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Zukunftssorgen: Ist die Arbeitsmoral in Deutschland schlechter als anderswo?

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Wenn das haus­in­ter­ne Potenzial an Gehässigkeiten der in Diensten des „Focus” ste­hen­den Journalisten und Freelancern erlahmt, greift die Chefredaktion ver­mut­lich auf die zahl­rei­chen „Experten” im Land zurück, vor­nehm­lich auf die­je­ni­gen, die eine beson­ders kri­ti­sche Sicht auf unser Land haben. So kommt es mir oft vor.

Heute heißt es: „Unternehmensberaterin klagt an” und «Firmen flüch­ten nach Polen: Deutsche Arbeitsmoral ist Anforderungen nicht gewach­sen». Dicker kann man nicht auf­tra­gen. Nur, das ist auch wahr, für sol­che Fake News gibt es Abnehmer, und zwar nicht nur in der Leserschaft des Focus. Schließlich arbei­tet die Redaktion auch für die aso­zia­len Medien. Dort kann die Ansprache nie radi­kal genug sein.

pikaso composition
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Der Artikel beginnt mit der Aussage, dass es neben „Miele” immer mehr deut­sche Unternehmen nach Polen zie­hen wür­de. Das Management des Haushaltsgeräteherstellers nann­te deut­lich nied­ri­ge­re Energiekosten und weni­ger büro­kra­ti­sche Hürden als Gründe. Man müs­se bei sin­ken­der Nachfrage Kosten spa­ren. Das ist ein längst ein­ge­üb­ter und bewähr­ter Plot, den vie­le Manager auf der Welt abspu­len, übri­gens auch dann, wenn sie selbst den einen oder ande­ren klas­si­schen hand­werk­li­chen Fehler gemacht haben. Davon nimmt gewöhn­lich nur die Öffentlichkeit kaum Kenntnis. Man könn­te auch sagen: Darüber wird nicht geredet!

Und da kom­men dann die Unternehmensberater ins Spiel. Besser gesagt, die sind es meis­tens, die von Unternehmen einer gewis­sen Größenordnung für sehr viel Geld den Auftrag bekom­men, die Lösungsansätze vor­zu­schla­gen, die zuvor in den ver­trau­li­chen Gesprächen mit dem Management und Führungskräften der unte­ren Ränge des Unternehmens „erar­bei­tet” wur­den. Ob die Person, von der Focus sol­che mar­kan­ten Aussagen erhal­ten hat, zu die­ser Kategorie zählt, ver­mag ich nicht zu beur­tei­len. Allerdings habe ich in mei­ner lan­gen Berufszeit mit sol­chen Menschen oft genug zu tun gehabt, um mir ein Bild machen zu können. 

Im Artikel heißt es, dass im letz­ten Jahr 16 % der Unternehmen des indus­tri­el­len Mittelstandes Arbeitsplätze und Produktionen ins Ausland ver­la­gert hät­ten. Von wei­te­ren 30 % wis­se man, dass die Absicht zur Abwanderung bestehe. In Polen sei­en 9.500 Unternehmen mit deut­schen Inhabern ansässig. 

Auch Mercedes ver­leg­te die E‑Sprinter-​Fertigung nach Niederschlesien in Polen. Diese deut­schen Unternehmen sind unter ande­rem in Polen ver­tre­ten und beschäf­ti­gen dort ins­ge­samt 450.000 Menschen: Volkswagen, Bosch, Siemens, Lidl und Rossmann. Das Investitionsvolumen deut­scher Unternehmen in Polen beträgt 36 Mrd. EUR.

Die Unternehmensberaterin, die Focus das Deutschland-​Bashing lie­fert, heißt Ella Grünefeld. Sie ist gebür­ti­ge Polin, wohnt aber in Deutschland. Sie beglei­tet Unternehmen mit der Absicht, sich in Polen zu enga­gie­ren, als Interimsmanagerin. Sie führt die ganz gro­ße Klinge und führt aus, dass nahe­zu alles für die Unternehmen ein­fa­cher sei als in Deutschland. Die Rede ist natür­lich auch in die­sem Fall von den deut­schen Bürokratiehürden, aber auch von gut aus­ge­bil­de­ten Fachkräften vor Ort in Polen. 

Frau Grünefeld spricht nicht aus­drück­lich von den Versäumnissen der Ampel-​Regierung, son­dern führt die Situation auf die Entwicklung der letz­ten Jahrzehnte zurück. Dazu zählt sie die Energiewende, die Digitalisierung, aber auch die feh­len­de Infrastruktur (Glasfasernetze und Straßenbau). Sie spricht von einer „tech­no­lo­gie­feind­li­chen Wirtschaft” in Deutschland und man­geln­dem Veränderungswillen. Sogleich folgt der Vorwurf, die deut­sche Arbeitsmoral sei den moder­nen Anforderungen nicht gewach­sen (Frau Stolla! Haben Sie gehört?). 

Weiter führt sie aus, wie ver­hee­rend die Zusammenarbeit der Unternehmen und Behörden in Deutschland ist. Sogar die Bereitschaft zur Weiterentwicklung sei in Polen grö­ßer als in Deutschland, wie über­haupt die Arbeitsmoral sich in den Zahlen widerspiegle. 

Schonungsloser kann man die Misere unse­res Landes kaum beschrei­ben und sie wird sogar per­sön­lich. Frau Grünefeld lebt, wie zuvor bespro­chen, aller­dings in Deutschland. Das passt aus mei­ner Sicht nicht so ganz zusam­men. All die­se Vorbehalte müss­ten ja dazu füh­ren, dass sie lie­ber in Polen leben wür­de. Allerdings wird sie für ihre Arbeit und ihre pro­fun­de Expertise natür­lich ein geeig­ne­tes Revier gebrauchen.

Es war in mei­nen Augen immer abseh­bar, dass die Länder Ost-​Europas in unter­schied­li­chen Geschwindigkeiten an die Lebensverhältnisse in West-​Europa anknüp­fen wer­den, zumal das Versprechen des Kapitalismus, wenn man eine Aufholjagd zu bes­se­ren Lebensbedingungen so bezeich­nen darf, auf allen Feldern ihre Wirkung ent­fal­tet. Dazu zählt, dass die Menschen in Polen und in ande­ren ost-​europäischen Ländern mit einer ande­ren Einstellung ihren Weg gehen. Dass in unse­rem Land man­che vor­ge­ben, als ob die­se Angleichung der Lebensverhältnisse ohne Reibungsverluste ablau­fen könn­ten, ist lächerlich. 

Wollen wir noch ein paar Zahlen zum Thema gemein­sam betrach­ten und unse­re Schlüsse mit denen abglei­chen, die Frau Grünefeld über unser Land zur Kenntnis brachte: 

Wirtschaftlicher Vergleich Deutschland vs. Polen (Stand: 2024)

Bruttoinlandsprodukt (BIP)

  • Deutschland: 3.842 Milliarden Euro (2023)
  • Polen: 673 Milliarden Euro (2023)

BIP pro Kopf

  • Deutschland: 46.344 Euro (2023)
  • Polen: 17.642 Euro (2023)

Wirtschaftswachstum

  • Deutschland: +1,9% (2023)
  • Polen: +4,6% (2023)

Arbeitslosenquote

  • Deutschland: 2,5% (2023)
  • Polen: 5,6% (2023)

Inflation

  • Deutschland: 7,9% (2023)
  • Polen: 14,4% (2023)

Handelsbilanz

  • Deutschland: +254 Milliarden Euro (2022)
  • Polen: +11 Milliarden Euro (2022)

Wichtigste Exportgüter

  • Deutschland: Kraftfahrzeuge, Maschinen, che­mi­sche Erzeugnisse
  • Polen: Maschinen, Elektronik, Möbel

Wichtigste Importgüter

  • Deutschland: Maschinen, Kraftfahrzeuge, che­mi­sche Erzeugnisse
  • Polen: Maschinen, Kraftfahrzeuge, Elektronik

Staatsverschuldung

  • Deutschland: 69,7% des BIP (2023)
  • Polen: 53,4% des BIP (2023)

Währung

  • Deutschland: Euro
  • Polen: Polnischer Złoty (PLN)


Zusammenfassend:

  • Deutschland hat eine deut­lich grö­ße­re Volkswirtschaft als Polen.
  • Das Wirtschaftswachstum in Polen ist jedoch deut­lich höher als in Deutschland.
  • Die Arbeitslosenquote in Deutschland ist nied­ri­ger als in Polen.
  • Die Inflation in Polen ist deut­lich höher als in Deutschland.
  • Deutschland hat eine deut­lich posi­ti­ve Handelsbilanz, Polen hin­ge­gen eine leicht positive.
  • Beide Länder sind wich­ti­ge Handelspartner füreinander.
  • Die Staatsverschuldung Deutschlands ist deut­lich höher als die Polens.
  • Deutschland hat den Euro als Währung, Polen den Polnischen Złoty.


Weitere Unterschiede:

  • Infrastruktur: Die Infrastruktur in Deutschland ist bes­ser aus­ge­baut als in Polen.
  • Arbeitskosten: Die Arbeitskosten in Polen sind deut­lich nied­ri­ger als in Deutschland.
  • Steuern: Die Steuersätze in Polen sind nied­ri­ger als in Deutschland.
  • Lebenshaltungskosten: Die Lebenshaltungskosten in Polen sind deut­lich nied­ri­ger als in Deutschland.


    Quelle: Gemini, Google

Langfristige Investitionsentscheidungen: Deutschland vs. Polen

Die Entscheidung, ob in Deutschland oder Polen inves­tiert wer­den soll, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die sowohl für das eine als auch für das ande­re Land spre­chen können.

Faktoren, die für Deutschland sprechen:

  • Stabilität: Deutschland ist eine sta­bi­le Demokratie (sic?) mit einer star­ken Wirtschaft und einem hohen Lebensstandard.
  • Qualifizierte Arbeitskräfte: Deutschland ver­fügt über ein gut aus­ge­bil­de­tes und qua­li­fi­zier­tes Arbeitskräftepotenzial.
  • Infrastruktur: Die Infrastruktur in Deutschland ist gut aus­ge­baut und modern.
  • Innovation: Deutschland ist ein füh­ren­des Land in Forschung und Entwicklung.
  • Grobmarkt: Durch die Größe des Landes und die Kaufkraft der Bevölkerung bie­tet Deutschland einen gro­ßen Absatzmarkt.

Faktoren, die für Polen sprechen:

  • Wachstumsdynamik: Polen hat eine deut­lich höhe­re Wachstumsdynamik als Deutschland.
  • Niedrigere Kosten: Die Arbeitskosten und die Lebenshaltungskosten in Polen sind deut­lich nied­ri­ger als in Deutschland.
  • Steuerbegünstigungen: Polen bie­tet ver­schie­de­ne Steuerbegünstigungen für aus­län­di­sche Investoren.
  • Zugang zum ost­eu­ro­päi­schen Markt: Polen liegt im Zentrum Osteuropas und bie­tet somit Zugang zu einem gro­ßen Markt mit einem hohen Wachstumspotenzial.

Weitere zu beach­ten­de Faktoren:

  • Branche: Die Investitionsentscheidung soll­te auch von der Branche abhän­gen, in die inves­tiert wer­den soll.
  • Risikobereitschaft: Die Investition in Polen ist mit einem gewis­sen Risiko ver­bun­den, da die Wirtschaft noch nicht so sta­bil ist wie die deut­sche Wirtschaft.
  • Persönliche Präferenzen: Auch die per­sön­li­chen Präferenzen des Investors spie­len eine Rolle, z. B. die Sprache, die Kultur und das Lebensumfeld.

    Quelle: Gemini, Google


Ich will ein­mal ganz lax ein bekann­tes Sprichwort an die­sen Text anpas­sen und sagen: Noch ist Deutschland nicht ver­lo­ren. Lassen wir uns bit­te nicht ein­re­den, als sei­en alle nur erdenk­li­chen Anpassungsprozesse der letz­ten Jahre nur im Ausland abge­lau­fen. Wir ste­cken mit­ten­drin in einem gewal­ti­gen Transformationsprozess. Der kos­tet Geld und sehr viel Kraft. Wenn wir uns von Medien wie dem Focus in die­ser Art und Weise her­un­ter­zie­hen las­sen, ist unse­rem Land und den Menschen nicht gedient. Es braucht nur lei­der einen län­ge­ren Atem und vor allem ein Mindestmaß an Selbstvertrauen. Haben wir das ver­lo­ren oder war­um klin­ken sich so vie­le in die­se nega­ti­ven Beschreibungen unse­res Landes ein?


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2 Gedanken zu „Zukunftssorgen: Ist die Arbeitsmoral in Deutschland schlechter als anderswo?“

  1. Weil es Aufmerksamkeit und damit wil­li­ge Leser bringt. Leser der Elaborate einer Medienmasche, die in nega­ti­ven Schlammschlachten, im Anprangern und Nörgeln das bes­te Spielfeld gefun­den hat, Auflage bzw. Klickzahlen zu generieren.

    Das ist wirk­lich alles, um das es Focus und ande­ren Plärrer-​Organen geht. Es geht wirk­lich um nichts ande­res. Nicht um Deutschland (außer, es schlecht­zu­re­den), schon gar nicht um eine Bewältigung der Probleme, vor denen wir ste­hen. Im Gegenteil, das könn­te „Quote” bzw. Leser und die Werbezielgruppen kosten.

    Das alles funk­tio­niert, weil es uns vie­le Jahre lang rich­tig gut gegan­gen ist. Ok, nicht den Ärmsten, für die sich die rech­te Krakeelpresse aber frü­her auch schon nie inter­es­siert hat, genau­so wenig wie heute.

    Uns ging/​geht es so gut, das wir fast weg­ge­nickt sind in einen woh­li­gen Dauerschlaf des wirt­schaft­li­chen Erfolgs, und das ist abso­lut der Tod gera­de der rech­ten Hetzmedien-​Landschaft. Nichts bringt die schnel­ler um Geld und Aufmerksamkeit und damit Wirkung als eine sehr gro­ße Schar zufrie­de­ner Menschen.

    Prosperierende Gesellschaften mit zufrie­de­nen, erfolg­rei­chen Bürgern nei­gen sich nie nen­nens­wert nach rechts, schon gar nicht nach rechtsaußen.

    Deswegen nutzt der rech­te Krawall von Focus über NZZ, Springerpresse, Tichy, Broder, und wie sie alle hei­ßen, jede Gelegenheit, alles kaputt­zu­schrei­ben. Die kön­nen gar nicht anders, weil eine intak­te, pro­spe­rie­ren­de Gesellschaft (und Wirtschaft) ihnen die wirt­schaft­li­che Existenz unter den Füßen weg­zie­hen würde.
    Genau wie übri­gens auch Töpfeklopfern wie dem aller­schnells­ten Fähnchen im Wind, Söder und dem Mann von Vorgestern, Merz.
    Von der neu­en Nazipartei ganz zu schweigen…

🤝 Miteinander statt gegeneinander.

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