Dass man durch eine »Markus Lanz« – Sendung seinen Horizont erweitern könnte, hielt ich für ausgeschlossen. Er hatte letzte Woche vom FAZ-Journalisten Justus Bender erzählt, der im Jahr 2016 (Veröffentlichung: 2017) von einem geradezu prophetischen Buch erzählt, das Bender unter dem Titel: »Was will die AfD« veröffentlicht hatte. Auch im Podcast mit Richard David Precht kam man darauf zu sprechen.
Es war also nur eine Frage der Zeit, bis der Journalist auch leibhaftig bei Markus Lanz auftrat. Gestern war es so weit. Ich fand die Diskussion, bei der die Lage unserer Demokratie trotzdem etwas zu kurz kam, aufschlussreich.
Platon und die Warnung vor dem Zerfall der Demokratie
Mich haben die Aussagen und Rückgriffe auf den griechischen Philosophen Platon (427 v. Chr. bis 347 v. Chr.) gleichwohl getriggert. Deshalb habe ich mal bei meiner KI nachgefragt und nach den speziellen Sichtweisen Platons zu einer Zeit gefragt, die bereits das Ende (die Zerstörung) der athenischen Demokratie andeutete.
Stößt nicht jeder, der über die heutige Zeit nachdenkt, unmittelbar auf Parallelen, die Platon bereits vor so lange Zeit, also vor ca. 2.400 Jahren, in ebenso beeindruckender und gleichzeitig so bedrückender Übereinstimmung mit unserer gesellschaftlichen Realität beschrieben hat?
Haben wir nichts aus der Geschichte gelernt?
Wie wenig haben wir Menschen aus unseren Fehlern gelernt! Warum tappen wir immer wieder in die gleichen Fallen? Die Dankbarkeit der Nachkriegsgeneration dafür, dass die Friedensperiode in Europa für so viele Jahrzehnte angedauert hat, scheint der Resignation darüber zu weichen, dass imperiale Ansprüche wiederauferstanden sind und die Sorge, dass selbstverständliche Versprechen an die Kinder wie: »Euch soll es einmal besser gehen«, nicht mehr einzulösen werden könnten. Deutschland ist eine Schieflage geraten, die auch durch überzogene, moralische Ansprüche mit verursacht wurde, die mit unseren Interessen nie in Einklang gestanden haben. Die einstigen Wettbewerbsvorteile billiger Energie lassen sich, wenn überhaupt, ohne Gesichtsverlust nie wieder herstellen. Darauf basierte jedoch der große Erfolg eines lang anhaltenden wirtschaftlichen Wachstums. Die politisch Verantwortlichen hatten, auch zum Ärger seiner Partner und Nachbarn, nie Zweifel daran gehabt, dass die hohen Handelsbilanzüberschüsse die Interessen anderer Länder vernachlässigt haben. Die Steuereinnahmen sprudelten und stiegen innerhalb von ca. 15 Jahren um über 60 %. Fast EINE Billion EUR betrugen die Steuereinnahmen zuletzt. Es fällt schwer zu verstehen, dass trotz dieser gewaltigen Beträge die real vorhandenen Fehlentwicklungen (Infrastruktur) entstanden sind. Wir haben das Geld mit vollen Händen ausgegeben. Ja, auch die Rente mit 63 oder die Mütterrente spielen eine Rolle. Was uns allerdings dagegen die Migration und die damit nötige Vollversorgung von so vielen Menschen gekostet hat, wird gewöhnlich verschwiegen. Linke und Grüne betonen stattdessen lieber, wie sehr die Migranten zur wirtschaftlichen Prosperität des Landes beitragen. Das ist nicht falsch. Aber die Relationen, den Saldo solcher Rechnungen möchte ich gern einmal ungeschönt sehen.
Die angesprochenen Aggressionen gehen bisher von Staaten aus, die keine Demokratien sind. Ich hoffe also, dass Trumps erratische Politik diesbezüglich keine unrühmliche Rolle spielen wird.
Soziale Medien und die Dynamik der Eskalation
Ich fürchte, dass in diesem Zusammenhang die Wirkung der sozialen Medien – oder des Internets im Allgemeinen – eine große Rolle spielt. Wir reden viel über die Freiheit der Meinungsäußerung und machen uns immer weniger bewusst, dass auch die andere Seite ein Recht auf ihre Meinung hat. Das führt zu unschönen Eskalationen, die das Gegenteil von respektvollem Umgang bis zu Hass und Beleidigungen hervorbringen.
Echokammern und Filterblasen führen dazu, dass Menschen fast ausschließlich Inhalte konsumieren, die ihre eigenen Ansichten bestätigen. Sicher, das ist ein alter Hut. Aber es ist schlicht Fakt, dass Empörung zum wichtigsten Treiber der Aufmerksamkeit geworden ist: Emotionale und extreme Inhalte erzielen in sozialen Netzwerken die größte Reichweite, während differenzierte Debatten im Regelfall untergehen.
Diskreditierung statt Diskussion
Die digitale Diskurskultur ist zunehmend von Diskreditierung statt Diskussion geprägt. Emotionen schlagen Argumente. Politische Gegner werden nicht mehr als legitime Gesprächspartner betrachtet, sondern als Feinde, die es zu besiegen gilt. Die Geschwindigkeit und Reichweite der digitalen Kommunikation verstärken Konflikte und radikalisieren Meinungen, ohne Raum für Kompromisse zu lassen.
Viele Bürger fühlen sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten. Das führt zu einer Ablehnung politischer Eliten. Während Platon die Gefahr durch Demagogen sah, erleben wir heute eine Vertrauenskrise in traditionellen Medien und den Aufstieg alternativer, oft parteiischer Informationsquellen. Die wie Pilze aus dem Boden geschossenen YouTube-Kanäle mit unterirdischen Beiträgen dienen der Verbreitung schlichter, auch lächerlicher bis brutaler Lügen.
Demokratie und Vertrauensverlust
In vielen Demokratien ist die Wahlbeteiligung rückläufig, was darauf hindeutet, dass ein großer Teil der Bevölkerung sich nicht mehr mit dem System identifiziert. Ich bin gespannt, wie hoch die Wahlbeteiligung in 1 1/2 Wochen in Deutschland sein wird. Viele Menschen glauben nicht mehr an diesen Staat. Dass sich viele Wähler nicht entscheiden können, ist ein schlimmes Zeichen sowohl für die politische Landschaft Deutschlands als auch für den Vertrauensverlust in unsere Institutionen.
Die Wahrnehmung des Niedergangs
Viele sind überzeugt, dass es mit Deutschland bergab geht. Linke und Grüne glauben, den Grund für den grassierenden Defätismus gefunden zu haben. Man muss dem linken Gesinnungskabarett (Heute Show, Anstalt) nur kurz Aufmerksamkeit widmen, um zu verstehen, welche Faktoren die Leute aus deren Sicht in die „falsche“ Richtung geführt haben (Migrationspolitik, Klimapolitik). Platt gesagt geht es darum, dass ihre politischen Gegner sich zu sehr von rechten Medien beeinflussen (in die Irre führen) lassen oder halt einfach zu blöd sind, die tatsächlichen Verhältnisse (ihre »Wahrheit«) zu begreifen.
Der Aufstieg autokratischer Staaten
Während die Demokratie mit internen Konflikten kämpft, erstarken autokratische Staaten, die ihre Macht durch militärische oder wirtschaftliche Mittel ausbauen. Die Unsicherheit über die geopolitische Lage führt dazu, dass viele Bürger in westlichen Ländern autoritärere Regierungsformen als handlungsfähiger wahrnehmen.
Trumps erratische Politik könnte diese globalen Machtverschiebungen weiter verschärfen, indem sie multilaterale Strukturen schwächt und autoritäre Akteure stärkt.
Und was meint Platon?
1. Exzessive Freiheit führt zu Disziplinlosigkeit und Chaos
„In der Demokratie aber erscheint mir die Freiheit, das Schönste an der Staatsverfassung. Und es wird wohl, wie ich glaube, gesagt, dass, wenn eine von einer guten Prägung abweichende Demokratie entstehen soll, dies eben durch ein Übermaß an Freiheit geschehen wird.“
– Politeia VIII, 562b
Platon beschreibt hier, dass ein Übermaß an Freiheit die Demokratie selbst zerstört, weil sie sich in Anarchie auflöst.
2. Gesellschaftliche Autoritäten werden untergraben
„Der Vater gewöhnt sich daran, dem Sohne gleich zu sein, und fürchtet seine Söhne; der Sohn aber gewöhnt sich daran, dem Vater gleich zu sein, und scheut weder Vater noch Mutter, um frei zu sein.“
– Politeia VIII, 562e
Platon kritisiert, dass die demokratische Freiheit auch traditionelle Autoritätsstrukturen zerstört. Eltern können ihre Kinder nicht mehr erziehen, weil sie als gleichwertig angesehen werden.
„Der Lehrer fürchtet und schmeichelt den Schülern, die Schüler aber achten die Lehrer nicht und ebenso wenig ihre Erzieher.“
– Politeia VIII, 563a
Er beschreibt, dass in einer übermäßig freien Gesellschaft Lehrer ihre Schüler nicht mehr maßregeln können, da alle als gleich gelten und es keine Hierarchie mehr gibt.
3. Die Gleichheit wird auf alle Lebewesen ausgedehnt
„Ja, fast hätte ich vergessen zu sagen, wie empfindlich selbst die Tiere sind, die unter solchen Leuten leben. Der Hund, wie er wirklich sein sollte, gleicht ganz seinem Herrn, und so auch das Pferd und der Esel, und das geschieht auf folgende Weise: die Gewohnheit der Menschen ist es, sie in völlige Gleichheit zu setzen, sodass das Sprichwort wahr wird: ‚Wie Vater, so Sohn‘ – und das gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Tiere.“
– Politeia VIII, 563c-d
Platon macht sich hier fast spöttisch über die Vorstellung lustig, dass eine übertriebene Gleichheitsidee sogar auf Tiere ausgedehnt wird.
4. Der Übergang von Demokratie zur Tyrannei
„Die maßlose Freiheit für das Gemeinwesen schlägt in das größte und härteste Joch der Knechtschaft um.“
– Politeia VIII, 564a
Dies ist eine der bekanntesten Aussagen Platons zur Demokratie. Er argumentiert, dass eine übermäßige Freiheit letztlich dazu führt, dass die Menschen nach einem starken Führer rufen – der dann zum Tyrannen wird.
„Denn die Freiheit bringt in einer Demokratie den Übergang zur Tyrannis hervor, wenn sie maßlos wird.“
– Politeia VIII, 565c
Hier zeigt sich seine zentrale These: Je mehr Freiheit es gibt, desto größer wird das Chaos – und aus diesem Chaos erwächst letztlich eine Tyrannei.
Fazit
Platon sieht die exzessive Freiheit als Zerstörer der Demokratie, weil sie zu Anarchie führt. Er beklagt die Auflösung traditioneller Werte, den Verlust der Autorität und die allgemeine Respektlosigkeit. Diese Entwicklung bereitet laut ihm den Weg für einen Tyrannen, der sich als Retter der Ordnung präsentiert.
Seine Sichtweise ist eine scharfe Kritik an der Demokratie seiner Zeit, die er für instabil hielt. In seiner idealen Staatsform sollten nicht das Volk, sondern Philosophen herrschen, da sie sich von Vernunft und Weisheit leiten lassen. Wie gut das geklappt hat, konnten wir in der Coronazeit live und in Farbe miterleben.
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