Manche werden meine Meinung teilen, voll oder zum Teil. Andere werden mit dem Kopf schütteln oder sich ihr Teil denken. Aber: ins Blog kotzt mir niemand. Das ist der kleine, aber feine Vorteil, den persönliche Blogs gegenüber Social Media haben. Das ist eine Frage der Quantität, wobei sich nach Ansicht der meisten Blogger das Verhältnis von Quantität zu Qualität in Blogs günstiger ausnimmt. Dort, in den asozialen Medien, sind die Chancen, angefeindet zu werden, deutlich höher – fast schon garantiert!
Heute Morgen habe ich wieder zwei Artikel von Welt Online gelesen. Sie haben mich in meiner Abneigung gegen dieses Springer-Universum bestärkt. Kaum ein Tag, an dem dort nicht Grüne oder Bürgergeldempfänger:innen im Zentrum der Abwertung stehen. Es ist ein ewiges Schimpfen, ein sich Luftmachen im Negativen. Dass rechte Narrative gerade dort immer noch so mühelos verfangen, zeigt für mich, wohin die gesellschaftliche Reise geht. Mit Anstand und Vernunft hat das so wenig zu tun wie ein AfD-Parteitag mit gelebter Demokratie.

Ricarda Lang und die Debatte um akademische Titel
Der aktuelle Anlass: Ricarda Lang, ehemalige Grünen-Chefin, hat ihren Bachelor of Law bestanden und will den Master gleich anschließen. Sie ist 31 Jahre alt und hat ihr Leben bislang fast ausschließlich der Politik gewidmet. Man könnte sagen: Sie hat ihre Jugend in den Dienst der Demokratie gestellt.
Man muss nicht mit ihr übereinstimmen. Aber die Häme, die in den Kommentarspalten von Welt Online immer noch über sie ausgeschüttet wird, verrät mehr über die Absender als über Lang selbst. Da ist etwa der Leser, der spöttisch betont, seine Tochter habe schon mit 24 ihren Abschluss gehabt und arbeite längst. Andere zweifeln gleich den Wert eines Bachelors oder einer Berliner Uni ab. Es ist die immergleiche Herabsetzung: Politikerinnen und Politiker gelten dort nicht als arbeitend für die Allgemeinheit, sondern als privilegiert und unproduktiv.
Solche Kommentare sind keine kritischen Einwände, sondern Abwertungsrituale. Sie offenbaren eine Haltung, die Politik nur in Misstrauen und Verachtung denkt.
Bürgergeld als Dauerbrenner
Parallel dazu stieß ich auf ein Video, das CDU-Generalsekretär Carsten Linnemanns altes, neues Steckenpferd „Sozialmissbrauch“ behandelte. Er schimpft in jede Kamera, in jedes Mikro über den Missbrauch durch Bürgergeldempfänger, und der Bild-Chef durfte sozusagen flankierend seinen Kommentar ablassen und die Botschaft verstärken. Er will das auf gar keinen Fall Bärbel Bas überlassen. Dabei hat sie sich des Themas vor allem kraft Zuständigkeit angenommen …
Natürlich muss Missbrauch des Sozialsystems verhindert werden – das sehe ich wie Linnemann oder auch wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die das Thema längst aufgegriffen hatte. Aber Linnemann belässt es nicht bei der Sachfrage. Seine Worte sind Munition für jene, die Bürgergeldempfänger pauschal als „Schmarotzer“ abtun.
Das Muster ist altbekannt: Einzelne Missbrauchsfälle werden generalisiert, um Ressentiments zu bedienen. Und Springer liefert die Bühne, damit Empörung und Vorurteile im Takt der Schlagzeilen zirkulieren.
Warum diese Zeiten so sind
Am Ende bleibt die Frage: Warum gehen wir so miteinander um? Warum müssen wir verbal auf alle einprügeln, die anders denken, leben oder politisieren?
Die einfache Antwort lautet: Weil wir es können. Die sozialen Medien bieten die perfekte Bühne, Blogs sind in kleinerem Maßstab nicht ausgenommen. Doch Selbstkontrolle, Zurückhaltung, ja ein Minimum an Fairness – das ist rar geworden. Stattdessen gilt das Faustrecht der Lautstarken.
Vielleicht liegt hier die eigentliche Krise unserer Debattenkultur: Nicht im Dissens selbst, sondern in der Lust, den anderen möglichst zu erniedrigen. Demokratie lebt aber nicht vom Vernichten, sondern vom Aushalten, vom Dulden anderer Meinungen.
Traurig, jeder kann anonym hetzen, wie er oder sie lustig ist … Es sind so viele User, wer soll da noch was zur Anzeige bringen können …
@SuMu: Es nützt ja nichts, dagegen mit Anzeigen anzukämpfen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten:
1.) Die Nutzung verbieten, die asozialen Netzwerke trockenlegen – was natürlich kaum denkbar ist.
2.) Das Ganze laufen lassen, nicht regulieren, sondern austrocknen. Irgendwann verlieren die Leute die Lust am Destruktiven. Außerdem müssen wir auch lernen, mehr auszuhalten.
Ich sehe keine anderen Alternativen.
@Horst Schulte: ich denke, wenn man angezeigt wird und die Geld-Strafen richtig hoch wären … wäre ein Versuch wert.
Allerdings bräuchte die EU unbedingt EU-Netzwerke, sieht leider nicht danach aus.
Ich glaube, viele nutzen die Sozialen Netzwerke, um ihren seelischen Müll anonym loszuwerden, dazu gehört auch Hetze, Hass etc. Am besten noch unter Drogen etc. So schön enthemmt, dazu dann die vielen ungebildeten. Ich will gar nicht wissen, wie viele Bots/Bot-Farmen es gibt, die politisch Einfluss nehmen.
@SuMu: Strafen bringen wohl wenig. Du erinnerst dich an die völlig überzogene Strafe (SEK–Einsatz, Hausdurchsuchung etc.), die aufgrund einer Anzeige von Robert Habeck erfolgte und von denen die Rechten (Freunde der Meinungsfreiheit) bis heute profitieren. Wer straft wen auf welche Weise, wäre schlussendlich die Frage. Und solange sich welche davon angespornt fühlen, wenn solche Reaktionen auf Hass und Hetze erfolgen, kommen wir nicht weiter.
Mir wäre der komplette Verzicht auf die asozialen Netzwerke am liebsten. So würden übrigens auch Kinder vor diesem ganzen Dreck geschützt. Zumindest sehr viel besser als heute. Ja, ich würde auch YouTube und TikToc einschränken.
Ich lese das garnicht mehr. Ich denke, SuMu hat Recht: Die Menschen brauchen ein Ventil, um ihren seelischen Müll loszuwerden. Und glauben immer Recht zu haben. Ich erlebe das jeden Tag im Job: Eine Verfehlung, die man früher mit einer Entschuldigung aus der Welt geschaffen hätte, endet heute mit wüsten Beschimpfungen über angebliche Unzulänglichkeiten und grundsätzliche Zweifel an der Person.
@Peter Lohren: Ja, das ist sich wahr. Allerdings kann ich mich diesem Wahnsinn nicht ganz entziehen. Und das, obwohl ich fast alle asozialen Medien meide. Wir werden nicht darum herumkommen, uns mit diesem Wahnsinn auseinanderzusetzen. Woran es liegt, dass die Leute immer aggressiver werden, wüsste ich ehrlich gesagt, auch mal gerne.