Wenn Regeln zahnlos bleiben: Von Mietwucher und Lohnverzicht

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Warum Mietpreisbremse und Tarifbindung poli­tisch gewollt, aber prak­tisch wir­kungs­los blei­ben – und wer dar­an rüttelt.

Wenn der Staat zögert, wird Wohnen zur Zwangslage

Die Mietpreise stei­gen. Nicht seit ges­tern, son­dern seit Jahren – unauf­halt­sam. Die Mietpreisbremse, einst als Damm gegen Mietwucher gedacht, ist durch­läs­sig. Was als Instrument sozia­len Gleichgewichts gedacht war, wirkt kaum mehr. Hat es das je?

Zu vie­le Ausnahmen, zu wenig Kontrolle, zu wenig Mut zur Konsequenz. Der Gesetzgeber schuf Regeln – und schuf zugleich ihre Umgehung: Neubauten, umfas­send moder­ni­sier­te Wohnungen und die Trägheit der Durchsetzung ent­wer­ten die Idee. Mieterinnen und Mieter müs­sen selbst kla­gen, doch wer tut das schon gegen sei­nen Vermieter, der oft über deut­lich mehr finan­zi­el­le Ressourcen und ein deut­li­ches Plus rechts­an­walt­li­cher Unterstützung verfügt?

Und wäh­rend das Gesetz im Paragrafendschungel ver­pufft, bleibt das Grundproblem unge­löst: Es fehlt an Wohnungen – bezahl­ba­ren, ver­füg­ba­ren, men­schen­wür­di­gen. Der Markt ruft nach Rendite, nicht nach Gerechtigkeit. Und der Staat bleibt ein höf­li­cher Mahner am Rande. Die Inflation hat in den letz­ten 5 Jahren zu Preiserhöhungen von 21,8 % geführt. Bis zu 20 Prozent Mieterhöhung inner­halb von drei Jahren sind zuläs­sigMehr bei Statista, Deutscher Mieterbund. Die gro­ßen Unterschiede in den Regionen sor­gen ver­mut­lich dafür, dass der Protest gegen die Entwicklung nicht grö­ßer ist.

Tarifbindung: Die schwindende Kraft der Solidarität

Ähnlich hilf­los wirkt der Staat auf dem Arbeitsmarkt. Nur noch 43 % der Beschäftigten in Deutschland arbei­ten unter dem Schutz eines Tarifvertrags. Die Folge: Löhne drif­ten aus­ein­an­der, Arbeitsbedingungen klaf­fen wie offe­ne Wunden zwi­schen Branchen, Regionen und Unternehmensgrößen.

Die Idee eines Tarifbindungsgesetzes liegt seit Jahren auf dem Tisch: Wer von staat­li­chen Aufträgen pro­fi­tie­ren will, muss sich an Tarifverträge hal­ten. Wer mit öffent­li­chen Geldern baut, pro­du­ziert oder berät, soll dies nicht auf dem Rücken der Beschäftigten tun.

Doch auch hier: Widerstand. Er kommt aus der bekann­ten Richtung – der Wirtschaftslobby, den Arbeitgeberverbänden, der FDP. Man spricht von unter­neh­me­ri­scher Freiheit, von Bürokratie, von dro­hen­der Marktverzerrung. Christian Lindner nann­te die Idee eines sol­chen Gesetzes ein­mal „eine ideo­lo­gi­sche Fessel, nicht eine Hilfe“.

Gegenläufige Impulse – und die Kräfte dahinter

Die Befürworter sit­zen links der Mitte: SPD, Die Linke, das neue Bündnis Sahra Wagenknecht. Auch Gewerkschaften wie der DGB oder die IG Metall schla­gen Alarm. Sie sehen, wie die Flächenwirkung der Tarifverträge schwin­det – und mit ihr der sozia­le Kitt, der einst die Bundesrepublik zusam­men­hielt. Offensichtlich schrei­ben die Wahlbürger die­sen Parteien kei­ne Lösungskompetenz zu. 

Doch par­al­lel dazu erle­ben wir eine ganz ande­re Bewegung:

– In der Immobilienpolitik for­dern FDP-​nahe Denkfabriken gar die Abschaffung der Mietpreisbremse, weil sie „Investitionen hemme“

– Manche CDU-​Politiker spre­chen sich für die Verlagerung auf kom­mu­na­le Eigenverantwortung aus – ein Klassiker des Föderalismus, oft mit dem Effekt poli­ti­scher Passivität

Im Bereich der Tarifbindung wird der­weil offen von einer frei­wil­li­gen Bindungskultur gespro­chen – eine Art Gentlemen’s Agreement in der Wirtschaft, das auf Selbstverpflichtung statt Gesetz ver­traut. Doch die Erfahrung zeigt: Wenn Regeln frei­wil­lig sind, wer­den sie sel­ten eingehalten.

Was bleibt, wenn Gesetze nicht greifen?

Vielleicht ist dies das gro­ße Paradox unse­rer Zeit: Der Staat schafft Gesetze – und doch regiert das Prinzip der Unverbindlichkeit. Die Mietpreisbremse bleibt ein Mahnmal poli­ti­scher Zaghaftigkeit, das Tarifbindungsgesetz ein Hoffnungsschimmer ohne Fundament.

So lan­ge man den Markt hofiert, aber den Menschen zur Randnotiz macht, wer­den Gesetze blei­ben, was sie sind: gut gemeint – und doch machtlos.

Und wäh­rend die Diskussion wei­ter­geht, stei­gen die Mieten, blei­ben für vie­le die Lohnentwicklung hin­ter der Inflationsentwicklung zurück – und der sozia­le Friede wird zur stil­len Hypothek einer Gesellschaft, die das Gleichgewicht schon ver­lo­ren hat. Für die Rentner, die weni­ger als 1300 € im Monat zur Verfügung haben, sieht es sicher schlecht aus. Dass es sich um 25 % aller Rentenempfänger han­delt, ist ja bekannt. Ich bin gespannt, wie bei der Haushaltslage die viel zu klei­nen Renten je wie­der auf ein halb­wegs hin­rei­chen­des Niveau klet­tern sollen.

„Wenn eine durch Kredite auf­ge­bläh­te Nachfrage auf eine aus­ge­las­te­te Volkswirtschaft trifft, dann ist das grund­sätz­lich ein Inflationsrisiko“, erklär­te Commerzbank-​Chefvolkswirt Krämer 


Wie sich die stark erhöh­te Kreditaufnahme des Bundes auf die Inflation aus­wir­ken wird, ist nicht abseh­bar. Dass dies sei­nen Niederschlag auch in der Inflation fin­det, ist gut möglich.


Quellen zum Weiterlesen:


HS230625


Horst Schulte, Blogger und politisch interessierter Rentner aus dem Rheinland. Schreibt mit Leidenschaft über Gesellschaft, Medien und Zeitgeschehen – pointiert, kritisch und mit Herz.

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Kategorie: Gesellschaft

Schlagworte: Mietpolitik SozialeGerechtigkeit Tarifbindung

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