Europa wacht wieder einmal zu spät auf. Während in Washington ein 28-Punkte-Plan gezimmert wird, der Russland Territorium, Sicherheitsgarantien und faktische Einflusszonen sichert, liest der deutsche Kanzler von diesem „Friedensplan“ aus der Zeitung – nicht aus der Verbündetenpost. Das ist nicht nur ein Protokollfehler, das ist eine Demütigung, die der Realität entspricht: Für die Trump-Administration ist Europa Kulisse, nicht Partner.
Die Konstruktion dieses Plans trägt den Stempel einer zynischen Realpolitik, in der russische Forderungen erstaunlich gut, ukrainische Sicherheitsinteressen erstaunlich schlecht aufgehoben sind. Gebietsabtretungen, Verzicht auf Nato-Mitgliedschaft, Beschneidung der ukrainischen Armee – das Paket liest sich eher wie ein Memorandum aus Moskaus Sicherheitsrat als wie ein Dokument westlicher Solidarität mit einem angegriffenen Staat. Wenn US-Offizielle nebenbei erklären, man habe Europa bewusst draußen gehalten, weil „zu viele Köche“ stören und die Europäer der Ukraine zu nahe stehen, dann ist das nichts anderes als der offene Bruch mit der Idee eines gemeinsamen Westens.
Das eigentliche Problem liegt tiefer: Trump behandelt den Krieg in der Ukraine wie eine amerikanisch-russische Bühne, auf der er sich als Deal-Maker inszeniert – Europa ist maximal Statist, die Ukraine Verhandlungsmasse. Der „Friedensplan“ wird als atmendes Dokument verkauft, aber der Sauerstoff stammt aus Washington und Moskau; europäische Anliegen und ukrainische Souveränität werden nur dort eingepasst, wo sie das Drehbuch nicht stören. Dass europäische Spitzenpolitiker anschließend in Hektik zwischen G20-Gipfel und Genf pendeln müssen, um wenigstens die gröbsten Zumutungen aus dem Text zu streichen, zeigt vor allem eines: Europa reagiert, die Trump-Administration definiert die Ausgangslage.
Besonders fatal ist die Bereitschaft der USA, zentrale Druckmittel gegenüber Russland – eingefrorene Vermögenswerte, sicherheitspolitische Zusagen, langfristige Architektur europäischer Sicherheit – in bilaterale Deals umzubauen, bei denen europäische Regierungen nur nachträglich „eingebunden“ werden. Was als Friedensinitiative etikettiert wird, ist in der Logik Trumps vor allem ein geopolitisches Tauschgeschäft: Konzessionen an Moskau gegen innenpolitische Verzällcher eines schnellen „Deals“, mit der Ukraine als Bittsteller und Europa als Zahler ohne Vetorecht. Wer so verhandelt, sendet nach Moskau ein klares Signal: Aggression rechnet sich, solange sie sich als Verhandlungsmasse in US-Wahlkampfnarrative übersetzen lässt.
Europa versucht derweil, mit hektisch nachgereichten „eigenen Plänen“ den Eindruck nachzuholen, es habe noch eine Stimme. In Wahrheit ist das bereits der zweite Akt einer Entmündigung: Erst überlässt man die Initiative jahrelang Washington, dann ist man fassungslos, wenn der angebliche Verbündete plötzlich gemeinsam mit Moskau über die Zukunft des Kontinents verhandelt. Es ist bezeichnend, dass europäische Diplomaten in Genf darum kämpfen müssen, dass Fragen, die die NATO und die EU unmittelbar betreffen, überhaupt aus dem US-Papier herausgenommen oder in einen separaten Prozess verschoben werden. Wer seine Sicherheitsordnung anderen anvertraut, darf sich nicht wundern, wenn am Ende in Washington und im Kreml entschieden wird, wie viel Souveränität die Ukraine „vernünftigerweise“ behalten darf – und wie viel strategische Autonomie Europa sich noch leisten kann.



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