Ulrich Reitz, Chefkorrespondent von Focus Online, tritt gerne als Aufklärer auf. Er erhebt den Vorwurf: „Ein linker ‚Kulturkampf‘ um die geistige Vorherrschaft in Deutschland“ würde geführt.
Was er und seine Redaktionskollegen im Falle von Frauke Brosius-Gersdorf abliefert, ist aus meiner Sicht kein Journalismus, sondern ein Tribunal. Ein rhetorischer Pranger, getarnt als politischer Kommentar. Außerdem kommen mir Zweifel an der geistigen Verfassung mancher Kommentar-Autoren. Weniger wäre aus meiner Sicht mehr. Allerdings wird das natürlich mancher über meine Kommentare hier, und zwar nicht nur zu diesem Fall, auch sagen.
Ulrich Reitz erhebt sich über Argumente, aber unterzieht sie keiner Prüfung. Er spricht von „Verständlichkeit für das Volk“, die einerseits nicht gegeben sei, driftet aber weiter ab in seiner Herabwürdigung juristischer Differenzierung. Wer sich, wie Brosius-Gersdorf, in komplexe Fragen vertieft, wird von Reitz als „realitätsfremde Theoretikerin“ abqualifiziert – der intellektuelle Dünkel liegt allerdings auf seiner Seite.
Das Spiel mit der Meinungsmacht
Reitz betreibt in seinem Kommentar ein rhetorisches Spiel, das an klassische populistische Muster erinnert:
- „Das Volk versteht das nicht“ – ein Totschlagargument, das Kritik an Komplexität vortäuscht, aber in Wahrheit Komplexität verächtlich macht.
- „Missverstanden? Wohl kaum.“ – Reitz erklärt sich selbst zur Instanz über Wahrheit und Interpretation.
- „Sogar Alice Schwarzer ist dagegen“ – der Versuch, linke Stimmen gegen eine linke Juristin in Stellung zu bringen, ist durchsichtig: ein Strohmann-Argument, das von einer feuilletonistischen Instrumentalisierung lebt.
Seine Leserschaft störte es überhaupt nicht, dass „das Volk“ es nicht versteht. Sie folgen ihrem Messias, werten und verurteilen.
Seine Herangehensweise ist nicht journalistisch-abwägend, sondern einseitig moralisierend. Er stellt Fragen nicht, um Antworten zu finden – sondern um zu insinuieren.
Die subtile Kunst der Delegitimation
Reitz vermeidet offene Beleidigungen, bedient sich stattdessen einer gefährlicheren Waffe: der pseudonüchternen Diskreditierung. Er nennt Brosius-Gersdorf „humorlos“, unterstellt ihr Arroganz, weil sie eine andere Rechtsauffassung vertritt, und stellt schließlich ihr ganzes Berufsbild infrage.
Dabei ist die Argumentation gegen die Paritätsregelungen keineswegs abgeschlossen – auch nicht in der Rechtsprechung. Dass Reitz dies unterschlägt oder ins Lächerliche zieht, offenbart eine Missachtung juristischer Debattenkultur.
Wer urteilt hier eigentlich?
Man fragt sich: Was qualifiziert Reitz, eine renommierte Rechtswissenschaftlerin verächtlich zu machen? Seine Medienbühne? Seine Selbstgewissheit? Oder die politische Agenda seines Hauses?
Der „Focus“ positioniert sich zunehmend offen konservativ bis rechtsliberal. Reitz ist dort das intellektuelle Aushängeschild dieser Ausrichtung. Doch wo bleibt das Maß? Wo die Bereitschaft zur Differenzierung? Brosius-Gersdorf steht für den demokratischen Diskurs, Reitz für dessen Verkürzung auf Schlagworte.
Der Angriff auf das Bundesverfassungsgericht
Reitz lässt durchblicken, das Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht könne Schaden nehmen, wenn man „Theoretikerinnen“ wie Brosius-Gersdorf dorthin schicke. Welch fatale Aussage! Nicht Kompetenz oder Unabhängigkeit, sondern „Richtererfahrung“ – die er offensichtlich nach seinem Gusto definiert – sollen Maßstab sein.
Es ist ein Frontalangriff auf das Prinzip pluralistischer Perspektiven in der höchsten juristischen Instanz des Landes. Eine Kritik, die nicht nur abwertet, sondern das Vertrauen in demokratische Institutionen untergräbt.
Der Schaden wird immer größer!
Ulrich Reitz agiert nicht als Beobachter, sondern als Richter. Nicht auf der Grundlage von Argumenten, sondern auf dem Feld von Narrativen, Meinungen und medialer Macht.
Er schadet nicht nur Frauke Brosius-Gersdorf – sondern dem Vertrauen in die Presse, in das Recht, in die nüchterne Debatte. Die Art und Weise, wie Leute wie Reitz Meinung zur Waffe machen, muss uns zu denken geben. Aber klar. Die Union und ihre Unterstützer wollen die linke Republik rückabwickeln. Nun, wir sind auf dem Wege, das umfassend und nachhaltig zu erledigen. Danke dafür, Herr Merz, Herr Spahn!
Ulrich Reitz: Ein publizistisches Muster mit politischer Schlagseite
Wer Ulrich Reitz regelmäßig liest oder hört, erkennt schnell ein wiederkehrendes Muster: Die eigene Meinung wird zum Maßstab, Komplexität als elitär gebrandmarkt, progressive Positionen als „weltfremd“ denunziert. Brosius-Gersdorf ist dabei nur das jüngste Beispiel einer langen Reihe.
Der Juristenhass als Kalkül
Es ist auffällig, wie oft Reitz sich über Juristinnen und Juristen empört, die von seiner Norm abweichen. Ob Verfassungsrichter, Oberverwaltungsgerichte oder Verwaltungsjuristinnen – sie alle geraten ins Visier, sobald sie progressive Rechtsauffassungen vertreten. Das Ziel: Die Delegitimation liberaler Auslegungen von Grundrechten.
Ähnlich aggressiv äußerte er sich schon 2019/2020 in Kommentaren zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe. Dort sprach er von einem „realitätsfernen Gericht“, das sich „moralisch überhoben“ habe – ein Vorwurf, der nicht nur polemisch, sondern gefährlich ist. Denn er zielt auf das Vertrauen in die höchste juristische Instanz der Republik.
Reitz und die Frauenfrage
Reitz inszeniert sich als Anwalt der Eindeutigkeit, doch gerade beim Thema Gleichstellung wird seine Argumentation zur Farce. Die Paritätsdebatte, bei der Brosius-Gersdorf sich für das offene Prüfen neuer Gleichstellungsmöglichkeiten einsetzt, verkehrt er zur Anmaßung.
Dass Gleichstellung und Gleichberechtigung keine Gegensätze sind, sondern juristisch aufeinander aufbauen, unterschlägt er. Absicht oder Ignoranz? Beides ist besorgniserregend.
Der Kulturkampf als Berufung
Reitz bedient sich regelmäßig des konservativen Kulturkampf-Vokabulars. Vom Genderstern über das „Kopftuch als Flagge“ bis zur Warnung vor linksgrüner Identitätspolitik – seine Rhetorik gleicht der eines Kommentators aus der rechten Ecke, nicht der eines seriösen Beobachters. Dabei operiert er wie ein Scharnier zwischen bürgerlich-konservativem Journalismus und populistischen Ressentiments.
Der Verweis auf Alice Schwarzer in seinem Brosius-Kommentar ist dafür ein typisches Beispiel: Eine Einzelmeinung wird zum angeblichen Beweis einer überparteilichen Ablehnung aufgeblasen. Kritisches Denken? Fehlanzeige.
Ulrich Reitz verkörpert einen Typus Journalismus, der längst nicht mehr aufklären will, sondern mobilisieren. Seine Kommentare richten sich nicht nach Faktenlage, sondern nach politischem Affekt. Sie erzeugen Stimmungen, keine Erkenntnis.
Wer die Demokratie liebt, sollte sich solche Meinungsmacher genauer anschauen – und ihnen entschieden widersprechen.
Leute wie Reitz und ihre Stichwortgeber (z.B. die blonde Zuruferin) sorgen dafür, dass sich künftig jede Kandidatin, jeder Kandidat für solche Posten überlegt, ob er seine berufliche und persönliche Reputation aufs Spiel setzen soll. Der Schaden für unser Gemeinwesen ist nicht durch Frau Brosis-Gersheim entstanden, sondern durch solche sogenannten Journalisten wie Reitz, Reichelt oder Tichy.
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