Endlich fand ich einen Artikel, den ich mir schon viel früher gewünscht hätte. Unentschieden bleibe ich, ob der Verfasser einfach mal was gegen den Strom sagen wollte oder ob er aus Überzeugung schrieb. Von These ist die Rede.
relativer Fortschritt
TAZ-Autor Michael Brake versucht zwar, andere Bereiche von seinem relativen Freispruch für dieses Deutschland in der Pandemie, ausdrücklich von seiner positiven Bewertung auszusparen. Der daraus resultierende Vielfronten-Krieg wäre wohl auch kaum zu gewinnen.
Das ist die andere Seite des Pragmatismus, nach dem gerne gerufen wird gerade. Ist ja auch eine Supersache – aber dann wird es halt schwieriger, die Impfreihenfolge einzuhalten. Und das wäre eben nicht egal in einem Land, wo Neid und Fairnessgefühl eine übergroße Rolle spielen, wo es zu einem Riesenskandal hochgejazzt wurde, als einige Landräte übriggebliebene Impfdosen nutzen, wo unter einem happy Facebook-Post über eine Impfung mit „Schön für euch. Meine Mutter (77) wartet immer noch“ geantwortet wird.
Coronabekämpfung in Deutschland: Es gibt kein deutsches Impfdesaster – taz.de
Inzwischen wurden über 10 Mio. Menschen in Deutschland geimpft. In den USA sind es über 100 Mio. Die Amis sitzen halt auf dem Impfstoff. Das „america first“ des unsäglichen Trump hallt nach. 40 Mio. Impfdosen sollen dort auf Halde liegen. Hoffentlich vergessen wir Europäer dieses Verhalten der Amis nicht sobald.
Aber wenn es nach der AfD oder zum Beispiel auch Herfried Münkler (zuletzt bei Frank Plasberg) oder Markus Lanz ginge, der sich mehrfach über das Wort „Impfnationalismus“ aufgeregt hat, hätten wir all unser Geld und unsere „Macht“ dafür einsetzen müssen, dass Deutschland die Position im Impfranking eingenommen hätte, die ihm zustünde. Und das wäre – wie bei der Wirtschaft oder beim Fußball – naturgemäß die Nummer eins! Alles andere ist eben Mist.
Deutsche Sonderweg
Ein solcher egoistischer, deutscher Sonderweg hätte den Zersetzungsprozess der EU auch nicht stärker befeuert als die Sollbruchstellen, die wir längst alle kennen und die nach der Pandemie offenbart werden. Dass die Menschheit diese Pandemie erst dann überwunden hat, wenn wirklich überall – auch in den ärmsten Ländern der Welt – geimpft wurde, haben all die beiseite geschoben, die die Bewahrung deutsche Vorherrschaft als Normalität betrachten, jedenfalls solange sie das Impfen betreffen. Was sagt das über uns?
In den nationalen Schwur-Formeln für hohe Staatsämter sind immer noch die Worte „Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“ enthalten. „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“ So läuft das in einem Nationalstaat. Die Nagelprobe für die Entwicklung der globalen Zivilisation läuft also strenggenommen gegen nationale Interessen.
Laschets Brücken-Lockdown
Ich erinnere mich, dass Merkel sich einmal darüber beklagt hat, dass Politiker kaum mehr Zeit zum Nachdenken bekämen. Ich glaube, es war in einem Interview vor ihrer Kanzlerschaft. Mir ist ihre Bemerkung hängengeblieben, weil das für mich genau den Tatsachen entspricht. Und das ist in den letzten 15 Jahren bestimmt nicht besser geworden.
Als es hieß, Laschet wolle über die Osterfeiertage über weitere Corona-Maßnahmen nachdenken, hat das bei Twitter zu den erwarteten Reaktionen geführt. #laschetdenkt Nachdenken verbinden offenbar viele mit Schwäche und Zögerlichkeit. Laschet macht in diesen Zeiten keinen souveränen Eindruck. Ganz anders verhält es sich bei seinem Pendant aus Bayern. Laschet kreißte und gebar einen neuen Begriff, den Brücken-Lockdown. Er verlangt ein schnelleres Treffen der MinisterpräsidentInnen, kein virtuelles, sondern eines, bei dem sich die Teilnehmer persönlich begegnen. Es wäre schon deshalb angemessen, weil diese permanente Durchstecherei an die Medien zuletzt nur weiteren Frust hervorbrachte.
Die Zahlen verlangen schnelles und entschlossenes Handeln. Das Treffen sollte nunmehr zu Beginn der Woche stattfinden, so dass der notwendige strenge Lockdown möglichst noch in der beginnenden Woche starten kann. Mal sehen, ob Laschet dafür Verbündete im Kreise seiner Kolleginnen und Kollegen findet.
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