Wir und die Anderen: Wie der Dialog ver­lo­ren ging

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gespaltener dialog

Warum echte Gespräche seltener werden, die Empörung regiert und der gesunde Menschenverstand leidet.

Sind wir noch weit von us-ame­ri­ka­ni­schen Verhältnissen ent­fernt? Vermutlich sind wir schon näher dran als wir uns ein­ge­ste­hen wür­den oder bereit sind, die­se unan­ge­neh­me Wahrheit anzuerkennen. 

Das Ende der „Late Show“ mit Stephen Colbert bedeu­tet eine dop­pel­te Kapitulation des Senders CBS – vor einem rach­süch­ti­gen Donald Trump und einem Publikum, das lie­ber scrollt als mitzudenken.

Quelle

Dialogfähigkeit: Nur noch unter Schmerzen?

Seien wir ehr­lich. Immer öfter beschleicht uns das Gefühl, ein­an­der nur noch unter Schmerzen zuhö­ren zu kön­nen. Es sei denn, die poli­ti­schen oder welt­an­schau­li­chen Ansichten lie­gen halb­wegs nah bei­ein­an­der. Wehe aber, das Gegenüber zählt zum lin­ken oder rech­ten Lager – dann muss der Tisch im ech­ten Leben schon sehr breit sein, damit man sich nicht gegen­sei­tig die Suppenschüssel über den Kopf zieht.

Dass es die­sen Tisch im Internet gar nicht gibt, scheint mir einer der Hauptgründe zu sein, war­um die Dinge sind, wie sie sind.

Gestern haben wir uns mit gro­ßem Vergnügen „Monsieur Claude und sei­ne Töchter“ ange­se­hen. Die Botschaft: Ressentiments und Vorurteile sind kein rein deut­sches Problem. Überall auf der Welt men­schelt es – und oft eben auf ziem­lich ver­rück­te Weise.

Warum nur fällt es uns so schwer, aus die­ser schlich­ten Erkenntnis ein wenig Milde zu schöp­fen? Warum sind wir so schnell auf 180, so schwer zur Nachsicht fähig? Vielleicht, weil die Grenze zwi­schen dem ech­ten und dem vir­tu­el­len Leben immer wei­ter ver­schwimmt – und das Digitale längst unser Denken formt.

Der raue Ton der Kommentarspalten

Ich suche noch immer nach einer plau­si­blen Erklärung für die­ses hem­mungs­lo­se Übereinanderherfallen, das wir einer­seits bekla­gen und ande­rer­seits mit vol­lem Einsatz mit­spie­len. Man sieht es an die­sen Ein- oder Zwei-Satz-Kommentaren, die einem den Aufenthalt bei YouTube ver­gäl­len. Es reicht ja schon, sich durch die geis­ti­ge Kost von Fleischhauer, Reitz oder ande­ren rech­ten Provokateuren zu quä­len – aber wenn man dann die Fangemeinde hört, schnürt einem das die Synapsen ab.

Manche ver­glei­chen das mit den Stammtischen frü­he­rer Zeiten. Aber ich fra­ge mich: Hätte ich mir als jun­ger Mann die­sen ver­ba­len Dünnpfiff wirk­lich jeden Sonntagmorgen rein­ge­zo­gen? Niemals. Unsere Väter haben das offen­bar getan. Vielleicht, weil es damals noch um ande­re Themen ging als um rechts oder links. Vielleicht, weil man sich noch zusam­men­rau­fen konn­te. Heute wäre das undenkbar.

Was uns frü­her zusammenhielt

Wie also haben die Menschen frü­her ihre „Resilienz“ auf­ge­baut, die­se inne­re Widerstandskraft gegen Meinungsverschiedenheiten? Vielleicht lag es dar­an, dass ihnen kei­ne tau­send­fach ver­stärk­ten Echokammern zur Verfügung stan­den, die sie in ihrer Weltsicht bestä­tig­ten – bis zur Selbstvergötzung.

Wir wis­sen heu­te: Man hät­te Leuten wie Prof. Spitzer bes­ser zuge­hört, als sie vor Jahren vor den Folgen digi­ta­ler Überreizung (bei Kindern) warn­ten. Damals wur­den sie ver­lacht oder hart kri­ti­siert. Heute gibt es Studien über den Einfluss des Gelesenen – oder bes­ser: Überflogenen – auf unser Denken. Aber wer liest die schon?

KI, Regulierung und das gro­ße Missverständnis

Nein, wir machen wei­ter wie bis­her. Und über­se­hen – oft mit Vorsatz –, dass wir uns auf einem fata­len Weg befin­den. Beim Thema Künstliche Intelligenz geht der Streit in die nächs­te Runde: Die einen fei­ern sie als Heilsbringer, die ande­ren als Vorboten des Untergangs.

Heute habe ich eine Diskussion gese­hen, die die deut­sche Lage recht gut wider­spie­gelt – mit Markus Beckedahl und Bojan Pancevski. Beckedahl ver­tei­dig­te enga­giert, aber naiv, den Glauben an Regulierung und Kontrolle. Pancevski hin­ge­gen erklär­te Europa für chan­cen­los – gelähmt durch sei­ne Regulierungswut und abge­hängt in den glo­ba­len Zukunftsfragen.

Ein letz­ter Zweifel – auch an mir selbst

Mich erin­nert das an mich. An mei­ne eige­ne Haltung in Konflikten: Ich sage (natür­lich) nichts – aber ich zweif­le inner­lich an vie­lem, was ich selbst ver­tre­te. Wie nur sol­len wir wie­der auf einen gemein­sa­men Nenner kom­men, ohne dass gleich jemand brüllt, es dürf­ten kei­nes­falls links-grü­ne Narrative dominieren?

Gibt es nicht ein Dazwischen? So etwas wie das „Gefühlte Richtige“ – oder, alt­mo­disch for­mu­liert: gesun­der Menschenverstand?

Aber dann lese ich wie­der die­se von mir so ver­ach­te­ten Kurzkommentare – und der Zweifel kommt zurück. Nicht nur an deren Verstand, son­dern an die Möglichkeit, dass es je wie­der bes­ser wer­den könnte.

phoe­nix run­de – phoe­nix – Musk, Bezos, Thiel – Die Macht der Tech-Milliardäre

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2 Gedanken zu „Wir und die Anderen: Wie der Dialog ver­lo­ren ging“

  1. Ich weiß nicht, ob das frü­her so anders war. Ich den­ke, man hat schon frü­her in sei­ner (ana­lo­gen) Blase gelebt. Alles was anders war, eben die­ser Blase nicht zuge­ord­net, bzw. war Außenseiter. Ich erin­ne­re mich, wie wir als Halbstarke die­sem Außenseitertum mit allen Mitteln ver­such­ten zu ent­spre­chen. Wir waren damit genau­so into­le­rant, wie die ver­meint­li­chen Spießer der Dorfgemeinschaft. Ich den­ke, die Stammtische von frü­her hat­ten auch ihre Meinungsblase, nur eben war begrenzt auf die Kneipe. Heute sind die Stammtische öffent­lich und das Internet ist ein rela­tiv geschütz­ter Raum. das ver­lei­tet viel­leicht den ein oder ande­ren, ver­bal stär­ker zu agie­ren, als in einer öffent­li­chen, ana­lo­gen Diskussion. Vielleicht ist die Erklärung aber auch ein­fach in schlech­ter Erziehung zu suchen; Wer sich unbe­dingt aus­kot­zen muss­te, mach­te das frü­her nicht vor Nachbars Haustür, um mal eine Metapher zu bemühen. 

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