendeinen Wissenschaftler entkräften. Danke, ich benutze lieber meinen eigenen Kopf.
Dass wir uns langsam aber sicher wieder auf eine „Normalposition“ im Ansehen anderer Länder heruntergewirtschaftet haben, liegt in meinen Augen nicht an Merkels Flüchtlings- oder ihrer gerade im Süden Europas heftig kritisierten Austeritätspolitik, sondern an unserem Egoismus, unserer legendären Angst (vor allem vor der Zukunft) und einem von Rechtspopulisten verklärten und instrumentalisierte Sinn für Nostalgie und Romantik. Wir sind längst soweit, dass wir Menschen im Mittelmeer stillschweigend und ohne Intervention versaufen lassen, als das wir uns erneut für Flüchtlinge einsetzen. Solange doch alles so schön ruhig ist.
Demografie
Viele europäische Gesellschaften sind polarisiert und drohen auseinanderzubrechen. Das liegt vielleicht weniger an Fehlleistungen der Politik als den Gesellschaften insgesamt. Wir BürgerInnen springen doch über jedes Stöckchen und machen aus jedem Furz einen Donnerschlag. Das Internet hilft dabei ungemein.
All die Experten, die uns gemeinsam mit Rezo die Welt erklären, sind selbst so hineingezogen in ihre virtuelle Blase und so vereinnahmt von den Möglichkeiten in #Neuland, dass (auch) sie den Wald vor Bäumen nicht mehr sehen.
Gestern hatte ich eine kurze aber umso heftigere Diskussion bei Facebook mit ein paar jungen Leuten. Es ging um die Dominanz der Alten in der deutschen Gesellschaft und um die Frage, ob man ein Höchstalter festlegen solle, bis zu dem BürgerInnen wählen dürfen. Klar, dass die mir (65) mit dem Ansatz auf den Zeiger gegangen sind. Niemand wird die Augen davor verschließen, dass die demografische Entwicklung auch für unser Demokratieverständnis ein Problem darstellt.
Fleischhauer
Es wirkt auch auf mich befremdlich, wenn Jan Fleischhauer in seiner Spiegel – Kolumne das in allen Medien herausgehobene Wahlverhalten der unter 25jährigen heraushebt, um in süffisantem Tonfall darauf hinzuweisen, wer in diesem Land (wählertechnisch gesehen) den Ton angibt und künftig noch mehr angeben wird. Er betont die Unterschiede und kommt, wie die Jungen auch, in seiner Kolumne nicht darauf, dass die konstruierte Konfrontation zwischen jung und alt einfach nur böswillig und zudem auch unrealistisch ist. Schließlich haben die älteren Menschen (Rentner aller Altersklassen) Familien, Enkel, Urenkel oder wenigstens häufig Nichten und Neffen, so dass es einfach abwegig ist, ihnen einen Egoismus zu unterstellen, der in unserem Land alles blockiert. Der Wahrheit, dass die Demografie, übrigens auch in vielen europäischen Ländern, ein Problem darstellt, ist damit ja nicht gesagt.
Alten Menschen die Wahlberechtigung zu entziehen ist ein anderes Pfund als über den Entzug eines Führerscheines nachzudenken. Selbst solche vergleichsweise gut argumentierbaren Ansinnen sind schwer durchzusetzen. Nicht das Alter sollte dafür entscheidend sein, sondern der geistige und körperliche Zustand des Individuums.
Die Frage nach einer eingeschränkten Wahlberechtigung geht an die Grundfesten unseres Rechtsstaates bzw. unserer Demokratie. Wenn solche Überlegungen bei jungen Leuten Schule machen sollten, sehen wir einer wirklich rosigen Endzeit entgegen.
Ich kann mir vorstellen, dass viele sich Angela Merkel als Bundeskanzlerin noch einmal zurückwünschen. Mit Charisma und Exzellenz kommt man angesichts der Großwetterlage auch nicht weit. Das Internet macht auch die Suche nach Lösungen nicht einfacher, weil die immer noch weiter zunehmende Komplexität in dieser einen globalisierten und digitalisierten Welt unseren Lern-Rückstand (noch) nicht ausgleichen kann.
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