Der neue Verkehrsfluss: Schneller wird’s nicht mehr

Ein Städtchen parkt klug, fährt langsam und erfindet den Verkehrsberuhigungsirrsinn neu – mit 20 km/h und ganz viel „Mitdenken“.

Man kann ja nicht sagen, dass in unserer Stadt nichts passiert. Nein, hier wird angepackt, durchgeplant, verändert – mit einer Gründlichkeit, die sonst nur Gartenzäunen und Einwohnermeldeamtsformularen zuteilwird. Es begann mit einer Parkplatzoffensive: Die Geschäftsleute hatten geklagt, der Umsatz sei rückläufig.

Also her mit mehr Parkplätzen! Und weil „normal“ ja langweilig ist, wurden gleich ein paar schicke neue Parkscheinfallen, pardon: Parktaschen eingerichtet – dort, wo es schön eng und unübersichtlich ist. Besonders beliebt bei SUV-Fahrern, die beim Ausparken regelmäßig einen städtischen Hauch von Risiko und Nervenkitzel verbreiten.

Rechts vor Wahnsinn

Doch damit nicht genug! Unsere Hauptstraße war seit Jahrzehnten Vorfahrtstraße durch und durch. Das fand jetzt sein Ende. Jetzt gilt an zwei Stellen rechts vor links.

Doch keine Panik. Die zuvor erwähnten Parktaschen sorgen bereits für eine so nachhaltige Verlangsamung des Verkehrsflusses, dass selbst Verkehrssünder genug Zeit haben, beim Ignorieren der Vorfahrt noch der eine oder andere Einkauf getätigt werden kann. Unfallgefahr? Bisher wohl niedrig. Nervenbelastung? Hoch. Satirisches Potenzial? Noch höher.

Die Krönung: Tempo 20 – aus Liebe zur Bürgernähe

Aber nun kommt’s ganz dick. Die Stadtverwaltung – stets am Puls der Bremsspur – hat Tempo 20 im gesamten Ort beschlossen. Da gehts nicht nur ums Tempo. Das ist sicher eine kommunalpolitische Philosophie, ein entschleunigter Gesellschaftsvertrag, eine Art verkehrstechnisches Waldbaden.

Bald werden wir davon hören, dass jemand es gewagt hat, beim Rasen in der Tempo-20-Zone einen Schmetterling zu überholen. Der Fall wird ggf. in der Ethikkommission anhängig werden.

Ironie oder Idealismus?

Natürlich, alles soll der Sicherheit dienen. Und wer könnte dagegen sein? Ich – über 70 und keineswegs auf Krawall gebürstet – möchte das ja auch. Aber vielleicht wäre es doch schön gewesen, mal jemandem zuzuhören, der nicht jeden Straßenbelag für eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung hält.

Denn so liebevoll wie unsere Stadt sich dem Thema „Verkehrsführung“ widmet, so konsequent ignoriert sie die Frage, ob langsamer auch automatisch besser bedeutet. Manchmal hat man das Gefühl, dass bei uns alles mitbedacht wird – nur nicht der gesunde Menschenverstand. Politik macht Spaß. Aber so richtig. Bald sind Neuwahlen des Bürgermeisters. Ob sich die Bürger dankbar für so viel Fürsorge zeigen?

Ein Hoch auf den städtischen Schleichverkehr

Ich freue mich jedenfalls schon auf das erste Tempo-5-Pilotprojekt im verkehrsberuhigten Kreisverkehr. Vielleicht mit Blümchen auf dem Asphalt und einem Entspannungsgong bei der Ortseinfahrt. Man wird ja wohl noch träumen dürfen.

Ich fürchte nur, dass der Umsatz des klagenden Einzelhandels, um den es ursprünglich ja einmal ging, seitdem nicht gestiegen ist. Der Frust dafür allerdings schon. Aber es wird wohl bestimmt in den Fraktionen des Rates auch Personen geben, die voll zufrieden sind mit den Maßnahmen der Stadt.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Provinzkomödie Stadtentwicklung Verkehrspolitik

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