Corona-Maßnahmen und der Duft von Freiheit und Abenteuer

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Wenn es wahr ist, dass die hohen Inzi­den­zen mit nied­ri­gen Impf­quo­ten und viel­leicht auch mit AfD-Wahl­er­geb­nis­sen kor­re­lie­ren, wie kann es dann sein, dass sich die 4. Wel­le von Osten nach Wes­ten bewe­gen wird? Das sagen Wis­sen­schaft­ler. Es sind Wis­sen­schaft­ler, denen wir in die­sen unsi­che­ren Zei­ten unser Ver­trau­en schen­ken. In Ost-Euro­pa sind die Impf­quo­ten schlech­ter – noch schlech­ter – als bei uns. Ange­sichts wei­ter stei­gen­der Inzi­den­zen, auch außer­halb der beson­ders kri­ti­schen Regio­nen in Deutsch­land, und der kata­stro­pha­len Lage in vie­len Kran­ken­häu­sern klingt das wahrscheinlich.

Schließ­lich ist es auf­fäl­lig, dass die Grenz­re­gio­nen nach Ost­eu­ro­pa beson­ders stark betrof­fen sind. Die kri­ti­sche Lage könn­te also nicht nur mit der nied­ri­gen Impf­quo­te zu tun gehabt haben, über die geschimpft wird. Dafür spricht auch die Lage in Bayern.

Vie­le wird ver­un­si­chern, dass zudem die Zahl der Impf­durch­brü­che dra­ma­ti­sche Fol­gen annimmt.

Es fällt immer schwe­rer, zu glau­ben, dass die »gro­ße Mehr­heit« der Men­schen auf den Inten­siv­sta­tio­nen unge­impft wären. Ich weiß, dass in Deutsch­land über zwei Drit­tel der Men­schen voll­stän­dig geimpft sind. Dass ande­rer­seits von bis zu 45 % von ITS-Pati­en­ten mit Impf­durch­brü­chen gere­det wird, irritiert.

Die Erläu­te­run­gen sind mathe­ma­tisch nach­voll­zieh­bar und logisch, es ist den­noch eine gro­ße Anzahl von Men­schen betrof­fen. Vie­le sehen ihre Hoff­nun­gen ange­sichts der Aus­sa­gen von Wis­sen­schaft­lern (Ver­spre­chun­gen oder Zusa­gen will ich nicht sagen!) zu den ver­schie­de­nen Impf­stof­fen ent­täuscht. Dass dies pri­mär auf die Wir­kung der seit Juli 2021 in Deutsch­land ver­brei­te­ten Del­ta-Vari­an­te zurück­zu­füh­ren ist, spielt eine gro­ße Rol­le. Mich wun­dert des­halb, dass die­ses Fak­tum in vie­len Erklä­run­gen nicht erwähnt wurde.

Über­haupt -, es gibt Stim­men, die schlech­te oder unzu­rei­chen­de Kom­mu­ni­ka­ti­on für unse­re der­zei­ti­ge Not­la­ge ver­ant­wort­lich machen. Wahr­schein­lich trifft das zu.

Ande­rer­seits kann ich nicht ver­ste­hen, dass man­che davon aus­ge­hen, dass die Bürger:Innen so dumm sind, die Gefah­ren einer Infek­ti­on mit Covid-19 zu unter­schät­zen. Wie soll­te eine bes­se­re Kom­mu­ni­ka­ti­on aus­se­hen? Sol­len Mer­kel oder Scholz sich wöchent­lich, täg­lich oder halb­tä­gig an die Nati­on wen­den, soll vor den Nach­rich­ten­sen­dun­gen auf­klä­ren­de Vide­os ver­öf­fent­licht werden?

Wenn die­je­ni­gen ernst genom­men wer­den möch­ten, die wäh­rend der Pan­de­mie angeb­lich ihre Bür­ger- und Frei­heits­rech­te ver­lo­ren haben, müss­ten sie nach mei­nem Ver­ständ­nis abso­lut bereit sein, gut infor­miert und letzt­lich auch gut geschützt zu sein.

Dass das nicht so ist, erkennt man an den Mas­sen von Men­schen, die offen­bar völ­lig sorg­los ohne Mas­ke und ohne Abstand, dafür mit 2G, also mit einer Imp­fung, die viel­leicht schon ein paar Mona­te drü­ber ist, zu Zig­tau­sen­den Fuß­ball­sta­di­en oder Kar­ne­vals­ver­an­stal­tun­gen besuchen.

Mir reich­ten die­se Bil­der von vol­len Stra­ßen und Geschäf­ten wäh­rend des »Black­fri­day«.

Ich kon­ze­die­re, dass nicht alle sol­che Schis­ser sein müs­sen, wie ich einer bin. Aber wer über das Virus gut infor­miert ist – und das soll­ten die meis­ten nach die­ser lan­gen Zeit sein – kann sich nicht so phleg­ma­tisch, sorg- und rück­sichts­los sei­ner ach so bedräng­ten Frei­heit hingeben.

Mei­ne Frau und ich sind froh dar­über, dass wir Rent­ner sind und im Hin­blick auf Coro­na-Maß­nah­men nicht auch noch dem Stress am Arbeits­platz aus­ge­setzt sind. In unse­rem Alter sind wir vor­sich­ti­ger als jun­ge Men­schen. Wir haben uns dar­über unter­hal­ten, wie wir es wohl gefun­den hät­ten, wären wir damals in unse­rer »Sturm-und-Drang-Zeit« von die­ser schreck­li­chen Pan­de­mie heim­ge­sucht wor­den. Wahr­schein­lich hät­ten wir es nicht anders gemacht als die jun­gen Men­schen, die heu­te dafür beschimpft werden.

Wahr­schein­lich – hof­fent­lich! – wägt man sein per­sön­li­ches Risi­ko ab und begibt sich danach auf die Pis­te. Zu Beginn der Pan­de­mie schien die Sache mit dem Risi­ko ja eini­ger­ma­ßen klar. Jun­ge haben ein sehr viel gerin­ge­res Risi­ko einer Erkran­kung als älte­re Men­schen. Das haben wir sehr, viel­leicht zu sehr, verinnerlicht.

Heu­te wis­sen wir, dass auch jun­ge Leu­te, nicht nur wegen even­tu­el­ler Vor­er­kran­kun­gen, schwer an Covid-19 erkran­ken und sogar ster­ben kön­nen. Ob die­ses Risi­ko so leicht zu ver­drän­gen ist? Es fällt mir schwer, die Ent­schei­dungs­kri­te­ri­en man­cher ange­sichts unzäh­li­ger und oft sehr trau­ri­ger Geschich­ten nachzuvollziehen.

All die Abwä­gun­gen und Teil-Infor­ma­tio­nen füh­ren nicht zu einer ein­deu­ti­gen Reak­ti­on in unse­rer Bevölkerung.

Ein Drit­tel der Bewoh­ner die­ses Lan­des haben sich dazu ent­schie­den, sich nicht imp­fen zu las­sen. Ich den­ke – ein Blick auf die Ent­wick­lung der Quo­ten reicht für das Urteil – dass nur noch eine Impf­pflicht dazu füh­ren kann, dass unse­re Impf­quo­te in Deutsch­land noch bei über 80 % lan­det. Die Alter­na­ti­ve könn­te sein, dass wir künf­tig, zumin­dest im Herbst eines jeden Jah­res, sol­che Situa­tio­nen durch­le­ben werden.

Aller­dings habe ich auch Ver­ständ­nis für die­je­ni­gen, die nach den elen­den bis­he­ri­gen Aus­sa­gen (»Mit uns nicht!«, »Ich ver­spre­che Ihnen…«) ver­ant­wort­li­cher wie unver­ant­wort­li­cher Poli­ti­ker, über die viel­leicht doch ein­ge­führ­te Impf­pflicht empört sein werden.

Abge­se­hen von Coro­na nei­gen ganz vie­le von uns ja dazu, ziem­lich schnell empört zu sein. Vor die­sem Hin­ter­grund soll­te man die Empö­rung, also auch die eige­ne, ent­spre­chend einordnen.

Die Sprin­ger-Pres­se hat sich mit vie­len Bei­trä­gen dar­auf fest­ge­legt, dass dem Deut­schen an sich nicht so viel an sei­ner Frei­heit liegt. Wie vie­le die­se Ansa­gen der Pos­ch­ardts, Schnei­ders, Rei­chelts und Ronshei­mers, nebst pene­tran­ten B‑Jour­na­lis­ten-Cla­queu­ren zu ertra­gen sind, weiß ich nicht.

Dar­an, dass popu­lä­re Phi­lo­so­phen wie Richard David Precht und Sven­ja Flaß­pöh­ler auf die­sen Zug auf­sprin­gen, muss ich mich noch gewöhnen.

Mir kommt bei der Replik (»Sie nen­nen es Frei­heit») der FAZ-Autorin Julia Encke über die ver­schie­de­nen Auf­trit­te und das Gespräch der bei­den mit­ein­an­der das mög­li­che Motiv der bei­den zu kurz.

Frei­heit ist nicht Ego­is­mus und auch kein Vehi­kel, um eige­ne Eitel­kei­ten zu befrie­di­gen. Frei­heit wird in unse­ren Tagen zu sehr als uni­ver­sel­ler Frei­brief für Indi­vi­dua­lis­ten miss­ver­stan­den. Dass die Frei­heit des Indi­vi­du­ums per defi­ni­tio­nem die Gesell­schaft als Zen­trum bedingt, schei­nen man­che zu ver­drän­gen. Das heißt, Rück­sicht auf ande­re wird als Ein­schrän­kung der indi­vi­du­el­len Frei­heit emp­fun­den. Wohin das führt, zei­gen auch sol­che Dis­kus­sio­nen, an denen ande­rer­seits auch nie alles falsch ist.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Corona Freiheit

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6 Gedanken zu „Corona-Maßnahmen und der Duft von Freiheit und Abenteuer“

  1. Du weißt wahr­schein­lich, Horst, das auch ich fast alle dei­ne Bei­trä­ge lese. Und die­ser ist nun einer, den ich als Ein­la­dung zu einem unvor­ein­ge­nom­men Gespräch emp­fin­de. In Zei­ten, in denen wir alle Ori­en­tie­rung suchen, weil irgend­wo etwas nicht zu stim­men scheint. Wor­an wir geglaubt haben. Irre ich mich?

    Auch ich habe mein Ver­trau­en den Ver­ant­wort­li­chen „geschenkt“. Das hal­te ich für abso­lut in Ord­nung. Aber nun habe ich das Gefühl, als wür­de mit mei­nem geschenk­ten Ver­trau­en nicht mehr adäquat umge­gan­gen. Es wird nicht mehr ehr­lich und offen kom­mu­ni­ziert. Fehl­ein­schät­zun­gen wer­den mei­ner Ansicht nach kaschiert und auf ande­re Fel­der umge­lenkt. „Del­ta“ ist für mich der sprin­gen­de Punkt dar­in. Und so habe ich mich ent­schlos­sen: Ver­trau­en ist gut. Kon­trol­le ist besser.
    Ich durch­wüh­le also seit Tage Covid-Sta­tis­ti­ken und lese zu Viruslasten.

    Und natür­lich hast du mei­ner Mei­nung auch Recht, dass wir nicht so dumm sind, dass wir die Gefah­ren einer Covid-Erkran­kung nicht erken­nen kön­nen. Dar­in bist du in mei­nen Augen kein Schis­ser, son­dern Rea­list. Na klar kön­nen wir das ein­schät­zen, auch ohne Lau­ter­bach, beson­ders in der Alters­grup­pe, in der wir bei­de uns befin­den. Und dabei kön­nen wir auch wahr­schein­lich erken­nen, dass für die jun­gen Men­schen die Gefahr einer töd­li­chen Covid-Erkran­kung gegen 0 ver­läuft. Das zumin­dest auf den Ver­gan­gen­heits­wer­ten bis heu­te beru­fend. Wie die Ent­wick­lung auf­grund der hohen Inzi­denz in den nächs­ten Tage und Wochen sein wird,- alles Spekulation.

    Was hät­te ich gemacht, wäre jetzt mei­ne „Sturm- und Drang Zeit“? Ich weiß es nicht. Aber ich ver­mu­te ich hät­te gesagt, „hey, das ist jetzt mein Leben und mei­ne Zeit, die ist ein­ma­lig und die lebe ich jetzt. Und wenn die Ü‑60 ein Pro­blem haben, dann sol­len die schau­en, wie sie damit parat kom­men. Es gibt genü­gend Vor­schlä­ge und Mög­lich­kei­ten dazu.“
    Ich schät­ze mein soli­da­ri­sches Gemüt aber auch so ein, dass, wenn man mich von einer Maß­nah­me über­zeugt hät­te, ich mich hät­te auch imp­fen las­sen. Über­zeu­gung hät­te es aber schon sein müs­sen. Einem, der ledig­lich von der „Tyran­nei der Unge­impf­ten“ fabu­liert hät­te, dem hät­te ich den Stin­ke­fin­ger gezeigt. F*ck yu!

    Auch ich nei­ge dazu, der­zeit schnell emo­tio­nal zu reagie­ren und dabei lei­der auch hin und wie­der ver­let­zend wer­de. Aber, wenn es um Gleich­heit, Frei­heit und Gerech­tig­keit geht, – dann darf es auch schon mal hoch hergehen.

  2. Dan­ke für dei­ne aus­führ­li­che Ant­wort, Horst, bei dem ich in kaum einem Satz ande­rer Mei­nung bin wie du. Und dort, wo kein Blatt Papier zwi­schen uns passt liegt es wohl eher dar­an, dass wir uns in dem gro­ßen Raum der Wer­te­be­grif­fe nur auf ver­schie­de­nen Positionen/​Stand­punk­ten befin­den. Es ist ja der­zeit auch alles in Bewe­gung. Und auch mit zuneh­men­den Alter ver­än­dern sich die Schwer­punk­te. Aber, ich glau­be schon, dass wir uns im glei­chen Raum bewegen.

    Der „gesell­schaft­li­che Bruch“ macht mir auch gro­ße Sor­ge. Wobei,- die­ser eigent­lich nur zu Tage för­dert, was ich hoff­te, nie sehen zu müs­sen. Das aktu­el­le Gesche­hen des­il­lu­sio­niert. Die Gesell­schaft. Den Mensch.

    Heu­te woll­te ich mir einen 3. Pieks holen. Der Arzt hat­te sich ver­rech­net und nicht genü­gend aus den Ampul­len zie­hen kön­nen. Den letz­ten Pieks hat der Pati­ent vor mir bekom­men. Alles jun­ge Men­schen, die vor mir dran waren. Ich habe nun einen neu­en Ter­min. In 6 Wochen. Mit­te Januar. 

    Da fra­ge ich mich schon, hey, was geht hier ab? In 6 Wochen? Eigent­lich gehö­re ich mit fast 70 Jah­ren doch zu der zu schüt­zen­den Grup­pe, um die sich alles dreht. Ande­rer­seits ist jetzt aber auch so, dass nicht mehr Geimpf­te extre­me Schwie­rig­kei­ten haben, arbei­ten zu kön­nen. Das eine zieht das ande­re hin­ter sich her. Das ver­ste­he ich. Und so den­ke ich, müs­sen wir auf ein­an­der zu gehen, die Jun­gen und die Alten, die Geimpf­ten und Unge­impf­ten,- alle, egal – indem wir die Sor­gen, Ängs­te und Nöte bes­ser ein­an­der aus­tau­schen und dann evtl. verstehen.

    Wir haben wirk­lich groß­ar­ti­ge Mög­lich­kei­ten, uns im Netz zu infor­mie­ren. Auch wenn ich zuge­ben muss, dass das nicht jeder­manns Sache ist und auch gar nicht so ein­fach ist, wie es immer wie­der ger­ne behaup­tet wird. Das soll­ten wir tun, wenn es unse­re Situa­ti­on und unse­re Zeit erlaubt und das erwar­te ich auch von allen, die intel­lek­tu­ell dazu in der Lage sind. Dabei akzep­tie­re und respek­tie­re ich auch jeden Stand­punkt, der sich dabei her­aus­bil­det. Aber ein spä­te­res: „Davon haben wir nichts gewusst“ wird mir wahr­schein­lich sehr schwer fal­len anzu­neh­men, falls es irgend­wann als Ent­schul­di­gung die­nen muss. 

    Ich schlie­ße mich dei­ner Hoff­nung an, dass wir den Zenit erreicht haben und auch den Gene­sungs­wün­schen aller, die jetzt um ihr Leben kämp­fen müssen.

  3. Gerhard 246 1. Dezember 2021 um 21:33

    Flas­spöh­ler nischen-phi­lo­so­phiert. So wird man gehört.. und zwar anstän­dig viel gehört.

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