Warum wird von deut­schen Leitmedien Merkels Empfehlung als Forderung an Erdogan verkauft?

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Diese Reaktionen schaffen kein Vertrauen in unsere Regierung. Ob sie sich darüber nicht im Klaren ist?

Merkel hat in einem Telefongespräch von Erdogan die «umge­hen­de Beendigung» der Syrienoffensive gefor­dert. Die tür­ki­sche Offensive ist längst ein grau­sa­mer Krieg – auch gegen Zivilisten!

Von einer Forderung Merkels schrei­ben Spiegel und ande­re.

Sich für etwas aus­zu­spre­chen – und mehr hat Merkel nicht getan – ist kei­ne Forderung. Das soll­te man den Journalisten, die das geschrie­ben haben, wirk­lich mal sagen!

Im Artikel erfährt man, dass die Initiative zu die­sem Telefonat von den Türken aus­ging. Außerdem lesen wir, dass eine Regierungssprecherin berich­tet habe, dass sich Merkel in die­sem Telefongespräch für eine umge­hen­de Beendigung der Militäroperation aus­ge­spro­chen habe.

Viele wün­schen sich, dass unse­re Regierung kla­re Ansagen in Richtung Türkei macht. Sie tut es nicht! Dafür machen das jetzt unse­re Medien. Fast alle behaup­ten, Merkel habe «gefor­dert», dabei hat sie sich ledig­lich für eine Beendigung der Militäroperation ausgesprochen.

Ich fin­de, eine Forderung ist etwas ande­res, als sich «für etwas aus­zu­spre­chen». Nun ken­nen wir Erdogans Reaktionen inzwi­schen ein biss­chen. Zugegeben, die Beschreibungen in deut­schen und ande­ren euro­päi­schen Medien sind ein biss­chen par­tei­isch und die tür­ki­schen Medien berich­ten über der­ar­ti­ge poli­ti­sche «Aussprachen» etwas anders. 

Ich will nicht drum­her­um reden: es kotzt mich an wie Erdogan mit uns Europäern redet. Seine Gestik, sei­ne Wortwahl sind kei­nen Deut bes­ser als jene des ame­ri­ka­ni­schen Präsidenten. Offenbar las­sen unse­re viel beschwo­re­nen Werte nicht zu, dass kla­re Positionen aus­ge­spro­chen wer­den und zur Abwechslung ein­mal zu Maßnahmen gegrif­fen wird, die die Türken tat­säch­lich tref­fen. Und die­se gibt es durch­aus!

Wertekanon der EU

Die Beschreibung im «Spiegel» passt ja zu dem immer wie­der erwähn­ten, nur lei­der wenig über­zeu­gen­den Wertekanon, der aus der EU und aus Deutschland nach Ankara hinüberschallt. 

Nicht weni­ger über­zeu­gend kom­men auch die war­men Worte von Donald – das Genie – Trump – in Richtung der kur­di­schen YPG-Milizen in Nordsyrien. Sie mögen sich ange­sichts der mili­tä­ri­schen Offensive aus der Region «zurück­zie­hen».

Von Sanktionen und von völ­li­ger Vernichtung der tür­ki­schen Wirtschaft hat­te Trump in einem Tweet gefa­selt. Welche Sanktionen aus den USA und der EU auf die Türken zukom­men? Erfahrungsgemäß wohl här­te­re als die aus Europa. 

Aber wir ken­nen die Wirkung der Maßnahmen aus ande­ren Konfliktlagen. Fakt ist, dass der völ­ker­rechts­wid­ri­ge Krieg der Türken vie­le Opfer kos­tet. Inzwischen hören wir, dass ca. 140.000 Menschen aus der Region haupt­säch­lich ins Landesinnere geflo­hen sind. Die Zahl der Toten vari­iert je nach Quelle. 

Fluchtursachenbekämpfung

Und was tut die deut­sche Regierung? Sie hält sich deut­lich zurück. Man darf wohl sagen: es ist wie immer. 

Dabei hät­te sie wesent­lich mehr Spielraum, um Erdogans Regime rich­tig weh zu tun. Dazu gehört z.B., dass VW kein Werk in der Türkei baut! 

Aber das möch­te die Regierung nicht, weil sie ver­mut­lich dar­auf hofft, dass der Konflikt schnell been­det ist und die Wirkung von Erdogans visio­nä­rem Wohnprojekt in der Sicherheitszone von 38 x 480 Kilometern, bald segens­rei­che Wirkung ent­wi­ckelt. 140 Dörfer und zehn Städte mit Schulen, Krankenhäusern und Moscheen sol­len in der Zone erbaut wer­den. Dorthin wer­den dann vie­le der ca. 3,6 Millionen syri­schen Flüchtlinge, die sich heu­te in der Türkei befin­den, umge­sie­delt. Das sorgt in der Türkei für etwas Ruhe. Denn dort sind die Einheimischen von den Problemen seit Jahren stark gefor­dert. Zum ande­ren kann Erdogan sei­ne am Boden lie­gen­de Bauindustrie auf Kosten der Europäer aufpäppeln. 

Hoffnungsvolles Projekt…

Ob die Europäer die­ses Projekt, das wir natür­lich auch bezah­len dür­fen (24,4 Milliarden Euro!) als hoff­nungs­vol­les Modell betrach­ten, in die Kategorie «Fluchtursachenbekämpfung» ein­ord­nen? Zynisch genug wären unse­re Politiker. 

Nochmals zur Klarstellung: Deutschland tut gar nichts. Deutschland lässt den Despoten sein Werk ver­rich­ten, die Kanzlerin reagiert mit einer «Empfehlung» an Erdogan. Unser Außenminister droht mit Sanktionen und die Türken lachen sie der­weil kaputt über die EU und über Deutschland. Es ist wie immer.


Würde der Krieg durch Sanktionen des Westens been­det wer­den, könn­ten die Europäer ihr Geld sinn­voll für das von Erdogan erfun­de­ne (sic?) Projekt ein­set­zen und in Nordsyrien eine Sicherheitszone ein­rich­ten. Wenn Erdogan das schafft, soll­ten wir es (ohne Blutvergießen und im wohl­ver­stan­de­nen eige­nen Interesse) auch schaffen.

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