Ideologische Reflexe: Die CDU und die ewige Angst vor dem politischen Neuen

Die CDU soll­te end­lich ihre dog­ma­ti­sche Ableh­nung gegen­über der Lin­ken über­den­ken, da dies ange­sichts der heu­ti­gen poli­ti­schen Rea­li­tät und Bio­lo­gie nicht mehr halt­bar ist.

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Das jäm­mer­lich, dum­me Gere­de der CDU-Gran­den über die Lin­ke als Nach­fol­ge­rin der SED soll­ten die Kon­ser­va­ti­ven (so auch Robin Alex­an­der, der dies ges­tern erst wie­der bei „Mios­ga“ getan hat) über­den­ken. Schon aus bio­lo­gi­schen Gründen.

Von den dama­li­gen SED-Poli­ti­kern, die nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung noch eine Wei­le auf die PDS/​Linkspartei Ein­fluss genom­men haben wer­den, wer­den heu­te wohl noch die wenigs­ten aktiv sein oder auf die Poli­tik der Links­par­tei Ein­fluss neh­men. Allein die­ser Gedan­ken (so er denn logisch zutrifft) wür­de die Beschluss­la­ge der Uni­on, jede Zusam­men­ar­beit mit der Lin­ken zu ver­mei­den, ad absur­dum führen. 

Die Uni­on arbei­tet mas­siv gegen die „Grü­nen“ sehr ger­ne mit dem Vor­wurf, zu stark ideo­lo­gisch gepräg­te Poli­tik zu machen. Dass man im Sin­ne der Grü­nen deren Poli­tik genau als das Ergeb­nis in sich kon­sis­ten­ter Über­zeu­gun­gen wer­ten kann, spielt in der öffent­li­chen Refle­xi­on, die von Kon­ser­va­ti­ven und Faschis­ten sehr ver­stärkt wur­de, über­haupt kei­ne Rolle. 

Übri­gens – wie soll man die Beschlüs­se der Uni­on eigent­lich nen­nen? Wenn die­se nicht ideo­lo­gisch moti­viert sind, weiß ich auch nicht mehr. 

Eine aus der Zeit gefal­le­ne Huf­ei­sen­theo­rie, an der sich die Uni­on immer noch ori­en­tiert, scheint mir per­sön­lich ein viel kla­re­rer Nach­weis von Ideo­lo­gie zu sein, als so man­ches, was wir in den letz­ten Jah­ren von den Grü­nen gehört und gese­hen haben. 

Par­tei­en, die demo­kra­tisch gewählt sind, soll­ten unter­ein­an­der koali­ti­ons­fä­hig sein oder offen für eine Zusam­men­ar­beit zum Woh­le des Lan­des. Lei­der hat sich das inner­halb Deutsch­lands anders ent­wi­ckelt. Dafür ist die Uni­on in ers­ter Linie verantwortlich. 

In vie­len ande­ren Län­dern haben Extre­mis­ten ihren Weg in die Par­la­men­te gefun­den. Mei­ne Infor­ma­tio­nen dar­über mögen nur gering sein. Ich habe aller­dings den Ein­druck, dass der Zir­kus, den wir in Deutsch­land beim Erschei­nen neu­er Par­tei­en ver­an­stal­ten (ich den­ke an 1980 und die Reak­tio­nen eines F.J. Strauß und ande­rer Uni­ons-Grö­ßen auf die „Grü­nen“) schon extrem waren. 

Die SVP (Schweiz), die FPÖ (Öster­reich), um nur die Par­tei­en im deut­schen Sprach­raum anzu­spre­chen, sind eta­bliert. Die SVP ist als stärks­te poli­ti­sche Kraft längst in der Regie­rung prä­sent und nimmt ent­spre­chend Ein­fluss (zu mei­nem Leid­we­sen). Die FPÖ ist in Öster­reich aktu­ell stärks­te poli­ti­sche Kraft. Ich hof­fe, dass es etwas nüt­zen wird, wenn der grü­ne öster­rei­chi­sche Bun­des­prä­si­dent, von der Bel­len, den Chef der FPÖ, Her­bert Kickl, nicht mit der Regie­rungs­bil­dung beauftragt. 

Dass die Bri­ten von rech­ten Kräf­ten mit Lügen und fal­schen Ver­spre­chun­gen zum Brexit ver­führt wur­den, gehört auch zur Wahr­heit dazu. Aber so läuft es in Demo­kra­tien und eigent­lich ent­spricht das der Logik jedes Demo­kra­tie­ver­ständ­nis­ses. In Deutsch­land lief das bis­her anders. Die eta­blier­ten Par­tei­en wehr­ten sich in unter­schied­li­cher Inten­si­tät gegen neue poli­ti­sche Wett­be­wer­ber. Im Fall der AfD tat man das von Beginn an. Auch als sie noch nicht für völ­ki­sche-natio­nal­kon­ser­va­ti­ve Poli­tik stand. 

Dass sich das Abwehr­ver­hal­ten wie­der­holt hat, als die Pira­ten kurz als poli­ti­sche Kraft auf­flamm­ten und bei der AfD, war also nicht über­ra­schend. Neue Wett­be­wer­ber waren den Volks­par­tei­en (vor allem der Uni­on) stets ein Dorn im Auge. Sie wur­den mas­siv und mit pro­pa­gan­dis­ti­schen Mit­teln und übler Nach­re­de verunglimpft. 

Vie­le Deut­sche haben das Gefühl, sie leb­ten in einem wirt­schaft­lich und gesell­schafts­po­li­tisch unter­ge­hen­den Land. Angst ist nicht nur ein Begriff, den man heu­te auch in eng­li­schen Wör­ter­bü­chern fin­det. Ob das Bon­mot: Wer viel hat, hat viel Angst, einen Teil der Erklä­rung lie­fert? Angeb­lich geht es vie­len in Deutsch­land ja so gut nicht. Davon lesen wir stän­dig in der Pres­se. Und dazu gibts die Nen­nung von Län­dern, in denen alles so präch­tig funk­tio­niert und so weiter. 

Es gibt ja zudem noch unse­re unheil­vol­le Geschich­te, die Gau­land (AfD) einst als Flie­gen­schiss her­un­ter­zu­spie­len such­te. Aber die­se Geschich­te sitzt uns (zum Glück will ich hin­zu­fü­gen) noch in den Kno­chen. Zumin­dest behaup­te ich das für mei­ne Gene­ra­ti­on (*1953). Dass in der Alters­grup­pe der 18- bis 24-jäh­ri­gen die AfD auf 37 % kommt, heißt nicht, dass die Alten es lie­ber anders gehabt hät­ten. Auch so in Wider­spruch, der ger­ne mit den Unter­schie­den von Ost und West rela­ti­viert wird. Schaf­fen die Ampel und ihre Nach­fol­ger kei­ne nach­hal­ti­gen Ver­bes­se­run­gen in der Migra­ti­ons­fra­ge, wer­den die AfD-Zustim­mungs­ra­ten auch im Wes­ten wei­ter anstei­gen. Wobei die Ver­bes­se­run­gen in die­sem Sin­ne natür­lich für die Men­schen, die hier Schutz suchen, das bru­ta­le und exak­te Gegen­teil bedeu­ten. Wir ver­än­dern unse­re Hal­tung zuun­guns­ten von Men­schen, die nicht aus Jux und Tol­le­rei hier­her­kom­men, son­dern aus exis­ten­zi­el­len Gründen. 

Dass wach­sen­de Tei­le der Bevöl­ke­rung die Unfä­hig­keit unse­res Staa­tes im Hin­blick auf die Unter­stüt­zung der AfD mit einer schmerz­haf­ten Kon­tra­po­si­ti­on quit­tiert, war für nie­man­den mehr eine Über­ra­schung. Die­se „Ein“-Sicht hin­dert mich aller­dings nicht dar­an, die Ergeb­nis­se der Faschis­ten im Osten beängs­ti­gend zu finden. 

Viel­leicht ist die Ent­wick­lung tat­säch­lich dar­auf zurück­zu­füh­ren, dass die eta­blier­ten Par­tei­en jede Zusam­men­ar­beit mit der AfD aus­ge­schlos­sen haben. Als das BSW als neue poli­ti­sche Kraft in Erschei­nung trat, kamen ähn­li­che Ten­den­zen zum Vor­schein. Jetzt, ange­sichts der Rea­li­tät, zieht man in Betracht, sich mit einer Kader­par­tei ins Bett zu legen, die mit frag­wür­di­gen, popu­lis­ti­schen Ver­spre­chun­gen auf­tritt. Wagen­knecht wird nach­ge­sagt, mit ihren Akti­vi­tä­ten ihr Ego zu füt­tern. Sie sei nicht zur Team- und Zusam­men­ar­beit fähig, wie sie bewie­sen habe (de Mai­ziè­re ges­tern bei „Mios­ga“). Noch ges­tern mach­te Wagen­knecht kon­kre­te Vor­ga­ben für mög­li­che Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen. Wenn sie das ernst meint, wird es in bei­den Län­dern nicht zu Koali­tio­nen kom­men. Dabei sind die von ihr gesetz­ten Vor­ga­ben The­men, die auf Lan­des­ebe­ne gar nicht ver­han­delt wer­den. Aber die Bür­ger in Ost­deutsch­land wer­den schon wis­sen, wes­halb sie sich so ent­schie­den haben.

Es gibt klu­ge Leu­te, die die Ansicht ver­tre­ten, die Stra­te­gie der Aus­gren­zung der Faschis­ten sei geschei­tert. Des­halb müs­se nun das Gegen­teil statt­fin­den. Eine Zusam­men­ar­beit mit der AfD? Das sol­le sie sozu­sa­gen „ent­zau­bern“. Eine Stra­te­gie, die wohl an den eta­blier­ten Par­tei­en schei­tern wird. Aber nicht nur. Da wer­den vie­le Medi­en­ver­tre­ter und Akti­vis­ten von links-grün ein Wört­chen mit­spre­chen. Inso­fern bleibt Deutsch­land, behaup­te ich mal, im Ver­gleich zu dem, was in euro­päi­schen Län­dern zur Nor­ma­li­tät gewor­den ist, eine Aus­nah­me. Schon bald wird sich zei­gen, ob das durch­zu­hal­ten ist. Es hängt vor allem davon ab, wel­che Ant­wor­ten die Ampel- und ihre Nach­fol­ger fin­den wird, um die drän­gen­den Pro­ble­me end­lich zu lin­dern. Ob die­se zu lösen sind, kann man ange­sichts der geo­po­li­ti­schen Lage unse­rer Zeit ledig­lich hof­fen. Lei­der hat die Ampel aus ihrer immer beton­ten Wer­te­ori­en­tie­rung kaum etwas geschafft, das den Men­schen Zuver­sicht und – ja – auch Hoff­nung gibt. Das klingt etwas pathe­tisch, ist aber so. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: AfD CDU Ideologie Linke

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