Wenn der Sachse Claus Weselsky sich nicht über Jahre hinweg als unmöglicher Unsympath präsentiert hätte, könnte ich ihn dann mögen? Die Frage ist so irrelevant wie nur irgendwas! Beliebtheitspreise werden in solchen Jobs nicht vergeben. Hier geht’s ausschließlich um das Ergebnis. Und bisher ist Weselsky mit seinem Kurs, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, erfolgreich gewesen.
Also sollten wir einen Blick auf die Gewerkschaft und ihre Mitglieder lenken, die uns diese Ungeheuerlichkeit von Serienstreiks zumuten.
Das deutsche Streikrecht schützt diese verhätschelte Klientel, sodass es niemanden wundern wird, dass gewerkschaftskritische Teile dieser Gesellschaft spätestens jetzt nach einem Stoppzeichen aus der Politik rufen. Ein Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht wird gefordert. Komisch, dass es das nicht längst gibt. Die FDP war doch x-mal an der Regierung beteiligt.
Daran, dass Weselsky den Bahnvorstand und seine „Kollegen“ der Wettbewerbsgewerkschaft (EVG) in unerhörter Weise beschimpft, nimmt in dieser verrohten Gesellschaft kaum jemand wahr. Außerdem gilt ja der Satz: Wie der Herr so’s Gescherr.
Bei uns wurde immer vergleichsweise wenig gestreikt, und zwar angeblich deshalb, weil dem Streikpersonal (den abhängig Beschäftigten) die Einsicht eingebrannt wurde, wie volkswirtschaftlich schädlich, Streiks wären. Die Zeiten sind (Gott sei Dank?) vorbei.
Wenigstens auf diesem Gebiet hat sich Deutschland ganz vorbildlich entwickelt. Die Zahl der Streiktage in Deutschland ist zwanzigmal höher als in Österreich oder der Schweiz. Ganz schön schlapp, liebe Nachbarn.
Angeblich ist die Entwicklung damit zu begründen, dass die Richter aufgrund fehlender gesetzlicher Regelungen gewerkschaftsfreundlich entscheiden. Ja, richterliche Entscheidungen sind in Deutschland auch gesellschaftlich nicht mehr immer so tragfähig wie früher ™.
Nach eigenen Angaben hat die GDL 40.000 Mitglieder. Diese verhältnismäßig kleine Gruppe von Auserwählten setzt dieses Land ähnlich krass unter Druck wie die zum Teil von Rechtextremen unterwanderten Bauern. Und wie nehmen die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands dies wahr? Sie schweigen und geben diesen Leuten zum Teil sogar recht.
Der GDL geht es im Kern nicht um das Einkommen ihrer Leute, sondern um die Arbeitsbedingungen. Soll heißen: Man will weniger arbeiten. Die Arbeitszeitreduktion von 38 auf 35 Stunden ist das Ziel. Es ist und bleibt für mich eines, das angesichts des Arbeitskräftemangels absurd ist.
Richter entscheiden nicht darüber, ob ein Streik verhältnismässig, also als angemessen, geeignet und erforderlich ist, sie überlassen das den Gewerkschaften. Jeder Streiktag kostet die DB 100 Mio. EUR. Vielleicht brauchen wir bald ein Gesetz. Aber dazu wird die Politik nicht die Kraft finden (Opposition zieht schon aus Prinzip nicht am gleichen Strang). So sind wir auf richterliche Einsichten angewiesen. Doch wie heißt es so schön: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.
Für mich ist Weselsky ein Extremist. Er sollte mit Abzügen in Rente gehen.
Hab grade mal allerlei Rechner bemüht: 2013 bis inkl. 2023 betrug die Preissteigerung (Kaufkraftverlust) 20,16 %. Die Gehälter haben das also nur ausgeglichen.
Weselsky kann im übrigen nicht zurück, denn die GDL hat bereits 28 Tarifverträge mit schrittweisem Übergang zur 35 Stunden abgeschlossen, siehe Tagesspiegel:
„Zumeist wird die Arbeitszeit bis 2028 oder spätestens 2029 in mehreren Schritten und bei vollem Lohnausgleich um drei auf 35 Stunden verkürzt. Jedoch werden die Arbeitszeitverkürzungen nur dann umgesetzt, wenn auch bei der Bahn eine identische Regelung vereinbart wird. “
Klappt es also nicht mit der Bahn, wäre das für die GDL ein Mega-Desaster! DB sagt, sie müsste 10.000 neue Mitarbeiter einstellen, um den Forderungen zu entsprechen. Da der Prozess einige Jahre dauern darf, sollte das nicht unmöglich sein – insbesondere, wenn man dabei einberechnet, dass es derzeit nur insgesamt 19.400 Lokführer bei der DB gibt (=DB-Angabe) und vor diesem Hintergrund die 10.000 durchaus übertrieben wirken!
Zudem verweigert die DB die Einrichtung einer echten 5-Tage-Woche mit mindestens 48 Stunden zwischen den Schichten – für mich ein wichtiger Punkt, denn wer sowieso schon Jahr um Jahr Schicht arbeitet, sollte doch wenigstens verlässliche 2 Tage Pause haben dürfen.
Selbst wenn dann in der Übergangszeit weniger Züge fahren könnten: Ist es denn vertretbar, unseren Komfort auf dem Rücken unzumutbarer Arbeitsbedingungen der „Systemrelevanten“ einzufordern – auf Dauer? Ich wette, die Mehrheit, die sich jetzt furchtbar aufregt, ist von solchen Arbeitsbedingungen meilenweit entfernt.
Für mich sind die Forderungen nicht mehr vertretbar.
Wenn es einen Ausgleich der Inflation gegeben hat, sollen die froh sein. Viele haben nicht einmal das. Aber das Jammern hört ja nie auf.
Ich halte die Einkommen der Zugführer für ok. Alle klagen, so laut sie können. Das ist ein Gleichklang, den ich mir nur mit dem Egoismus dieser Zeit erklären kann. Individualität hat auch einen Preis.
Sind solche Forderungen zielführend?
Welche Konsequenzen das ganze Gequengel (laufende Arbeitskämpfe) auf die Inflation haben könnte, übersehen viele. Hauptsache, die eigenen Interessen werden durchgesetzt. Ich beklage mich nicht über meine persönliche Lage, obwohl ich das auch tun könnte. Mir geht das alles auf den Geist und irgendwann muss es mit dem Gejammer auch mal gut sein.
Unseren Komfort? Bei dieser Art von Arbeitskämpfen gibt es zumindest während der Streikzeiten noch viel weniger Komfort, als sonst. Nicht einmal mehr planbar sind die Streiks. Weselsky macht, was er will. Und zwar nicht nur auf dem Rücken der Interessen der DB als Unternehmen. Offenbar hast du Verständnis für den Mann, der noch schlimmer ist als sein Vorgänger, der -glaube ich- auch Sachse war. Die Renitenz liegt diesen Landsleuten ja im Blut, wie wir auch in einem größeren Kontext lernen müssen.
Dass heute jeder nur noch darüber klagt, wie schrecklich überlastet er im Job ist und das Arbeit krank macht, führt direkt in den Abgrund.
Ich habe die Löhne nicht kritisiert, wollte nur mal schauen, wie die auf den ersten Blick hohen 21% vor dem Hintergrund der Inflation so aussehen – war selbst erstaunt, dass dabei „nur“ ein Ausgleich rauskommt. Und ja, andere haben das nicht!
Persönlich finde ich den Weselsky sehr unangenehm! So ein richtiger Ost-Apparatschik! Aber egal wie unsympathisch mir einer ist, versuche ich doch immer, seinen Blickwinkel, seine Rahmenbedingungen und Zwänge zu verstehen! Es ist auch übrigens sein letzter Arbeitskampf, kein Wunder also….
Also Schichtarbeit halte ich für die härteste Arbeit, darüber gibts auch wissenschaftliche Studien, dass das auf Dauer krank macht. Ich wunder mich sogar, dass das noch so viele machen!
Vielleicht stehen wir ja inmitten einer Zeitenwende, was die Erwerbsarbeit angeht. Es wird viel mehr Wert als früher darauf gelegt, dass die Arbeit erfüllend und mit Familie u.a. Lebensinhalten vereinbar ist. Unsere Rettung sind – wenn überhaupt – die Immigranten: vielfach ehrgeizig, arbeitswillig und oft ohne Familie gekommen.
@ClaudiaBerlin: Ich kenne welche, die im Schichtdienst gearbeitet und die damit ihre Gesundheit ruiniert haben. Meine Schwester (Krankenschwester) zählt dazu. Das ist alles unbenommen und dass für Leute, insbesondere im Schichtdienst, was getan werden soll damit auch. Nein es geht insgesamt um das Anspruchsdenken, das auch durch die Art der Arbeitskämpfe und der Äußerungen einzelner Gewerkschafter offenbart wird. Übertriebene Lohnforderungen und die an den Tag gelegte Radikalität passt ins Bild unserer Zeit. Das muss einen doch besorgt machen.
Übrigens gibt es eine Vielzahl von Menschen, die nicht von Gewerkschaften vertreten werden. Was ist überhaupt mit denen? Die haben keine Lobby, die Amok läuft.
@Horst Schulte: Hier nochmal eine Meinung zum Thema, die auch die extreme Herunterwirtschaftung der DB thematisiert („Saftladen“) und die Verantwortlichen benennt.