Kapitalinteressen
Kommen wir zum pragmatischen Teil der Sache: Wenn ich von einer Sache überzeugt bin, dann davon, dass die deutsche Industrie nicht dabei zusehen wird, das der Zugang zum britischen Markt aufgrund des Austritts verloren ginge. Da sicher viele mit Sarah Wagenknecht der Meinung sind, dass die EU ohnehin nur das tut, was für die Kapitalisten am besten ist, ist nichts anderes zu erwarten, als das Lösungen dafür gefunden werden. Schließlich gehts um sehr viel Geld. Es muss also verhindert werden, dass sich die Waren im Wert von fast 90 Milliarden Euro, die Deutschland an die Briten liefert, nicht neue Absatzkanäle suchen müssen. Ich halte es für mehr als abwegig, etwas anderes zu glauben. Großbritannien ist unser drittwichtigster Absatzmarkt, Deutschland ist nach den USA der zweitwichtigste Markt für die Briten.Warum unter solchen Voraussetzung deutsche Investitionen in Großbritannien auf Eis gelegt werden sollten, kann ich auch nicht so recht nachvollziehen. Jetzt ist ja auch klar, dass die Briten es vorziehen, die EU zu verlassen. Also weiß die Wirtschaft, worauf sie sich mittelfristig einzustellen hat. Die Katastrophe wird ausbleiben – die wirtschaftliche jedenfalls. [bctt tweet=“Von der EU wird erwartet, dass sie ausstehende Reformen endlich anpackt.“ username=“horstjschulte“]#Brexit zeigt: Brüsseler Konzern-Lobbykratie hat Rückhalt der Menschen verspielt. #Europa muss sich ändern oder wird zerfallen.
— Sahra Wagenknecht (@SWagenknecht) 24. Juni 2016
Alles wird (vielleicht) gut
Ich glaube glaube, dass sich die Dinge finden werden, die die Menschen in den letzten Tagen offenbar am meisten bewegt haben. Ich drücke den Briten die Daumen, dass die Szenarien, die manche an die Wand gemalt haben, nicht eintreten werden. Übrigens hoffe ich das im gesamt-europäischen Interesse und nicht zuletzt natürlich in unserem eigenen.Was wird aus der EU?
Bedrohlich finde ich die möglichen Folgewirkungen für die EU, Stichwort: Dominoeffekt. Wir hören bereits die Stimmen der Europa-Hasser in Frankreich, den Niederlanden und anderswo. Sie und manche anderen werden das britische Votum nutzen, um noch vehementer Referenden in ihren Ländern zum Verbleib in der EU zu fordern. Der österreichische Bundeskanzler hat gesagt, in seinem Land werde es kein Referendum geben. Woher will er das so genau wissen? Wird der Druck erst groß genug und schafft Hofer, wenn er denn beim nächsten Versuch gewählt wird, die Mehrheit, könnte er doch die Regierung flugs absetzen. Dann sieht alles anders aus. Die FPÖ wird das Referendum sehr wohl durchführen. Ausgang offen. Das Versagen bei Wahlen ist Wasser auf die Mühlen der Demokratiefeinde. Deren Stimmen werden auf diese Weise immer lauter. Und wer weiß schon, was hier passiert, wenn der Druck der Demokratiefeinde weiter zunimmt und die deutsche Regierung sich mit der ganz gewiss immer lauter werdenden Forderung nach einem Referendum über unseren Verbleib in der EU konfrontiert sehen wird? Ich glaube, es ist für viele Menschen wenig überzeugend, wenn sich verantwortliche Politiker über Referenden derart äußern, wie es auf europäischer und auf deutscher Ebene einige mehrfach getan haben. [symple_highlight color=“blue“]Solche Positionen sind in meinen Augen in diesen Zeiten nicht mehr haltbar.[/symple_highlight] Im Übrigen stützt solche Positionen massiv die auch von undemokratischen Kräften gern betonte Abgehobenheit (Elitenkritik) der politischen Klasse und deren Distanz zum „einfachen Volk“. Das interessiert die Leute. Wir haben es zuletzt in Österreich bei den Wahlen zum Bundespräsidenten gesehen und jetzt in Großbritannien. Die Wahlbeteiligung lag jetzt bei 72%. Das ist, verglichen mit anderen Wahlen zum Thema Europa, ein hoher Wert. In Deutschland lag die Wahlbeteiligung bei der letzten Bundestagswahl etwa bei 71 %.Keiner mehr da, der blockiert?
Von der EU wird erwartet, dass sie ausstehende Reformen endlich anpackt. Parlamentspräsident Martin Schulz hatte im Jahr 2013 die Versäumnisse den Briten in die Schuhe geschoben. Sie seien verantwortlich, dass bisher nichts passiert sei, weil sie die notwendigen Beschlüsse blockiert hätten. Das ist ja nun Geschichte. Ich bin mal gespannt, ob nun endlich das passiert, worauf so viele Bürgerinnen und Bürger dieser EU lange warten. Es ist mehr als seltsam, dass schon allein aufgrund der Misere rund um die Flüchtlingskrise nicht längst mehr Sichtbares passiert ist. Und damit meine ich keinen Aktionismus, sondern ordentliche, ehrliche Arbeit. Dass manche EU-Kritiker unsere Regierung für die Misere der EU als Hauptverantwortliche sehen, halte ich persönlich für schwer erträglich, weil es schlicht falsch ist. Aber politisch passt das den Leuten gut in den Kram. Das Unvermögen der EU zu Lösungen zu kommen, scheint alle Kritiker nur zu bestätigen. Orban, einer der ärgsten EU-Kritiker bedauert den Brexit. Mir zieht es bei soviel Falschheit die Schuhe aus! Er sieht (was sonst?) die Hauptursache für den Austritt in der Flüchtlingspolitik der EU. Dabei hat er diese mit seinem unsäglichen Benehmen selbst mit verursacht! Gut, das ist ein anderes Thema. Ich erinnerte ich an diese Schlagzeile:Großbritannien hat unlängst in Syrien gegen den IS zugeschlagen und will 20.000 Flüchtlinge aufnehmen. Allerdings auf Jahre verteilt.Quelle: Großbritannien will 20.000 Flüchtlinge aufnehmen | LINKMit 20.000 schienen die Briten demnach überfordert. Sagt das nicht alles aus über den Wahrheitsgehalt der Aussagen, die von eu-kritischen Briten getroffen wurden und natürlich auch von denen, die diese Krise als einen der Hauptgründe für den Brexit benennen? Es ist einfach nur schlimm. Hier ein Zahlenvergleich für das Jahr 2015. Die Daten stammen vom UNHCR.
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Tatsächlich könnte der Brexit (falls es je dazu kommt, inzwischen wird der Ball ja flacher gehalten, als zuvor) auch eine Chance zur Reform der EU bedeuten.
LG
Sabienes
Reformen sind überfällig. Ich hoffe nur, dass die Mitgliedsstaaten dies ebenfalls so sehen und nicht – wieder – von allen möglichen Seiten alles blockiert wird. Dass die Briten dann nicht mehr drin sind, erhöht vielleicht die Chancen. 🙂
LG
Horst