Was für eine Überraschung aus dem Hause ARD! „Die Augenzeugen“ ist ein Vierteiler, wie man ihn sich öfter wünscht: atmosphärisch dicht, hervorragend gespielt und inszeniert mit sicherem Gespür für Zwischentöne. Diese Miniserie hat mich gepackt – nicht durch spektakuläre Wendungen oder lärmendes Getöse, sondern durch stille Spannung und Figuren, die im Gedächtnis bleiben.
Allen voran Nicolette Krebitz als Ermittlerin Helen Severing: Sie trägt die Serie mit einer Mischung aus innerer Stärke und unterschwelliger Verletzlichkeit. Ihre Präsenz ist nicht laut, sondern eindringlich – wie ein Nachhall in einem leeren Raum. Man glaubt ihr jedes Zögern, jeden entschlossenen Schritt. Eine reife, nuancierte Darstellung, die ihresgleichen sucht.
Auch Lucas Gregorowicz überzeugt – als Kriminalrat Roman Berg, dessen dunkle Aura die Geschichte von Anfang an durchzieht. Er spielt diesen Mann mit einer fast unheimlichen Ruhe, einer Zurückhaltung, die mehr sagt als tausend Worte. Gerade deshalb bleibt er uns fremd – und genau hier setzt mein kleiner Vorbehalt an.
Denn so meisterhaft inszeniert die Serie ist – und das ist sie zweifellos –, so sehr hätte ich mir ein wenig mehr Einblick in die Motive des Täters gewünscht. Warum tut Berg, was er tut? Die Serie lässt uns mit dieser Frage allein, als ob sie selbst davor zurückschreckt, hinter seine Fassade zu blicken. Das erzeugt Spannung, ja – aber auch eine Leerstelle, die etwas unbefriedigt zurücklässt.
Die beiden jungen Darsteller, Philip Günsch und Marven Gabriel Suarez-Brinkert, geben dem Ganzen eine zarte, fast scheue Emotionalität. Ihre Geschichte – verletzlich, mutig und zutiefst menschlich – ist das emotionale Herz des Thrillers. Man bangt mit ihnen, man hofft, dass sie unversehrt aus dem Netz der Ereignisse entkommen.
Anna-Katharina Maier, die Regisseurin, hat mit „Die Augenzeugen“ eine bemerkenswerte Arbeit abgeliefert. Wer ihre bisherigen Werke kennt („Eltern mit Hindernissen“, „Trauung mit Hindernissen“) wird überrascht sein, wie stilsicher sie sich hier dem Thriller-Genre nähert – ohne Klischees, mit feinem Taktgefühl. Unterstützt von einer stimmigen Kameraarbeit und einem fast zurückhaltenden Score, gelingt ihr ein Werk, das mehr ist als bloße Unterhaltung: ein Stück
„Die Augenzeugen“ ist ein klug gebauter Thriller mit Tiefgang, getragen von großartigen Darsteller und einer stimmigen Inszenierung. Einziger Makel: Die psychologische Tiefe der Täterfigur bleibt unausgeleuchtet – vielleicht bewusst, vielleicht aber auch ein verschenktes Potenzial. Sonst denke ich häufig, dass insbesondere psychologische Aspekte in neueren Krimis zu sehr dominieren. Hier fehlten sie vielleicht ein wenig. Dennoch: absolute Empfehlung!
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