Zwischen Forderungen nach Parteiverboten und lautstarken Warnungen vor Extremismus klingt ein neues Wort auf: PRÜF! Die Kampagne, initiiert von Nico Semsrott, will nicht den schnellen Bannhammer, sondern eine rechtsstaatliche Prüfung. Diese Petition heißt: „PRÜF Hamburg, PRÜF“. Man denkt gleich an das einschlägige Kommando, das man Hunden zuruft. Ist das nun ein Signal in aufgeregten Zeiten mit ironischem Unterton? Es klingt wie Satire, weil auf der gleichen Plattform eine Petition namens »Prüft ein AfD-Verbot!« existiert. Diese hat natürlich aufgrund ihrer längerwährenden Präsenz fast 1,2 Mio. Zeichner.
Beitrag Deutschlandfunk
Auf WHUDAT.de wird die neue Initiative von Semsrott so beschrieben:

„Es geht nicht um Wut, sondern um Konsequenz. Um die nüchterne, aber entschlossene Anwendung rechtsstaatlicher Mittel.“
Konkret fordert PRÜF!, dass der Bundesrat ein Prüfverfahren beim Bundesverfassungsgericht anstößt. Geprüft werden soll, ob Parteien die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) aktiv gefährden. Nicht Empörung, sondern Prozess. Nicht Slogans, Handlungsbereitschaft wird erwartet.
Diese Sprachverschiebung – von Verbieten zu Prüfen – ist vielleicht klug gewählt. Anderseits erkennt doch jeder, was dahintersteckt. Sie nimmt einer abgeflachten Debatte das letzte Alarmistische und könnte ihr stattdessen eine Rechtssicherheit geben, die aber durch die Vorarbeit des Verfassungsschutzes ohnehin in schwierigem Fahrwasser steckt. Vielleicht zielt die Initiative weniger auf symbolhafte Politik, sondern auf Überzeugung durch rechtsstaatliche Faktoren. Wahrscheinlich soll sie das herüberbringen. Ob das aber gelingt?
Initiator Nico Semsrott, Jahrgang 1986, war viele Jahre als Satiriker, Kabarettist und Poetry-Slammer bekannt, bevor er 2019 ins Europäische Parlament einzog. Er gehörte zunächst der Partei DIE PARTEI an, trat später aus und blieb als Unabhängiger aktiv.
Seine politische Haltung war stets von Skepsis gegenüber Machtstrukturen und bürokratischer Erstarrung geprägt. Mit PRÜF! wendet er diese Haltung konstruktiv an: Statt bloßer Ironie bringt er eine Idee ein – eine Kampagne, die weniger auf Attacke setzt. Wie erfolglos diese in der Vergangenheit im Hinblick auf den Status quo der rechtsextremen AfD ist, wissen wir.
Die Absicht: Rechtsstaatlichkeit statt Reflex
PRÜF! wünscht das Vertrauen in die Mechanismen der Demokratie zurückzuholen. Das wäre ein guter, ein vernünftger Ansatz. Aber im Ergebnis liefe auch ein juristischer Prozess auf ein Parteiverbot der Partei hinaus. Die Forderung lautet: Wenn Institutionen schon Mittel besitzen, um Demokratiefeinde zu prüfen, warum nutzen sie sie nicht? Die Kampagne schafft Bewusstsein dafür, dass die wehrhafte Demokratie nicht in Sonntagsreden lebt, sondern auf einer Ebene in juristischen Prozessen.
Statt den politischen Gegner zu dämonisieren, fordert sie: Prüft ihn. Ist das nicht Verarsche pur? Jeder weiß doch, welche Absichten die Vordenker der Demokratie verfolgen. Und wenn der Rechtsstaat irgendwann ein Urteil fällt, ist dies keine Machtdemonstration, sondern eine Folge von Regeln, die vielleicht Tragfähigkeit besitzt, solange sie noch einer versteht. Ich bin nicht sicher.
Der juristische Hintergrund
Das Grundgesetz kennt den Weg. Nach Artikel 21 Abs. 2 GG kann das Bundesverfassungsgericht eine Partei verbieten, wenn sie die FDGO aktiv bekämpft. Dazu braucht es einen Antrag – gestellt vom Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung. Ein solcher Antrag muss auf Belegen beruhen, nicht auf Bauchgefühl.
Genau hier setzt PRÜF! an: Sie fordert, dass diese Prüfung endlich systematisch und transparent geschieht. Das kann ich aus voller Überzeugung unterstützen. Am Ende könnte ein Parteiverbotsverfahren stehen. Den Unterschied macht der Weg dorthin: Nicht Emotionen, sondern juristische Erkenntnisse führen zu Maßnahmen -oder nicht.
Auf WHUDAT.de wird betont, dass PRÜF! keine Ein-Tages-Kampagne ist (Marathon). Geplant sind Demonstrationen in Landeshauptstädten, politische Gespräche, Informationsarbeit. Eine Bewegung also, die nicht auf Lautstärke, sondern auf Kontinuität setzt. Das ist vielleicht der stärkste Zug der Initiative: Sie zeigt, dass Demokratieschutz nicht aus Panik, sondern aus Geduld entstehen kann.
Offene Fragen
Natürlich bleibt Skepsis erlaubt. Wer entscheidet, welche Partei überhaupt „prüfwürdig“ ist? Wie verhindert man, dass der Begriff „Prüfung“ zum Euphemismus für politische Ausgrenzung wird? Und: Wird der Bundesrat tatsächlich den Mut aufbringen, einen solchen Antrag zu stellen?
Doch selbst mit diesen Fragezeichen ist PRÜF! mehr als ein Symbol. Es ist ein Appell, die juristischen Werkzeuge zu nutzen, die der Demokratie längst zur Verfügung stehen.
PRÜF! ist kein Schrei, sondern ein Satzzeichen – ruhig, klar, fordernd. Eine Einladung, den Rechtsstaat ernst zu nehmen, bevor die Emotion ihn ersetzt. Nico Semsrott könnte damit etwas schaffen, das selten gelingt: eine Kampagne, die Haltung zeigt, ohne in Pathos zu verfallen. Vielleicht beginnt genau hier die nächste Stufe demokratischer Selbstverteidigung – mit einem Wort, das prüft, bevor es richtet.



Sieht nach einer sehr guten Idee aus, hoffe, das zieht auch weite Kreise!
@SuMu: So richtig überzeugt bin ich noch nicht. Aber diese Lösung wäre offener und dem alten alten Grabenkämpfen deshalb vielleicht überlegen.
Finde ich eine gute Idee.
Kontinuität mit einer klaren Botschaft.
@Luisa: Ich habe nicht verstanden, worin die Kontinuität liegt? Wir sehen, dass die Umfrageergebnisse der AfD weiter steigen. Ich möchte hoffen, dass dieser Trend (falls es einer ist) sich umkehrt. Nur sollte eine Gesellschaft das nicht mit Verboten, sondern überzeugenden Maßnahmen und Ideen erreichen. Daran hapert es. Stattdessen greift man lieber zu Verboten. Typisch für diese Zeit.