Springer-Polemiken, Ricarda Lang und das Bürgergeld

stroke="currentColor" stroke-width="1.5" stroke-linejoin="round" stroke-linecap="round" /> 6 Kommentare

springer buergergeld ricarda lang

Springer-Medien nutzen Bürgergeld und Grünen-Politiker:innen wie Ricarda Lang als Dauerzielscheiben. Die Kommentarspalten sind voller Häme. Was das über unsere Debattenkultur verrät und warum wir uns im Netz so gerne gegenseitig zerlegen.

Manche werden meine Meinung teilen, voll oder zum Teil. Andere werden mit dem Kopf schütteln oder sich ihr Teil denken. Aber: ins Blog kotzt mir niemand. Das ist der kleine, aber feine Vorteil, den persönliche Blogs gegenüber Social Media haben. Das ist eine Frage der Quantität, wobei sich nach Ansicht der meisten Blogger das Verhältnis von Quantität zu Qualität in Blogs günstiger ausnimmt. Dort, in den asozialen Medien, sind die Chancen, angefeindet zu werden, deutlich höher – fast schon garantiert!

Heute Morgen habe ich wieder zwei Artikel von Welt Online gelesen. Sie haben mich in meiner Abneigung gegen dieses Springer-Universum bestärkt. Kaum ein Tag, an dem dort nicht Grüne oder Bürgergeldempfänger:innen im Zentrum der Abwertung stehen. Es ist ein ewiges Schimpfen, ein sich Luftmachen im Negativen. Dass rechte Narrative gerade dort immer noch so mühelos verfangen, zeigt für mich, wohin die gesellschaftliche Reise geht. Mit Anstand und Vernunft hat das so wenig zu tun wie ein AfD-Parteitag mit gelebter Demokratie.

Ricarda Lang und die Debatte um akademische Titel

Der aktuelle Anlass: Ricarda Lang, ehemalige Grünen-Chefin, hat ihren Bachelor of Law bestanden und will den Master gleich anschließen. Sie ist 31 Jahre alt und hat ihr Leben bislang fast ausschließlich der Politik gewidmet. Man könnte sagen: Sie hat ihre Jugend in den Dienst der Demokratie gestellt.

Man muss nicht mit ihr übereinstimmen. Aber die Häme, die in den Kommentarspalten von Welt Online immer noch über sie ausgeschüttet wird, verrät mehr über die Absender als über Lang selbst. Da ist etwa der Leser, der spöttisch betont, seine Tochter habe schon mit 24 ihren Abschluss gehabt und arbeite längst. Andere zweifeln gleich den Wert eines Bachelors oder einer Berliner Uni ab. Es ist die immergleiche Herabsetzung: Politikerinnen und Politiker gelten dort nicht als arbeitend für die Allgemeinheit, sondern als privilegiert und unproduktiv.

Solche Kommentare sind keine kritischen Einwände, sondern Abwertungsrituale. Sie offenbaren eine Haltung, die Politik nur in Misstrauen und Verachtung denkt.

Bürgergeld als Dauerbrenner

Parallel dazu stieß ich auf ein Video, das CDU-Generalsekretär Carsten Linnemanns altes, neues Steckenpferd „Sozialmissbrauch“ behandelte. Er schimpft in jede Kamera, in jedes Mikro über den Missbrauch durch Bürgergeldempfänger, und der Bild-Chef durfte sozusagen flankierend seinen Kommentar ablassen und die Botschaft verstärken. Er will das auf gar keinen Fall Bärbel Bas überlassen. Dabei hat sie sich des Themas vor allem kraft Zuständigkeit angenommen …

Natürlich muss Missbrauch des Sozialsystems verhindert werden – das sehe ich wie Linnemann oder auch wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die das Thema längst aufgegriffen hatte. Aber Linnemann belässt es nicht bei der Sachfrage. Seine Worte sind Munition für jene, die Bürgergeldempfänger pauschal als „Schmarotzer“ abtun.

Das Muster ist altbekannt: Einzelne Missbrauchsfälle werden generalisiert, um Ressentiments zu bedienen. Und Springer liefert die Bühne, damit Empörung und Vorurteile im Takt der Schlagzeilen zirkulieren.

Warum diese Zeiten so sind

Am Ende bleibt die Frage: Warum gehen wir so miteinander um? Warum müssen wir verbal auf alle einprügeln, die anders denken, leben oder politisieren?

Die einfache Antwort lautet: Weil wir es können. Die sozialen Medien bieten die perfekte Bühne, Blogs sind in kleinerem Maßstab nicht ausgenommen. Doch Selbstkontrolle, Zurückhaltung, ja ein Minimum an Fairness – das ist rar geworden. Stattdessen gilt das Faustrecht der Lautstarken.

Vielleicht liegt hier die eigentliche Krise unserer Debattenkultur: Nicht im Dissens selbst, sondern in der Lust, den anderen möglichst zu erniedrigen. Demokratie lebt aber nicht vom Vernichten, sondern vom Aushalten, vom Dulden anderer Meinungen.

Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

- alleiniger Autor dieses Blogs -

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

hs010225 a

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


6 Gedanken zu „Springer-Polemiken, Ricarda Lang und das Bürgergeld“

  1. Traurig, jeder kann anonym hetzen, wie er oder sie lustig ist … Es sind so viele User, wer soll da noch was zur Anzeige bringen können …

  2. Ich lese das garnicht mehr. Ich denke, SuMu hat Recht: Die Menschen brauchen ein Ventil, um ihren seelischen Müll loszuwerden. Und glauben immer Recht zu haben. Ich erlebe das jeden Tag im Job: Eine Verfehlung, die man früher mit einer Entschuldigung aus der Welt geschaffen hätte, endet heute mit wüsten Beschimpfungen über angebliche Unzulänglichkeiten und grundsätzliche Zweifel an der Person.

Mehr lesen aus dieser Kategorie

Wie hält man die Bilder des Krieges aus?
bilder des krieges

Flüchtlinge, Gesellschaft

Wie hält man die Bilder des Krieges aus?

Links und Rechts – warum die alten Pole wieder so hart aufeinandertreffen
links rechts konflikt

Gesellschaft

Links und Rechts – warum die alten Pole wieder so hart aufeinandertreffen

Zwischen Wahrheit und Täuschung: Die Rolle des BND im 2. Irakkrieg
curveball bnd schroeder irakkrieg

Gesellschaft

Zwischen Wahrheit und Täuschung: Die Rolle des BND im 2. Irakkrieg

🌻 Freundlichkeit kostet nichts – bringt aber viel.