Laschet geflu­tet vom Dauershitstorm

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Wenn ich Laschets schlech­te Presse auf mich ein­wir­ken las­se, mer­ke ich, wie ich inner­lich irgend­wie zusam­men­sin­ke. Wie wir mit PolitikerInnen umge­hen, ist auch nicht bes­ser, als den «Querdenkern» dabei zuzu­se­hen, wie sie Polizisten umhau­en. Sogar die Reaktionen der bei­den Gruppen wür­de ich ver­gleich­bar nen­nen. Bloß nicht zu viel sagen, lie­ber die unter­ir­di­schen Äußerungen im Netz über sich erge­hen las­sen. Es wür­de alles nur noch schlim­mer machen.

Zwischendurch hielt ich Armin Laschet für den rich­ti­gen Kandidaten. Nicht für mich per­sön­lich. Ich gehe nicht mehr zur Wahl! Mein Eindruck kam wohl daher, dass er in Teilen der Medien als Brückenbauer ver­kauft wur­de. Wenig spä­ter reich­ten mir sei­ne intel­lek­tu­el­len Fähigkeiten nicht, spä­ter kamen cha­rak­ter­li­che Mängel (Lachen zur Unzeit, unbe­wie­se­ne Vorwürfe) und – das stand über allem – unpro­fes­sio­nel­les Verhalten hinzu. 

Irgendwo – ich glau­be es war im «Spiegel» – schrieb ein Journalist, die Kameras hät­ten zwar Laschets Lachen zur Unzeit ein­ge­fan­gen, nicht jedoch sei­ne gro­ße Zugewandtheit zu den von der Katastrophe betrof­fe­nen Menschen. 

Wir wis­sen alle, was in den Köpfen der Menschen hängenbleibt!

Laschet wur­de ges­tern in Swistal nicht kri­ti­siert, er wur­de ange­pö­belt. Es macht mir zu schaf­fen, weil ich einer­seits die von der Katastrophe ins Mark erschüt­ter­ten Menschen ver­ste­he, wenn sie nach Verantwortlichen, bes­ser gesagt, nach Schuldigen für ihre schreck­li­che Situation suchen. Andererseits bin ich der Überzeugung, dass die «bes­te Vorbereitung» in die­sem Fall nicht gehol­fen hät­te. Die Auswirkungen hät­ten nicht gemin­dert, schon gar nicht ver­hin­dert wer­den kön­nen. Möglicherweise hät­te man Menschenleben ret­ten kön­nen. Nur wie – dar­über sind wir uns heu­te nicht einig.

In Ahrweiler hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Behördenvertreter auf­ge­nom­men, weil der Anfangsverdacht für fahr­läs­si­ge Tötung bestehe. Da gilt das glei­che wie bei den Vorwürfen gegen Laschet. 

Dass unter­las­se­ne Maßnahmen und nicht recht­zei­ti­ge Evakuierungen zum Schutz der Bevölkerung dazu geführt haben, dass die­se in ihrem Ausmaß bis­her unvor­stell­ba­ren Schäden auf­ge­tre­ten sind, wäre aus mei­ner Sicht unbe­dingt von der Frage zu tren­nen, ob durch wel­che Maßnahmen auch immer, Todesfälle zu ver­mei­den gewe­sen wären. So wird bei­spiels­wei­se gemut­maßt, dass der Umgang mit über­füll­ten Talsperren erst zur Katastrophe geführt hät­te. Im Fall der Erft (Steinbachtalsperre) könn­te das viel­leicht so gewe­sen sein. Aber was ist mit Ahrweiler? 

Dort war die Situation, soweit ich weiß, nicht gege­ben, dass Dämme zu bre­chen droh­ten bezie­hungs­wei­se, dass Wasser aus Talsperren abge­las­sen wor­den ist. Allein im Ahrtal sind 138 Menschen gestorben. 

Der Vorwurf lau­tet, die Menschen sei­en trotz recht­zei­ti­ger Meldungen der zustän­di­gen Stellen, nicht eva­ku­iert wor­den. Vielleicht wären die Leute in China den Anweisungen der Behörden in einem sol­chen Fall gefolgt. Aber wie hät­te das in die­ser deut­schen Region aus­ge­se­hen? Wir haben davon gehört, dass dort, wo es ver­sucht wur­de, die Maßnahmen nicht umge­setzt wer­den konn­ten, weil die Leute ihre Häuser nicht ver­las­sen woll­ten. Sie glaub­ten, was ich ver­ste­hen kann, dass es doch nicht so schlimm würde. 

Wie hät­te ein sol­cher Evakuierungsfall sich über­haupt dar­stel­len las­sen? Welche his­to­ri­schen Beispiele gibt es, um aus dem Unterlassen der ver­ant­wort­li­chen Leute in den zustän­di­gen Behörden juris­ti­sche Vorwürfe abzuleiten?

Noch ein­mal zurück zu Laschet.

Obwohl ich ihn nicht für einen adäqua­ten Kanzler für Deutschland hal­te, geht mir die gren­zen­lo­se Kritik trotz­dem auf die Nerven. 

Manche hal­ten ihn inzwi­schen auch für unge­eig­net, Ministerpräsident von NRW zu sein. Dabei galt bis zur Pandemie und der schreck­li­chen Flutkatastrophe, dass er und sei­ne Regierung einen guten Job gemacht haben. Das Grüne und Umweltaktivisten das anders sehen, ändert an sei­nen dama­li­gen Zustimmungswerten nichts.

Nicht alle PolitikerInnen sind BerufspolitikerInnen. Vor allem sie erzeu­gen in unse­rer Öffentlichkeit häu­fig nega­ti­ve Verallgemeinerungen. Solche Bilder sind ein gefun­de­nes Fressen für die Feinde der Demokratie. Darüber soll­ten wir uns im Klaren sein. Ebenso trifft das übri­gens auf das Bild zu, dass man­che – wenn auch nicht immer zu Unrecht – von der Polizei haben. 

Die eigent­lich ver­bo­te­ne «fried­li­che» Demo der «Querdenker» in Berlin hat wie­der jede Menge Bilder pro­du­ziert. Auch sol­che, die jedem Betrachter klar­ge­macht haben soll­ten, wie «fried­lich» die­se Leute auf­ge­tre­ten sind und wel­che gefähr­li­che Strategie die Anführer die­ser fehl­ge­lei­te­ten BürgerInnen ver­folgt haben.

Obwohl der nächs­te Bundestag ver­mut­lich wie­der ein­mal grö­ßer sein wird, als der vor­he­ri­ge, könn­te es irgend­wann doch so sein, dass sich Menschen nicht mehr für poli­ti­sche Ämter inter­es­sie­ren, weil ein gro­ßer Teil unse­rer Öffentlichkeit deren Arbeit nicht zu schät­zen weiß. Das gilt auch für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, übri­gens auch für Ehrenamtler, die sich manch­mal Angriffen gegen­über­se­hen, die mich als Beobachter sprach­los zurück­las­sen. Diejenigen, die für uns sol­che Jobs über­neh­men, soll­ten wir wenigs­tens fair behandeln. 

Was, wenn die «Qualität» der­je­ni­gen, die sich in Zukunft wäh­len las­sen, immer weni­ger dem ent­spricht, was wir uns für sol­che Positionen wünschen?

Foto: «Łowcy świ­tów w Miroszewie» by TomLight Photography is licen­sed under CC BY-NC-ND 2.0

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7 Gedanken zu „Laschet geflu­tet vom Dauershitstorm“

  1. «Was, wenn die »Qualität« der­je­ni­gen, die sich in Zukunft wäh­len las­sen, immer weni­ger dem ent­spricht, was wir uns für sol­che Positionen wünschen?»
    Das scheint mir unab­wend­bar so.

    Bzgl. der Kritik an Laschet:
    Der Mann fiel mir die gan­ze Zeit der Pandemie getrie­ben von immer wie­der wider­sprüch­li­chen Aussagen, tages­ak­tu­ell sozu­sa­gen, zudem klar erkenn­bar irgend­wel­che Agenda bedienend.
    Ich konn­te ihm irgend­wann ein­fach nicht mehr zuhören.

    Ich wünsch­te, Politiker hät­ten eine ehr­li­che Haut, so wie ich sie Habeck oder Hubertus Heil zuschrei­ben würde.
    Aber sie sind alle an ers­ter Stelle Parteipolitiker und las­sen das immer wie­der raus.
    Gerade bei Laschet ist das deut­lich so.

    Nun gut, jetzt muß L. die­sen Gegenwind ein paar Wochen durch­hal­ten, dann ist er Kanzler. Darauf kann er jetzt schon pochen! 

  2. Habe den Satz «Ich gehe nicht mehr zur Wahl» in Form eines Blogposts bearbeitet:

    Nicht mehr wäh­len? Falsch!

    Der Grund, war­um ich dich im Beitrag nicht ver­linkt habe: Zum einen, weil DIESER Artikel hier das Nicht-wäh­len nicht wirk­lich the­ma­ti­siert – und weil ich es dir selbst über­las­sen woll­te, im Diary als der Anlass iden­ti­fi­ziert zu wer­den oder nicht. 

  3. Wären die Warnungen erfolg­reich gewe­sen und hät­ten die Bürger das Tal ver­las­sen, wären dann die Plünderer zur Stelle. Personenschäden hät­te es also so oder so gege­ben. Die Frage ist doch, was wird aus den Katastrophen gelernt? Wird es eine ande­re Bebauung geben? Baut man alles eher wie­der so auf, wie es war und war­tet dann auf die nächs­te Flut? Letzteres ist wohl wahr­schein­li­cher, denn was für den einen eine Katastrophe ist, ist für den ande­ren ein tol­les Geschäft. 

  4. Danke. Da muss ich erst mal recher­chie­ren. Einiges war mir zwar bekannt, aber ich habe nichts von der Umsetzung gehört. In Dresden darf man inzwi­schen auch wie­der mun­ter in den Auen bau­en. Die guten Vorsätze hal­ten immer nur so lan­ge, bis genü­gend Kapital winkt. 

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