Viel Feind’, viel Ehr’? Ach, was! Die Ampelkoalition hatte nie eine Chance – weder bei der Union noch beim Boulevard. Dabei war sie es, die inmitten multipler Krisen versuchte, das Land nicht nur zu verwalten, sondern vorsichtig in eine andere Richtung zu lenken. Weg vom Immergleichen, hinein in ein Morgen, das – seien wir ehrlich – ohnehin längst überfällig war.
Mehr oder weniger schienen die Grünen dabei primär diejenigen zu nerven, die nicht wollen, dass sich in diesem Land überhaupt noch etwas bewegt. Konservative eben. Oder vielleicht liegt es auch schlicht am Altersdurchschnitt. Die Demografie ist schließlich kein politisches Programm, aber sie wirkt, tief und unbemerkt. Deutschland, das Land der Zauderer, hat wieder zugeschlagen – und dieses Mal ganz demokratisch.
Nun also die Merz-Regierung. Jene Mannschaft, die noch gestern die Zähne fletschte, wenn jemand von Tempolimit, Wärmepumpe oder Bürgergeld sprach, zieht heute exakt jene Register, die sie einst verächtlich machte. Plötzlich klingt das alles gar nicht mehr nach “grünem Verbotsstaat”, sondern nach pragmatischer Vernunft. Wie praktisch!
Nur hat keiner vergessen, was Merz und seine Spahns und Freys vor nicht allzu langer Zeit vom Stapel ließen. Große Töne, viel Empörung, wenig Substanz. Man hat fast den Eindruck, sie wollten lediglich an die Macht – um dort dann… die Arbeit der Vorgänger fortzuführen. Aber mit ernsterem Blick und dem Versprechen, alles besser zu machen. Obwohl: Vieles war ja gar nicht so schlecht. Ja, das sagt man doch so, nicht wahr? Es war nicht alles falsch.
In diesem Fall könnte man sogar sagen: Vieles war richtig.
Aber das kommt Konservativen nicht über die Lippen. Stattdessen wird auf Zeit gespielt. Reframing, Rhetorik, Retro-Politik. Man redet heute von „Notwendigkeiten“, die man gestern noch als „Ideologie“ verteufelte. Ein kleines Wunderwerk der politischen Verwandlung. Hätte Goebbels Propagandamaschine sicher gefallen – nur ist der Tonfall heute feiner, die Krawatte besser gebunden.
Was folgt daraus? Erstens: Es war die Ampel, die unter Bedingungen arbeitete, die kein Lehrbuch der Welt vorgesehen hatte. Pandemie, Krieg, Energiekrise, Klimakrise, Rechtsruck, Inflation. Wer da noch behauptet, es sei „nichts gelungen“, der sollte sich einen Moment nehmen, um sich zu erinnern, was zwischen 2021 und 2025 alles gestemmt wurde.
Zweitens: Die neue Regierung wird sich fragen lassen müssen, ob sie wirklich gestalten will – oder nur Rache übt. Rache an Fortschritt, Rache an denen, die sich trauten, alte Gewissheiten infrage zu stellen.
Und drittens: Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt, den politischen Diskurs zu entgiften. Weniger Bierzelt, mehr Bilanz. Weniger „Habeck muss weg!“, mehr: Was habt ihr denn nun selbst vor? Und wie unterscheidet sich das bitte schön von dem, was ihr gestern noch in Grund und Boden geschrien habt?
Die Politik der Ampel war nicht perfekt. Aber sie war – bei Licht besehen – mutiger, ehrlicher und weitsichtiger als vieles, was wir nun aus den schwarzen Kabinetten zu hören bekommen. Und deshalb wird man das auch sagen dürfen müssen:
Es war nicht alles falsch.
Im Gegenteil: Vieles war richtig.
Nur passt das nicht in die neue Erzählung. Dass die SPD das aushalten muss, tut weh.
Guter Beitrag auf den Punkt!
@Dominik: Danke. ❤️