Neue Narrative gefällig?

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AfD, Migrationspolitik, SozialeNetzwerke

Frank Stauss erklärt den AfD-Aufstieg vor allem über die Wirkung bestimmter Narrative nach 2015. Doch die Ursachen liegen tiefer: im fortdauernden Staatsversagen, in ungelösten Integrations- und Sicherheitsproblemen – und im toxischen Einfluss sozialer Netzwerke, wie Ferdinand von Schirach gestern bei Markus Lanz in anderen Zusammenhängen mahnte.

Frank Stauss’ Aussage in seinem Artikel vom 28. August, die Flüchtlingsbewegung von 2015 sei nicht der Auslöser des AfD‑Erfolgs, ist rhetorisch geschliffen und provoziert Zustimmung – jedenfalls des links/grünen Lagers. Ich frage mich, was er mit diesem Text eigentlich beabsichtigt. Möchte er Merkel, was ich sympathisch fände, zur Seite springen, weil er (wie ich) die zahllosen übertrieben böswilligen Kommentare im Zusammenhang mit dem 10. Jahrestag von „Wir schaffen das“ nicht mehr hören kann? Lohnt es sich, die Argumentation kritisch zu prüfen? Ich versuche es.

In Köln ging man weiter, indem eine kleine Gruppe von Menschen (soweit ich weiß, übrigens ohne demokratische Legitimation) das Thema Migration aus dem Kommunalwahlkampf heraushalten will. Alle Parteien konnten sich diesbezüglich verständigen, ausgenommen die AfD!

Mehr als ein Krisenbild

Ja, die AfD war vor 2015 bereits da – aber ohne echte Strahlkraft. Erst nach und nach wichen die Bilder leidender Menschen und der Hilfsbereitschaft im Land, einer Wahrnehmung der politischen Handlungsunfähigkeit, ließen die Partei in den Fokus rücken. Doch wichtiger als dieses Ereignis allein ist die langfristige Verunsicherung: schleppende Asylverfahren, unklare, fehlschlagende Integrationspolitik, abgeschlossen wirkende Versprechen und gescheiterte Abschiebungen – all das summierte sich über Jahre hinweg zu einem Stimmungsberg, von dem die AfD profitierte.

Der eigentliche Turning-Point kam im Sommer 2023, als die AfD erstmals die 20% in den Umfragen erreichte. Da war Frau Merkel aber schon längst nicht mehr im Amt und das Jahr 2015 lag 8 Jahre zurück.

Quelle

Dass während der Jahre nach 2015 mal mehr und mal viel mehr Flüchtlinge ins Land kamen, war ein wichtiger Umstand, den Stauss nicht erwähnt. Mit der Zahl der insgesamt ins Land strömenden Menschen entstand erst nach und nach die Ablehnung, und es zeigte sich auf der anderen Seite das Unvermögen, ja vielleicht auch manchmal der Unwille, dem Problem nachhaltig zu begegnen. Diese Nichtreaktion der Politik (links und rechts) hat zu den Werten geführt, die die AfD schließlich erreicht hat. Bisher hat sich an diesem einfachen Mechanismus kaum etwas verändert. Man sieht das eindrucksvoll an den Umfragewerten der Rechtsextremen.

Merkel als Sündenbock? Mitnichten nur symbolisch

Angela Merkel wurde zum Projektionsfeld für ein aufgestautes Unbehagen. Ihr „Wir schaffen das“ wirkte für viele wie ein moralischer Imperativ – und für andere als provokante Symbolpolitik. Stauss lässt diesen Deutungsrahmen weitgehend außen vor. Genau hier aber liegt ein zentraler Punkt: Die Wahrnehmung, dass Entscheidungen weniger Staatsführung als moralische Gesten waren, nährte Frust und öffnete Populisten Türen.

Die unterschätzte Gefahr: Soziale Netzwerke

Ein besonders bedrückender Aspekt wurde in Stauss’ Analyse kaum berücksichtigt – die Rolle sozialer Medien. Ferdinand von Schirach warnte, freilich in anderen Zusammenhängen, gestern bei Markus Lanz eindringlich:

„Die größte Bedrohung für unsere Demokratie sind die sozialen Netzwerke.“ 

Zudem äußerte er sich wiederholt kritisch über Social Media als Ort der Entwürdigung:

„Menschen werden gedemütigt, entwürdigt und zerstört“ 

Dieses Gift – algorithmisch erzeugte Empörung, Polarisierung, die Radikalisierung in Echokammern – verstärkt Schuldzuweisungen und reduziert komplexe Themen zu einfachen Narrativen. Gerade diese Mechanismen haben die AfD-Botschaften über Jahre hinweg verstärkt und normiert.

Fehlentwicklungen mit Geld kaschiert – das ist jetzt vorbei

Der Aufstieg der AfD lässt sich nur verstehen als Zusammenspiel aus einem Ereignis (2015), strukturellem Unbehagen innerhalb unserer Bevölkerung und einer gefährlichen digitalen Dynamik. Stauss hat recht: Ein Ereignis allein hat die AfD nicht zur Blüte gebracht. Es sind einige Fehler gemacht worden. Aber keiner hat ein so hohes Hasspotenzial wie das Thema Migration. Gepaart mit den Möglichkeiten der asozialen Medien haben wir es mit einem Problem zu tun, dass die einen glauben mit Reglementierungen und Verboten aus der Welt schaffen zu können, die anderen meinen noch immer, in ihrer sinnvollen Nutzung läge ein Vorteil für die Demokratien. Ich halte es derweil mit Ferdinand von Schirach. Bei seinen Aussagen bezüglich Israel bin ich anderer Ansicht als er. Er hat seine Haltung allerdings verständlich erklärt.

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