Manche Stimmen dröhnen lauter als der Rest. Sie zeichnen Schreckensszenarien an die Wand: Kriege, die morgen (letzter Friedenssommer) ausbrechen könnten. Klimakatastrophen, die uns in fünf Jahren wegfegen. Selbst der Trost einer brummenden Wirtschaft bleibt aus. „Wir können uns dieses System, das wir heute so haben, einfach nicht mehr leisten“, sagt der Kanzler. Nicht nur einmal! Wir verfolgen die Debatte, die der Satz prompt auslöste – in Deutschland wohl einfach auslösen musste. Gleich einem Naturgesetz bestätigte Bärbel Bas (SPD) das im Wahlkampf in NRW. Bei manchen Gelegenheiten gehen die Gäule mit den Politikern schon einmal durch.
Dabei glaubt doch jeder zu wissen, wohin der Zug fährt bzw. nicht fährt. Schließlich ist dies das Land, in dem die Deutsche Bahn alternative Verkehre zum Beispiel zum Schutz der Umwelt durch grandioses Missmanagement für viele Jahre verhindert.
Mit flatterndem Herzen bleiben wir zurück. Es dominiert die Frage: Wohin bloß mit all den Sorgen und unserer Angst? Stecken wir sie in einen Vertrauensvorschuss für die AfD oder gibt es doch noch einen Rest von Vernunft in diesem Land?
Die legendäre German Angst – sie hat es sogar in angelsächsische Wörterbücher geschafft und sie klebt an uns wie ein Schatten. Während andere Nationen für Lebensfreude stehen (hohen Staatsschulden zum Trotz), sind wir die Meister der Sorge. Doch was, wenn wir diese Angst nicht nur tragen, sondern auch gestalten? Welche Rolle spielen in diesem Stück eigentlich unsere vorgeblich ja stets auf umfassende Informationen der Zuschauer ausgerichteten, in Wahrheit vor allem aber nicht selten doch unverantwortlich handelnden und gnadenlosen Journalisten? Sie schmieden beständig Beschuldigungen, Vorwürfe und Fragen. Antworten kann man von diesen Leuten nicht erwarten! Wie ist zu erklären, dass – kaum ist die alte Regierung heruntergeschrieben und zurückgetreten – die folgende innerhalb einer Rekordzeit noch schlechtere Umfragewerte erhält? Oh, ich behaupte nicht, dass beide Regierungen keine Fehler gemacht hätten. Aber diesen Grad an Beeinflussung der veröffentlichten Meinung hatten wir aus meiner Sicht in diesem Land noch nie.
Die Sprache der Angstmacher
Ob es um einen russischen Angriffskrieg gegen Nato-Staaten geht, das Kippen des Weltklimas, die höchste Arbeitslosenzahl seit 10 Jahren, die schrumpfende Wirtschaft, den Verfall unserer Autoindustrie, die Szenarien gleichen sich: Prognosen, die wie Blitz und Donner in die Debatte krachen. Sie fordern Aufmerksamkeit – und finden sie. Denn Angst ist ein machtvoller Motor, sie zwingt uns, hinzusehen, selbst wenn wir lieber wegsehen.
Die zwei Fluchtwege
Viele reagieren mit Abwehr: „Alles Panikmache!“ – ein Satz, der sich bequem wie ein Mantel über die Kälte der Bedrohung legt. Andere lassen sich fesseln von der Angst, verlieren die Freiheit der Gedanken, weil das Ende in greifbarer Nähe scheint. Beide Haltungen sind verständlich, beide sind sie menschlich. Aber beide führen in Sackgassen.
Das fragile Gleichgewicht
Vielleicht ist es gerade das Schwierigste: eine Mitte zu finden. Weder in Panik verfallen, noch die Ohren verschließen. Aufmerksam bleiben, kritisch hinterfragen, nicht jedem Untergangsszenario die Seele öffnen – aber auch nicht jede Warnung wegwischen. Eine fragile Balance, die uns niemand abnimmt.
Ein Rat im Lärm der Gewissheiten
Die Welt ist voller Experten, voller Stimmen, die laut rufen: „Ich weiß es besser!“ Wir können sie nicht zum Schweigen bringen, wir können nur lernen, mit dem Chor umzugehen. Vielleicht, indem wir uns selbst zugestehen, dass niemand die Zukunft kennt. Und dass es manchmal klüger ist, Unsicherheit auszuhalten, statt in Schwarz oder Weiß zu fliehen.
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