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Zölle, Machtspiele und die leise Kapitulation Europas

30. Juli 2025

2 Kommentare

Ein „Deal“, der keiner ist

Man kann es als Einigung bezeich­nen – oder als Kapitulation. Die EU akzep­tiert künf­tig einen 15-​prozentigen US-​Zoll auf bestimm­te euro­päi­sche Produkte. Im Gegenzug flie­ßen euro­päi­sche Investitionen in die USA, und ame­ri­ka­ni­sche Energie wird in rie­si­gem Umfang ein­ge­kauft. Die Rede ist von über 750 Mrd. $. Die Energieträger sind: Öl, Gas und Kohle. Ganz toll! Washington fei­ert den Deal als wei­te­ren Triumph der “America First”-Strategie. Und Europa? Lächelt müde und schweigt. Jedenfalls kommt das bei mir so an.

Multilateralismus im Rückzug

Was einst als Regelwerk des Miteinanders galt – das mul­ti­la­te­ra­le Handelssystem – ver­liert wei­ter an Boden. Stattdessen domi­nie­ren zuneh­mend bila­te­ra­le Deals, in denen der Stärkere dik­tiert und der Schwächere das Nachsehen hat. Die WTO? Ein Papiertiger. Freier Handel? Ein roman­ti­sches Ideal von ges­tern. Ich weiß, es ist schlimm so zu reden. Fast ein Abgesang auf die EU. Dabei gehö­re ich nicht zu den Kritikern, die ja durch­aus gerecht­fer­tig­te Kritik durch Häme und Ablehnung ent­wer­ten. Man kann das Kind auch mit dem Bade ausschütten.

Diese neue Weltordnung basiert nicht mehr auf gemein­sa­men Regeln, son­dern auf geo­po­li­ti­schen Faustregeln. Wer bil­lig Gas ver­kauft oder über stra­te­gi­sche Häfen ver­fügt, redet mit. Wer nicht, darf zah­len. Die künf­tig noch an Bedeutung zuneh­men­den ande­ren Rohstoffe (sel­te­ne Erden), also die, die nicht „nur” zur Energiegewinnung erfor­der­lich sind, wer­den die Konflikte ver­mut­lich ver­schär­fen. Es scheint aus jet­zi­ger Sicht wie­der mög­lich, dass des­halb Kriege geführt wer­den. Die Menschheit lernt eben nicht dazu. Das stel­len wir gera­de in Gaza, im Jemen, in Syrien und ande­ren Orten unse­res Planten unter Beweis.

Europas schwieriger Spagat

Für Europa ist die­ser Deal mehr als nur ein wirt­schaft­li­cher Nachteil. Er ist ein geo­po­li­ti­scher Offenbarungseid. Denn er zeigt, wie abhän­gig der Kontinent gewor­den ist – von ame­ri­ka­ni­scher Energie, von chi­ne­si­schen Märkten, von glo­ba­len Lieferketten. Und schlim­mer noch: Er zeigt, wie schwer es der EU fällt, mit einer Stimme zu spre­chen. Die Segnungen der Globalisierung haben die Reichen unend­lich viel rei­cher gemacht und die Armen nicht nur ärmer, son­dern so macht­los, wie sie ver­mut­lich nie gewe­sen sind. Megareiche inter­es­sie­ren die ver­än­der­ten Bedingungen nur inso­fern, als sie Orte fin­den müs­sen, wohin sie ihre Milliarden schau­feln müs­sen. Damit nichts ver­lo­ren geht. 

Die unter­schied­li­chen natio­na­len Interessen und die inter­nen Grabenkämpfe zwi­schen Nord und Süd, Ost und West, erschwe­ren ein geschlos­se­nes Auftreten. Und gera­de die­se Geschlossenheit wäre in einer Welt der Machtblöcke über­le­bens­wich­tig. Das wis­sen wir Europäer doch – oder nicht?

Belastungen, die erst noch sichtbar werden

Noch ist nicht voll­ends abseh­bar, was die­se Übereinkunft die Europäer kos­ten wird – wirt­schaft­lich wie poli­tisch. Doch eines ist sicher: Die Kosten wer­den kom­men. In Form von höhe­ren Preisen, mög­li­cher­wei­se sogar ener­gie­po­li­ti­scher Abhängigkeit – iro­ni­scher­wei­se nicht mehr nur von Russland, son­dern nun ver­stärkt von den USA.

Ein wirt­schaft­lich erzwun­ge­ner Schulterschluss mit Amerika mag kurz­fris­tig Druck vom Kessel neh­men. Doch auf lan­ge Sicht gefähr­det er das Ziel einer eigen­stän­di­gen euro­päi­schen Wirtschaftspolitik. Wer sich zum ver­län­ger­ten Absatzmarkt machen lässt, ver­liert die Kontrolle über die eige­ne Zukunft. Das hät­te die Jünger der Globalisierung übri­gens durch­aus berück­sich­ti­gen kön­nen, wenn ihnen die Geldscheine nicht die Augen ver­klebt hätten. 

Die Stunde der Europäer

Was jetzt gefragt ist, ist nicht Unterwerfung, son­dern Selbstbehauptung. Europa muss – bei aller not­wen­di­gen Partnerschaft – eige­ne Standards set­zen, eige­ne Industrien schüt­zen, eige­ne Wege gehen.

Das setzt jedoch eine poli­ti­sche Kultur vor­aus, die nicht bei jeder Krise aus­ein­an­der­fliegt wie ein Kartenhaus im Wind. Es braucht einen neu­en euro­päi­schen Pragmatismus, der auf real­po­li­ti­sche Stärke statt mora­li­schen Zeigefinger setzt oder auf Eigeninteressen, die wie­der­um von zu star­ken Lobbygruppen inner­halb der euro­päi­schen Nationalstaaten ver­folgt werden. 

Schlussgedanke

Dieser Deal ist kein Weltuntergang. Aber ein erneu­ter Weckruf. Für die Politik, die Zivilgesellschaft und für jeden von uns. Wir kön­nen uns nicht län­ger auf alte Allianzen ver­las­sen. In einer Welt der Interessen muss Europa selbst Interessen for­mu­lie­ren – und durch­set­zen. Sonst blei­ben wir Statisten in einem Spiel, das ande­re beherr­schen. Daran ändern die 400 Millionen Menschen im EU-​Raum wenig, auch wenn das gebets­müh­len­ar­tig von EU-​Politikern wie­der­holt wird.

HS230625


Horst Schulte, Blogger und politisch interessierter Rentner aus dem Rheinland. Schreibt mit Leidenschaft über Gesellschaft, Medien und Zeitgeschehen – pointiert, kritisch und mit Herz.

2 Gedanken zu „Zölle, Machtspiele und die leise Kapitulation Europas“

  1. Dem ist nichts hin­zu­zu­fü­gen. Es bleibt aller­dings die Frage offen, war­um Europa so ein­fach ein­knickt. Die Folgen jeden­falls wer­den wir gra­vie­rend zu spü­ren bekom­men. Das Gesamthandelsvolumen macht immer­hin eine vier­tel Billion Dollar aus. Insbesondere der Maschinenbau ist in den USA gefragt; ein Kernbestandteil deut­scher Industrie, der mit dem „Deal” des US-​Präsidenten droht unter­zu­ge­hen, bzw. in die USA ver­la­gert wer­den könn­te. Die poli­ti­sche Zusage des Imports fos­si­ler Brennstoffe könn­te der Solar- und Windenergiegewinnung einen emp­find­li­chen Schlag ver­set­zen, letzt­end­lich wird die sowie­so schon geschwäch­te Automobilindustrie wei­ter geschwächt. Keine schö­nen Aussichten .…

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Kategorie: Politik Wirtschaft

Schlagworte: EU Geopolitik Trump USA Verhandlungen Zölle

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