Ich habe für einen kleinen Blog einige Beiträge zu Gaza geschrieben. Nicht genug! Nicht, weil ich nichts mehr zu sagen hätte – sondern eher, weil die Resonanz ausbleibt. Kaum Kommentare, wenig Austausch (41 Beiträge mit 112 Kommentaren ergibt 2,7 Kommentare pro Artikel über Gaza). Dabei ist das Thema Gaza nicht weniger drängend. Im Gegenteil! Doch gerade dort, wo die elementarsten menschlichen Fragen zum Himmel schreien, bleibt die Reaktion aus. Ich frage mich: Woran liegt das? Liegt es an mir (an meiner vielleicht manchmal zu provokanten Schreibweise) – oder an der Art, wie wir als Gesellschaft mit Themen wie Krieg, Vertreibung, Gewalt umgehen?
Ich bin nicht allein mit diesem Gefühl. In Thomas Gigolds Webring, dessen Mitglieder selbstverständlich auch das Thema Gaza behandeln, finden sich Beiträge – manche schon älter, andere aktueller. Sie alle eint der Versuch, eine Stimme zu finden für das, was oft unaussprechlich scheint.
Besonders beeindruckt hat mich der Beitrag von Oliver Moore: „Under siege in the West Bank: Life and resistance in the shadow of settler violence“. Er beschreibt das Leben palästinensischer Gemeinden, die unter den täglichen Angriffen von Siedlern leiden. Es sind Geschichten von Mut, Widerstand und dem unerschütterlichen Willen, trotz allem weiterzumachen. Solche Texte erinnern mich daran, warum auch ich schreibe – nicht für Klickzahlen oder Applaus, sondern um Zeugnis abzulegen. Dass ich das mit meinen bescheidenen Mitteln tue und nicht etwa in Konkurrenz gegen solchen Texten anschreibe, versteht sich von selbst. Mir gehts es darum (als Chronist für mein eigenes Gedankenarchiv) festzuhalten, was geschieht, wenn augenscheinlich doch so viele wegschauen. Nicht nur unsere Bundesregierung. Die hält sich an einer Staatsraison fest, um nur ja nichts gegen Israel sagen zu müssen.
Ich fühle mich überhaupt nicht daran gehindert, die andere Seite des Unrechts anzusprechen und die Verbrechen scharf zu verurteilen, die die Hamas-Terrorbande an israelischen Bürgerinnen und Bürgern, Kindern und Frauen, alten und jungen Menschen begangen hat. Unmenschliche Schweine sind all jene, diese unaussprechlichen und unvorstellbar schlimmen Dinge getan haben, egal welche »Motivation« sie dafür gefunden haben mögen.
Blogs, die nicht wegsehen
Auch andere deutschsprachige Blogs setzen sich mit der Situation auseinander. Der PRIF Blog beleuchtet den deutschen Diskurs über den Krieg in Gaza. Der Verfassungsblog bietet rechtliche Analysen, die weit über die Tagespolitik hinausweisen. Und bei Amnesty International Deutschland findet man eine bedrückende Chronik von Menschenrechtsverletzungen, Notlagen und der verzweifelten Lage der Zivilbevölkerung. Auch wenn nicht alle dieser Beiträge brandneu sind, bleibt ihr Inhalt erschreckend aktuell.
Die Wirklichkeit im Gazastreifen
Die humanitäre Lage in Gaza ist katastrophal. Laut einem Livebericht des Guardian wurden seit Oktober 2023 über 53.000 Palästinenser getötet, mehr als 121.000 verletzt. Alle öffentlichen Krankenhäuser im Norden sind außer Betrieb. Es fehlt an allem: Nahrung, Wasser, medizinischer Versorgung, Strom. Das Leben ist reduziert auf ein nacktes Überleben, ohne Perspektive, ohne Sicherheit. Die Reuters-Bilderstrecke zeigt zerstörte Straßenzüge, eingeschlagene Häuser, apokalyptische Szenen. Auch The Guardian hat eine visuelle Übersicht erstellt – mit Satellitenbildern und Kartenausschnitten, die mehr sagen als viele Worte. Diese Bildberichte stammen teilweise aus dem Januar. Die Lage hat sich seither weiter verschärft. Manchmal stelle ich mir vor, mitten in diesem apokalyptischen Szenarium zu sein und nach meinen Liebsten zu suchen. Diese Gefühle, die diese Menschen haben, die wir in den Nachrichten sehen, können nicht hergeleitet werden. Vielleicht aber nachgefühlt.
Seit Jahren wird der Gazastreifen als das größte Freiluftgefängnis bezeichnet. Der Spiegel schrieb das bereits 2016 – und seither ist der Begriff eher noch zu schwach. Die Region ist hermetisch abgeriegelt. Kaum jemand kann sie verlassen, kaum jemand kommt hinein. Bewegungsfreiheit ist dort längst ein leerer Begriff. Was bleibt, ist das Gefühl des Eingesperrtseins – für über zwei Millionen Menschen. Glaubt jemand, dass Menschen sich an ein solches Leben gewöhnen könnten?
Warum wir trotzdem schreiben
Ich vermute, die ausbleibende Resonanz auf solche Texte sind nicht auf Desinteresse zurückzuführen, sondern auf Überforderung. Die Komplexität des Themas, die emotionale Belastung – all das kann lähmen. Wer will sich schon beim Frühstück mit der Frage quälen, ob es „gerecht“ ist, was dort geschieht? Oder ob man sich „positionieren“ muss, wenn man einfach nur betroffen ist?
Und doch glaube ich: Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir weiterschreiben. Auch wenn es leise bleibt. Auch wenn kaum jemand antwortet. Denn jedes Wort zählt. Jeder Beitrag ist ein Zeichen dafür, dass wir nicht wegsehen. Dass wir uns kümmern. Und vielleicht, eines Tages, wird das etwas bewirken, auch wenn man angesichts der Berichte daran nicht wirklich glauben kann.
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